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nähme der Ausfuhr und dem Steigen der Einfuhr den Schluß ziehen zu wollen, daß unsere Eisen- und Stahlindustrie durch Aufträge im Inlande in der Weise beschäftigt gewesen sei, daß sie sich am Auslandgeschäfte nicht hätte beteiligen können, wäre verfehlt; denn die Vierteljahrs marktberichte zeigen dasselbe unerfreuliche Bild, wie vor Jahresfrist: trotz Besserung des Ab satzes ein wenig befriedigendes Geschäft. Sowohl im Stabeisengeschäft als auch in Walzdraht trat nur eine geringe Belebung ein, der Grob- und Feinblechmarkt hatte unter der Unsicherheit über die Erneuerung der in Be tracht kommenden Verbände zu leiden. In Trägern war das Geschäft sehr lebhaft, dagegen fehlte es an Aufträgen in Eisenbahn-Oberbaumaterial. In der Maschinenbranche waren die Preise immer noch gedrückt, und nur in rollendem Eisenbahn material herrschte infolge bedeutender Staats aufträge befriedigender Bedarf. Zu Ende des Jahres 1904 verstärkten sich die Abrufungen in Gießereiroheisen; die Preise blieben jedoch un verändert. Nach Amerika konnten vor Jahres schluß 15 000 t Spiegeleisen verkauft werden. Hand in Hand mit der Beschäftigung in der Eisen- und Stahlindustrie geht der Absatz und die Förderung im Kohlenbergbau. Der zu Beginn des Berichtsjahres normale Geschäftsgang verschlechterte sich in den Sommermonaten in folge verminderten Abrufs der Eisenindustrie, des englischen Wettbewerbs in Holland und des anhaltend geringen Wasserstandes des Rheins. Mit dem Wintergeschäft trat alsdann ein leb hafter Umschwung zum Bessern ein, so daß eine Wagengestellung von 20 000 Wagen täglich die Regel, Wagenmangel nicht selten war. Die Kohlenförderung selbst stellte sich im Deutschen Reiche im Jahre 1904 auf 120 694098 t; sie überstieg somit die 116 664376 t betragende Förderung des Jahres 1903 um 4029 722 t= 3,4 °/o; die Koksherstellung betrug im Jahre 1904 12 331 163 t gegen 11 509259 t im Jahre 1903. Kohlen-Ein- und-Ausfuhr zeigen weitere Steigerungen — im Jahre 1904 7 299 042 t in der Einfuhr, und 17 996 726 t in der Ausfuhr —, so daß sich ein Kohlen verbrauch von 109 996 414t für 1904 gegenüber 106 040 955 t für 1903 ergibt. Das erfreuliche Bild verkehrt sich jedoch zu Beginn des Jahres 1905 in das Gegenteil, indem j die Einfuhr von Brennstoffen während der Zeit, des Bergarbeiterausstandes rapid stieg, unsere ) Ausfuhr dagegen auf ein Minimum sank. Die in den letzten Jahren stets steigende Roheisenerzeugung istin Deutschland nur sehr j unbedeutend gegen das Vorjahr gestiegen; sie betrug im Jahre 1904 10 103941 t gegen 10 085 634 t. An Gießereiroheisen wurden 1865 599 t, an Bessemerroheisen 392 766 t, an | Thomasroheisen 6 390 047 t, an Stahl- und Spiegeleisen 636 350 t, und an Puddelroheisen I 819 239 t produziert. Aus diesen Zahlen ist ersichtlich, daß die Erzeugung von Gießerei roheisen und Thomasroheisen zugenommen, die an Bessemer-, Stahl- und Spiegel- sowie an Puddelroheisen abgenommen hat. Die Abnahme dieser Qualitäten ist wesentlich durch den er heblichen bedauerlichen Rückgang der Produktion im Siegerland, im Lahnbezirk und in Hessen-Nassau zu erklären; die Roheisenerzeugung in diesen Bezirken sank von 718106 t im Jahre 1903 auf 587 032 t im Jahre 1904. In dem ersten Viertel des Jahres 1905 stand die Eisenindustrie zunächst unter dem Zeichen der Einwirkung des niederrheinisch-westfälischen Bergarbeiterausstandes. Durch die noch vor handenen Koksvorräte und durch die Versorgung mit ausländischem Brennstoff, die zum Teil nur mit großen Opfern ermöglicht wurde, gelang es, die Betriebe im allgemeinen aufrecht zu erhalten, und nach Beendigung des Ausstandes machte sich auf dem Eisenmarkte eine erhöhte Nachfrage geltend, die nicht nur auf den Pro duktionsausfall während des Streikes, sondern auch auf wirklichen Mehrbedarf zurückzuführen ist. Auch die Verhältnisse auf dem Siegerländer Eisenmarkte erfuhren eine Besserung, und da sich zugleich die Nachfrage vom Auslande belebte, so stehen wir zurzeit in einer Periode der erfreu lichen Gesundung unserer wirtschaftlichen Lage. Wie sich deren weitere Entwicklung in Zukunft gestalten wird, bleibt abzuwarten. Einen tiefen Schatten auf diese Zukunft werfen die Handelsverträge, die unsere zollpolitischen Verhältnisse mit sieben Auslandsstaaten für die nächsten zwölf Jahre regeln und am 1. März 1906 zugleich mit dem neuen autonomen Zoll tarif in Kraft treten sollen. In den Kreisen der Eisen- und Stahlindustrie gab man schon während der Verhandlungen der Zolltarifkom- mission der Befürchtung Ausdruck, daß die Landwirtschaft auf Kosten der Industrie an sehnliche Vorteile für die Vertragszeit zugebilligt erhalten werde; daß diese Begünstigung der Landwirtschaft jedoch in einer die Industrie so schwer schädigenden Weise durchgeführt werden würde, wie es tatsächlich der Fall ist, hat in industriellen Kreisen die größte Bestürzung her vorgerufen. Dieses ungünstige Ergebnis hat zwei Gründe: Einmal waren die Waffen, die im deutschen Zolltarif geschaffen sind, für den Kampf mit dem Auslande vielfach nicht scharf genug; denn schon in dem Zolltarifentwurf, den man dem Reichstage vorlegte, hatte man in ganz unnötiger Weise in vielen Positionen unsere bestehenden V ertragssätze herabgesetzt. Ferner aber - sind diese Waffen auch nicht in dem Maße ausgenutzt worden, wie es die Industrie erwartet hat; es sind viel mehr in manchen Fällen von vornherein Zugeständ nisse gemacht worden, die unserer Meinung nach nicht hätten gemacht zu werden brauchen. Auf