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lieh zu ihren Gunsten zu schaffenden Einrichtung ganz frei ausgehen sollen. Nach mehrfachem Schwan ken tritt die Sozialdemokratie jetzt für reine Ar beiterkammern ein. Auch in einigen Kreisen der Mitglieder des Zentralverbandes neigt man zu letzteren. Das Direktorium glaubt dem Zen tralverband nicht empfehlen zu können, diesen Stand punkt einzunehmen. Es glaubt, daß ein Bedürfnis zur Errichtung von neuen besonderen Organen zur Ver tretung der Interessen der Arbeiter nicht vorliegt. Es bittet die Delegiertenversammlung, sich dieser Auf fassung anzuschließen und die Bedürfnisfrage zu verneinen; es bittet sie auch, im Hinblick auf die sehr wahrscheinliche Errichtung derartiger neuer In stitutionen, sich nicht für Arbeiterkammern auszu- sprechen. Diese würden nicht mehr und nicht weniger als eine staatliche Organisation der Sozialdemokratie sein. Das Direktorium bittet die Versammlung, ihre Ueberzeugung dahin auszusprechen, daß die mit der Errichtung der Arbeitskammern verbundenen Ziele und Zwecke nicht erreicht werden, sondern daß eine Verschlechterung eintreten wird. Diese Ablehnung sei in den Kreisen, die sich geäußert haben, merk würdig einmütig. An diesen mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortrag schloß sich eine eingehende Erörterung, an der Dr. Büttner - Augsburg, Abg. Dr. Beumer- Düsseldorf, Generalsekretär S t u m p f-Osnabrück, Ge heimrat K r a b 1 e r, der Vorsitzende und der Berichter statter sich beteiligten. Darauf wurde folgender B e - schlußantrag einstimmig angenommen: „Nachdem sich das Direktorium und der Ausschuß des Zentralverbandes Deutscher Industrieller in be sonderen Sitzungen eingehend mit dem Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern beschäftigt haben, er klären die heute zahlreich zu demselben Zwecke zu sammengetretenen Delegierten in voller Ueberein stimmung mit den vorbezeichneten Organen namens des Zentralverbandes folgendes: Die Begründung des Gesetzentwurfes enthält im Eingänge folgende Sätze: „Der kaiserliche Erlaß vom 4. Februar 1890 hat für die Pflege des Friedens zwischen Arbeitgebern und Ar beitnehmern gesetzliche Bestimmungen über die Formen in Aussicht genommen, in denen die Arbeiter durch Vertreter, welche ihr Vertrauen besitzen, an der Rege lung gemeinsamer Angelegenheiten beteiligt und zur Wahrnehmung ihrer Interessen bei Verhandlung mit den Arbeitgebern und den Behörden befähigt werden sollen. Wenn es schon bisher an Einrichtungen zu diesem Zweck nicht gefehlt hat, so sind doch von verschiedenen Seiten, insbesondere auch im Reichstag, Anträge auf die Errichtung besonderer Vertretungen gestellt und zum Beschluß erhoben worden.“ Der Zentralverband teilt mit der Begründung die Ansicht, daß es schon bisher an Einrichtungen zu den in der kaiserlichen Botschaft bezeichneten Zwecken nicht gefehlt hat, daß sie demgemäß in einem erheblichen Umfang vorhanden sind. Er kann daher die von ver schiedenen Seiten, insbesondere vom Reichstag ge stellten und zum Beschluß erhobenen Anträge nicht als genügende Begründung der Absicht anerkennen, paritätische Arbeitskammern zu errichten, Organe, die einen tiefgehenden und, wie weiterhin gezeigt werden wird, dem Gemeinwohl nicht förderlichen Ein- fluß auf die Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ausüben würden. Ohne gegen die Parität, die in verschiedenen im Interesse der Arbeiter errichteten Institutionen, wie beispielsweise bei den Gewerbegerichten, bereits ein geführt ist, prinzipiell Stellung zu nehmen, ist der Zentralverband doch der Ansicht, daß die in dem vorliegenden Gesetzentwurf geplanten Arbeitskammern nicht geeignete Organe zur befriedigenden Erfüllung und Erreichung der ihnen zugewiesenen umfangreichen und vielseitigen Aufgaben und sehr weitgesteckten Ziele sein werden. Insbesondere ist der Zentralver band zu der festen Ueberzeugung gelangt, daß die an die Spitze gestellte bedeutungsvollste, den haupt sächlichsten Zweck und Kern der Vorlage umfassende Aufgabe, den wirtschaftlichen Frieden zu pflegen und ein gedeihliches Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern, von den Arbeits kammern nicht erfüllt werden wird und nicht erfüllt werden kann. Denn der Zentralverband glaubt un bedingt annehmen zu müssen, daß, möge das vor geschlagene Verfahren zur Wahl der Arbeitervertreter oder irgend ein anderer Wahlmodus zur Anwendung gelangen, die Mehrzahl der Gewählten unter dem bedingungslosen Einfluß solcher gewerkschaftlicher Organisationen stehen wird, die unter dem Deckmantel, das Wohl der Arbeiter zu fördern, politische Macht stellung anstreben. Daher ist der Zentralverband zu der weiteren Ueberzeugung gelangt, daß die Erörte rungen und Verhandlungen in den paritätischen Ar beitskammern zum Gegenteile, das ist zur Förderung des wirtschaftlichen Unfriedens und zur Verschlech terung des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern führen werden. Der Zentralverband muß aber auch die als maßgebend für die im Reichs tag gestellten und zum Beschluß erhobenen Anträge und für die Ausarbeitung und Einbringung dieses Gesetzentwurfs anzusehende Berufung auf den kaiser lichen Erlaß vom 4. Februar 1890 als unzeitgemäß und daher als unzutreffend bezeichnen, da in den 18 inzwischen verlaufenen Jahren die Arbeiterverhält- nisse fast überall und in den wesentlichsten Be ziehungen eine durchaus andere, mit dem Inhalt und den Absichten des Erlasses nicht mehr übereinstim mende Gestaltung angenommen haben. Ohne jetzt schon auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfes weiter einzugehen, da doch in der eventuellen weiteren Be handlung durch die zuständigen Stellen wesentliche Aenderungen vorgenommen werden dürften, be schließt die Versammlung der Delegierten des Zen tralverbandes, das Direktorium zu beauftragen, sich mit der Bitte an die verbündeten Regierungen zu wenden, dem im hohen Bundesrat zur Vorlage ge langten Entwurf eines Gesetzes über Arbeitskammern die Zustimmung zu versagen und ihn nicht weiter zu verfolgen.“ Im weiteren Verlauf der Versammlung erörterte Regierungsrat Prof. Dr. Leidig die Novelle zur Ge werbeordnung und begründete folgende Anträge: „Der Zentralverband Deutscher Industrieller er kennt an, daß die Novelle zur Gewerbeordnung, die dem Reichstag vorgelegt worden ist, in verschie denen ihrer Bestimmungen Besserungen des bestehen den Zustandes bringt. Vor allem ist der Zentralver band Deutscher Industrieller mit der Abschaffung der Lohnzahlungsbücher einverstanden. Eine Reihe anderer Vorschriften, so die Einführung der Lohnbücher, die monatliche Gehaltszahlung an die Betriebsbeamten, die Bestimmung, daß die Abwesenheit vom Dienste infolge militärischer Uebungen kein Entlassungsgrund sei, geben uns überhaupt nicht . oder doch nur in Einzelheiten Anlaß zu Bedenken. Dagegen muß der Zentralverband Deutscher Industrieller in folgenden Punkten ernsten Einspruch erheben: 1. Gegen die zu weit gehenden Vorschriften hin sichtlich der Konkurrenzklausel der Angestellten. Es ist dringend notwendig, die Möglichkeit zu be seitigen, daß der Angestellte durch Zahlung der Kon ventionalstrafe sich seiner Verpflichtung entledigt. Vielmehr ist der Anspruch auf Erfüllung oder Ersatz tatsächlich entstandenen Schadens auch fernerhin im Gesetz zuzulassen. Ferner ist die Vorschrift, daß bei nicht durch besondere Vorgänge begründeter Auf lösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber die Verpflichtungen aus der Konkurrenzklausel weg fallen, auszumerzen. Die weitere Geltung der Kon-