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Die Ouvertüre zu Webers erfolgreichstem und volkstümlichstem Opernwerk, dem 1821 in Berlin uraufgeführten „Freischütz", er öffnet unser Konzert. Diese Komposition ist wie das gesamte Werk, das nach Mozarts „Zauberflöte", Beethovens „Fidelio" und vor Richard Wagners Musikdramen den bedeu tendsten deutschen Beitrag zur Gattung Oper darstellt, eine Musikschöpfung von einzigarti ger menschlicher Aussagekraft. Musik dieser Art konnte nur ein Musiker schaffen, der wie Weber innig mit der Natur, der Landschaft verbunden war, der aus dem Leben und Emp finden des Volkes heraus musizierte. Formal ist die „Freischütz"-Ouvertüre eine Tondich tung, die den wesentlichsten Ideengehalt der Opernhandlung nach klassisch-sinfonischem Prinzip verarbeitet. Der in der Oper gestaltete Sieg des Guten über das Böse hat denn auch in der Ouvertüre vollendeten künstlerischen Ausdruck gefunden. Dabei weist dieses genia le Tonstück trotz vieler Klangmalereien nichts Äußerlich-Programmatisches auf. Alles ent springt vielmehr logischer, innerer musikali scher Entwicklung. Nach einer knappen, feier lichen Streichereinleitung erklingt in den Hör nern jene volkstümliche Weise, die Stimmungs haft den Schauplatz der Opernhandlung cha rakterisiert: den deutschen Wald. Im anschlie ßenden c-Moll-Allegro entsteht sodann vor dem Hörer die Düsterheit der Wolfsschlucht- Szene, die Welt des schwarzen Jägers Samiel (drohend klopfende Bässe, Streichertremoli, tiefe Klarinetten). Dieser schauerlich-dramati schen Szene folgt unversehens ein friedliches Bild, eine Klarinettenmelodie, unterstützt von den ersten Violinen: Agathes Liebeslied. Nach sinfonischem Prinzip erfolgt nun die Wieder kehr der kontrastreichen Themen und Stim mungen. Ein jubelnder C-Dur-Fortissimoak- kord schließlich kündet den Sieg des Guten an. Nochmals erklingt Agathes Liebesmelodie, nun zum strahlenden Schlußhymnus gesteigert. Eine eigenartige, ja einsame Stellung in der Musikgeschichte nimmt Jean Sibelius, der Begründer einer national-finnischen Kunst musik großen Stils, ein. Der 1865 in Hämeen- linna (Tavestehus, Finnland) Geborene sollte eigentlich Jurist werden, studierte jedoch Mu sik bei M. Wegelius in Helsinki, bei Albert A. Becker in Berlin und schließlich bei Karl Gold mark und Robert Fuchs in Wien. 1893 kehrte er wieder in die Heimat zurück und wirkte zu nächst als Theorielehrer an Helsinkier Musik schulen, bis er sich, da er vom finnischen Staat ein Stipendium auf Lebenszeit erhielt, gänzlich seinem kompositorischen Schaffen widmen konnte. 37 km nördlich von Helsinki, in Järven- pää, ließ er sich 1904 in herrlichster Landschaft ein Haus bauen, in dem er bis zu seinem Tode im Jahre 1957 lebte und arbeitete. Seit 1929 veröffentlichte Sibelius keine Werke mehr. Er schrieb fortan nur noch Musik, die niemand, nicht einmal seine Frau, hören durfte. An Stapeln von Notenblättern klebten Etiket ten: „Nicht anrühren" oder „Erst nach meinem Tode zu öffnen". Aber der Nachlaß enthielt kaum Manuskripte. Der Komponist hatte offen bar alles kurz vor seinem Tode vernichtet. Er soll einmal gesagt haben: „Diktatur und Krieg widern mich an. Der bloße Gedanke an Tyrar^ nei und Unterdrückung, Sklavenlager und M^B schenverfolgung, Zerstörung und Massenmc^r machen mich seelisch und physisch krank. Das ist einer der Gründe, warum ich in über zwan zig Jahren nichts geschaffen habe, was ich mit ruhigem Herzen der Öffentlichkeit hätte ge ben können. Ich habe manches geschrieben, aber etwas aufführen zu lassen, dazu fehlte mir. . . ja, das wollte ich eben nicht." Zum Bilde Sibelius' gehört es auch, daß er sich kurz vor und nach der Jahrhundertwende der national-finnischen Freiheitsbewegung gegen die Unterdrückungsmaßnahmen der zaristischen Behörden anschloß. Seine berühmten Tondich tungen nach dem finnischen Nationalepos „Kalewala" oder die sinfonische Dichtung „Fin landia" stehen in engem Zusammenhang mit diesen nationalen Bestrebungen. Zu Sibelius's wichtigsten Werken rechnen ne ben zahlreichen Liedschöpfungen, Klavierstük- ken, Volksliedbearbeitungen, Chören, ein Vio linkonzert, die sinfonischen Dichtungen und vor allem sieben Sinfonien, die den Kompo nisten als größten finnischen Sinfoniker aus weisen. So sehr auch der Meister von der My thologie und Natur seines Landes zum Schaf fen angeregt wurde, Motive aus der Volksmu^k verwendete er nirgends. Gleichwohl ist se^A eigenständige, zwischen Spätromantik uro neuen musikalischen Bestrebungen des 20. Jahrhunderts stehende Musik von ausgespro chen nationaler Haltung, in der Stimmung wie im Tonfall. „Die .Weise’ seines Landes fließt ihm aus dem Herzen in die Feder", sagte Bu- soni einmal, der zu den ersten ausländischen Vorkämpfern des großen Finnen gehörte. Zu Recht gilt Sibelius als der Vollender, über haupt als eine der wesentlichsten Erscheinun gen der romantischen Epoche der Musikge schichte. Die Eigenart seines elementaren, ur gesunden Persönlichkeitsstiles fand keine Nach folge. Das erklärt seine einsame Stellung in der Musik unserer Zeit. Während sein Stil in LIANA ISSAKADSE stammt aus Tbilissi. 1963 absolvier te sie das Konservatorium ihrer Heimatstadt. Ihr Lehrer • Prof. Tschukaschwili. i siegte sie in einem Instrumenta (Wettbewerb der asischen Sowjetrepubliken und belegte außerdem den 2. Platz beim sowjetischen Allunions-Wettbewerb der Musikstudenten. 1963 wurde sie Schülerin David Oistrachs am Moskauer Konservatorium und erhielt eine Aspirantur. 1965 gewann sie den 1. Preis im Long- Thibaud-Wettbewerb Paris, 1970 den 3. Preis des IV. Tschaikowski-Wettbewerbes in Moskau sowie den 1. Preis des Sibelius-Wettbewerbes in Helsinki. Nach diesen internationalen Erfolgen begann eine umfang reiche Konzerttätigkeit im In- und Ausland, die die hervorragende Repräsentantin der sowjetischen Geiger schule auch bereits 1972, 1973 und 1979 zur Dresdner Philharmonie führte. Seit 1981 leitet sie auch das Staatliche Georgische Kammerorchester, das in der UdSSR und im interna tionalen Rahmen wirksam ist. Liana Issakadse ist „Volkskünstlerin der Georgischen SSR" und erhielt 1932 den Rustaweli-Preis.