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Zusammenbruch. Pauken, Fagott und Horn malen das Todesröcheln des erschöpf ten Pferdes. Doch dann verkünden Trompeten die nahende Rettung. Mazeppas Thema klingt in neuer Kraft auf und mündet in einen gewaltigen Siegesmarsch, der von ukrainischen wie ungarischen Rhythmen getragen wird: die Apotheose des Helden." Beia Bartök komponierte das erste seiner drei Klavierkonzerte in den Monaten August bis November 1926 in Budapest. Die Uraufführung erfolgte cm 1. Juli 1927 in Frankfurt am Main unter Wilhelm Furtwängler, Solist war der Komponist. Sein Klavierspiel, das sich damals immer mehr der Auffassung näherte, das Klavier als Schlagzeug zu behandeln, charakterisierte Bence Sza bolcs! folgendermaßen: „Klare und scharfe Umrisse, oft eine gewisse Härte, aber vorwiegend starke Plastizität . . . elementar . . Im 1. Klavierkonzert umrahmen zwei schnelle Ecksätze ein Andante. Das Finale entwickelt sich aus dem langsamen Satz, eine Überleitung verbindet zwei ten und dritten Satz. „Auch dem Eröffnungssatz geht ein Vorspiel voraus. Es fun giert als Einführung in die Tonrepetitionen, die Pedaltöne, den an Ostinato- Technik reicher. Stil und die harte Vortragsweise. Es deutet an, daß in dieser Komposition alles dem Rhythmus entspringt. Sein Thema erscheint in zwei For men: Stark rhythmisiert (im Horn) und Strawinskys kurzatmigen, primitiven Moti ven verwandt (im Fagott). Es enthält jene Zellen, aus denen sich die Motivik und Rhythmik des gesamten Werkes aufbaut. Die Einleitung stürzt förmlich in das Allegro, und die Rolle der Schlaginstrumente wird vom Thema des Klavieres übernommen. Schon bei einmaligem Hören können Haltung und Aussage des Werkes klar wahrgenommen werden. Hier sprechen rhythmische Kraft, die Energie der Bewegung, die Dynamik terrassenartiger Wiederholungen. Die Konfrontation großer Blöcke charakterisiert den Stil. Es gibt kein Ausruhen. Entspannung brin gen nur jene Momente, in denen sich das motorisch stampfende Material volks liedartig zu Melodien oder zumindest wie Frage und Antwort ordnet. Die be wußte Primitivität der Melodik wird durch die Virtuosität der Solostimme noch unterstrichen. Eine derartige Thematik kann man nur variieren, indem man immer neue Kombinationen bildet. Die Reprise ist, wie immer bei Bartök, eine Variante der Exposition.“ Das dreiteilige Andante, eine echt Bartöksche „Musik der Nacht", ein Notturno, stellt vor allem einen Dialog zwischen Klavier und Schlagzeug dar. „Der 3 /g-Rhyth- mus der Schlaginstrumente wird vom Klavier aus dem ersten kurzen Motiv soweit melodisch erweitert, daß es später mit Bachscher Stimmführung gespielt werden kann. Der Mittelteil ist ein typisches Beispiel für Bartöks Polyphonie und seine Handhabung des Klaviers als Schlagzeug. Das Klavier liefert die Trommel begleitung, und darüber verbreitert sich die Melodie einer Klarinette allmählich zu einem achtstimmigen Gewebe; aus dem Ensemble lösen sich die Umrisse eines sonderbaren orientalischen Tanzes. Ohne daß die Musik ihre Farbe wechseln würde, leitet der neue Rhythmus der Trommeln das Finale ein, und diese Überleitung besteht allein aus .Urelemen ten': Trommel und Posaunen-Glissandi. Das Thema des Finales erscheint über einem fast sechzigtaktigen, gewaltigen Ostinato. Der Schwung des Satzes ist mitreißend, noch härter, noch unerbittlicher als vorausgegangene Stücke Bartöks. Orchester und Klavier sind völlig gleichgestellt, das Klavier wird hier zu einem Orchesterinstrument" (György Kroö). Groß sind die Ansprüche, die diese — wie Bartök sie bezeichnete — „äußerst schwere" Partitur an die Ausführenden stellt, insbesondere an Technik, rhythmische Spannkraft und Temperament des Solisten. Bereits neun Jahre nach der erst im reifen Alter von 43 Jahren vollendeten 1. Sin fonie schuf Johannes Brahms seine 4. und letzte Sinfonie. Unmittelbar nach der „Dritten" entstanden, erlebte die 4. Sinfonie e-Moll op. 98 ihre Uraufführung unter der Leitung des Komponisten am 25. Oktober 1885 in Meiningen Das machtvolle Werk bedeutet zuchtvollste Zusammenfassung seiner sinfonischen Ausdrucksmittel, die noch einheitlicher, verdichteter, vielsagender erscheinen als in den vorausgegangenen Sinfonien. In der Rückbesinnung auf vorklassische und klassische Traditionen der Tonkunst, auf das deutsche Volks lied, auf alte Tanzformen, fand Brahms das stilistische Fundament für sein be- kenntnishaftes Werk, dessen erster Satz (Allegro non troppo) sogleich mit einem getragenen Thema der Violinen einsetzt, von den Bläsern begleitet. Das zweite Thema, in den Bläsern zunächst trotzig erklingend, verstärkt den elegischen Grundzug, der schon dem ersten Gedanken eigen ist. Eine Cello-Kantilene, tröstende Holzbläsermotive, Geigenfiguren, mahnende Rufe der Trompeten füh ren zur dramatischen Durchführung und schließlich zur Coda, in der sich die trotzige, aber auch verzweifelte Kampfstimmung des Satzes eindringlich aus drückt. Dramatisches und Episches verbindet sich in der logisch-organischen Ent wicklung des bildhaften melodischen Materials. Eine Hörner-Devise eröffnet den zweiten Satz (Andante moderato), dessen für Brahms so ungemein typischer herbsüßer Klangcharakter aus dem Gegensatz von Phrygisch und E-Dur erwächst. Die wehmutsvolle Anfangsstimmung wird von Vio- linen-Melodik überwunden. Ein „Schicksalsthema" erklingt, das an das Bläser thema des ersten Statzes erinnert. Aus ihm entfaltet sich — wiederum als Cello- Kantilene — ein zweiter tragender musikalischer Gedanke, der vor allem in de 1 ' Reprise zu Wort kommt. Die müden Klarinettentöne des Beginns und das Devisen motiv beschließen den Satz. Mit einem lärmend-heiteren C-Dur-Thema beginnt der dritte Satz (Allegro giocoso), der in deutlichem Gegensatz zur elegischen Grundhaltung des voraus gegangenen angelegt ist. Anklänge an die Hauptthemen des ersten Satzes be legen auch hier die erreichte Einheit in der musikalischen Gestaltung der ganzen Sinfonie. Die zur Schau getragene Heiterkeit, absichtsvolle Lustigkeit und Wirblig - keit, der fast grimmige Humor des Satzes deuten an, daß der eigentliche Kampf um die Entscheidung noch bevorsteht. Im Finale (Allegro energico e passionato) griff Brahms auf eine von den Kompo nisten des 17. und 18. Jahrhunderts hochgeschätzte, aus Spanien stammende Tanz form im Dreivierteltakt zurück, auf die Chaconne, bei der das (meist im Baß er scheinende) Thema in den Oberstimmen mannigfaltig verändert und umspielt wird. Dem Thema, das zu Beginn des Satzes in gemeißelter Wucht und Klarheit ersteht, folgen hier einunddreißig Variationen, wobei trotz allen Gestaltwandels der großartige, aufrechte Charakter des Grundgedankens erhalten bleibt. Zu den eindrucksvollsten Momenten des unerhört einheitlichen Satzgeschehens gehört jene E-Dur-Stelie der Posaunen und Trompeten, die an die „Ernsten Gesänge" (O Tod, wie bitter bist du) gemahnt. Nach einer Stretta-Steigerung (Piü allegro) kommt es zum unerbittlichen Schluß des Finales, das keine Überwindung der dunklen Gegenkräfte bringt — das ist dem spätbürgerlichen Künstler im Unter schied etwa zu Beethoven nicht mehr möglich —, jedoch ein festes Sichbehaupten, symbolisiert durch die Kraft des Chaconne-Themas. VORANKÜNDIGUNG: Sonnabend, den 9. April 1977, 20.00 Uhr, Freiverkauf Sonntag, den 10. April 1977, 20.00 Uhr, AK (J) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 8. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Günther Herbig Solist: Eric Heidsieck, Frankreich, Klavier Werke von Matthus, Mozart und Brahms Programmblätter der Dresdner Philharmonie — Spielzeit WlklTI — Chefdirigent: Günther Herbig Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Druck: GGV, Produktionsstätte Pirna - 111-25-12 2,65 T. ItG 009-27-77 (•Nllnarnoonie^ 7. AUSSERORDENTLICHES KONZERT 1976/77