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748 Stahl und Eisen. Industrielle Rundschau. 25. Jahrg. Nr. 12. Zechen zur rechtzeitigen Sicherung des von den alten Mitgliedern geschlossenen Vertrages zugestanden wer den mußten, uns Abnahmeverpflichtungen in einem Umfang auferlegt, daß schon durch deren Erfüllung ein großer Teil des natürlichen Absatzzuwachses in Anspruch genommen wurde. Noch einschneidendere Wirkungen hatte aber das den Hüttenzechen ein geräumte Vorrecht, den zu den eigenen Verbrauchs zwecken ihrer Hüttenwerke und deren Zubehör er forderlichen Selbstverbrauch neben ihrer Beteiligung im Syndikat aus eigener Förderung zu decken, ein Vorrecht, dessen Ausnutzung den Hüttenzechen eine bis an die Grenzen ihres Bedarfes ungehinderte Ent wicklung ihrer Förderung gestattete und uns in steigen dem Maße Absatzverluste brachte. Die Wirkung dieser Vorrechte findet in der fol genden Zusammenstellung über die Förderung der Jahre 1903 und 1904 zahlenmäßigen Ausdruck: 1. neue reine Zechen 2. Hüttenzechen 3. alte reine Zechen 1903 1904 Zuwachs °/0 3 339 536 t 3 808 733 t 469 197 t 14,05 12 362 976 t 13 644 395 t 1 281 419 t 10,36 49 076 655 t 49 802 773 t 726 118 t 1,48 64 779 167 t 67 255 901 t 2 476 734 t 3,82 Danach ist der auf die Gesamtheit der alten reinen Syndikatszechen entfallende Zuwachs selbst in abso luten Zahlen hinter demjenigen der begünstigten Zechengruppen beträchtlich zurückgeblieben, und pro zentual ist der Anteil, den die ersteren an der Förder entwicklung genommen haben, geradezu verschwindend. Dieses außerordentliche Mißverhältnis wird aber erst durch die Tatsache in das rechte Licht gerückt, daß zum Teil die neuen reinen Zechen mit alten Syndikats zechen in Verkaufs vereinen verbunden sind, und diese letzteren Zechen auf Grund der großen Beteiligungs ziffern der neuen Zechen unter Benutzung des Vor rechts der Verkaufsvereine ihre Förderung sehr ge steigert haben. Diese Mengen würden andernfalls in der Absatzsteigerung der alten Zechen nicht erschienen sein, und dadurch das Bild sich noch mehr zugunsten der neuen reinen Zechen verschoben haben. Um so drückender muß es von den alten Mitgliedszechen empfunden werden, daß der Absatzzuwachs im Be richtsjahre tatsächlich zum überwiegenden Teil an eine Minderheit anderer Zechen gefallen ist, und ver schärft wird diese unerfreuliche Erscheinung noch da durch, daß auch bei den Hüttenzechen die Förderung einer bis zur Höhe ihres jeweiligen Selbstverbrauchs unbeschränkten Steigerung fähig bleibt. Denn nicht nur haben schon im Berichtsjahre Hüttenwerke, welche bisher nicht mit Hüttenzechen verbunden waren, An schluß an solche genommen, sondern es ist auch be reits die Ausdehnung der letzteren und ihrer Vorrechte bei Gelegenheit des Erwerbes der Zechen Friedlicher Nachbar und Hasenwinkel durch die Deutsch-Luxem burgische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft versucht und seitens der letzteren im Prozeßwege die Übertragung ihres Vorrechts als Hüttenzeche auf die erworbenen Zechen verlangt worden. Dazu kommt noch, daß auch die Wirkung der mittelbaren Begren zung des Hüttenselbstverbrauchs durch die Beteiligungs ziffern im Stahlwerks-Verband infolge der inzwischen beschlossenen Erhöhung der letzteren abgeschwächt ist. Alles dies hat in Verbindung mit dem Umstande, daß die bei Fühlbarwerden der geschilderten Miß stände eingeleiteten Verhandlungen mit den Hütten zechen über eine nachträgliche Kontingentierung ihres Hüttenselbstverbrauches zu keinem Ergebnis geführt haben, in den Kreisen der alten reinen Zechen erheb liche, auch rechtliche Bedenken gegen die Durchführ barkeit des neuen Syndikatsvertrages und den Wunsch nach einer vorzeitigen Revision desselben wachgerufen, welcher namentlich bei Zuerkennung des von der Deutsch-Luxemburgischen Bergwerks- und Hütten- Aktiengesellschaft geltend gemachten Klageanspruches nicht wird übergangen werden können. Im Zusammen hang mit dieser Entwicklung stehen die bereits im Anhang unseres vorjährigen Berichts behandelten An käufe kleiner, infolge mangelnder oder ungenügender Rentabilität nicht mehr lebensfähiger Syndikatszechen seitens kräftigerer Mitglieder des Syndikats, welche mit Wegfall des Beteiligungsvorrechtes neuer Schächte für die Entwicklung und Ausnutzung ihrer Anlagen, sowie den Ausgleich der steigenden prozentualen Be teiligungsverringerungen keinen andern Weg hatten, als mit dem Erwerb dieser Zechen auch deren Be teiligungsziffer an sich zu bringen und ganz oder teil weise auf ihre alten Schächte zu übertragen, damit zugleich aber den früheren Eigentümern der ange kauften Zechen ein Entgelt für ihre hohen und größtenteils ertraglosen Aufwendungen bieten konnten. Von den betreffenden Zechen haben nur Alstaden und Eiberg und zurzeit auch noch Julius Philipp zum Teil in Betrieb gehalten werden können, während bei allen übrigen eine Stillegung zur Vermeidung weiterer Betriebsverluste nicht länger hintanzuhalten war. Ob schon dabei nach den amtlichen Feststellungen die Erwerberinnen durchaus und in einem Maße Rücksicht auf die davon betroffenen Gemeinden und Arbeiter genommen haben, wie es bei Untergang der Zechen betriebe ohne Bestehen des Syndikats unwahrscheinlich gewesen wäre, und obschon im letzteren Falle eine noch frühere und noch umfangreichere Auslese der unwirtschaftlichen Betriebe ohne den Vorteil der Ver wertung der Beteiligungsziffern stattgefunden haben dürfte, hat doch die Agitation sich dieses Stoffes zur Erregung der öffentlichen Meinung und nicht zuletzt der in keinem einzigen Falle brotlos gewordenen Ar beiter in einer alles Maß und Ziel überschreitenden Weise bemächtigt. In ihrem weiteren Verlauf hat diese Bewegung und Verhetzung der Arbeiter, welche schon im Laufe des Berichtsjahres einen Ausstand heraufzubeschwören drohte, zu Beginn des laufenden Jahres zum Ausbruch desselben geführt. Auch in diesem Falle fand die Bewegung ungeachtet des Ver tragsbruches der Arbeiter an der in geradezu unver ständlicher Weise voreingenommenen öffentlichen Mei nung einen ihre Dauer verlängernden starken Rückhalt, und wiederum ergaben auch hier die nachträglich ein geleiteten amtlichen Untersuchungen das Fehlen der zur Rechtfertigung des Ausstandes behaupteten all gemeinen Mißstände. Außerordentlich tiefgehend sind trotz unserer nicht erfolglos gebliebenen Abschwächungs versuche die Schädigungen gewesen, die der Ausstand den unmittelbar beteiligten Kreisen wie dem ganzen heimischen Wirtschaftsleben zugefügt hat, ohne daß uns nach Wiederaufnahme der Arbeit ein auch nur annähernder Ausgleich durch vermehrte Anforderungen der Kohlenverbraucher erwachsen wäre, da sich die selben inzwischen über Bedarf mit fremden Brenn stoffen versorgt hatten. Außerdem ist zu befürchten, daß die schwersten Folgen sich erst noch zeigen werden; denn wie bei der Zechenstillegung, so hat auch hier die Regierung Anlaß zu gesetzgeberischen Eingriffen genommen, und wie jeder Zwang zur Auf rechterhaltung ' auch der mit hohen Selbstkosten arbeitenden Zechenbetriebe verteuernd wirkt, so muß auch jede weitere Erschwerung der allgemeinen Pro duktionsbedingungen eine Erhöhung der Gewinnungs kosten des schon jetzt schwer belasteten Steinkohlen-