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DRESDNER PHILHARMONIE ZUR EINFÜHRUNG Freitag, den 19. September 1975, 20.00 Uhr Sonnabend, den 20. September 1975, 20.00 Uhr Festsaal des Kulturpalastes Dresden 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Hartmut Haenchen Solistin: Annerose Schmidt, Berlin, Klavier Felix Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56 Mendelssohn Bartholdy (Schottische) 1809-1847 Andante con moto — Allegro con poco agitato Vivace non troppo Adagio Allegro gueriero, vivacissimo — Allegro maestoso assai PAUSE Johannes Brahms 1833-1897 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 83 Allegro non troppo Allegro appassionato Andante Allegretto grazioso ANNEROSE SCHMIDT studierte nach langjähriger Ausbildung bei ihrem Vater an der Leipziger Musikhochschule bei Hugo Steurer und bestand nach drei Jahren 1957 das Staatsexamen mit besonderer Auszeichnung. Sie ist Preisträgerin des V. Internationalen Chopin-Wettbewerbes 1955, 1. Preisträgerin des Pianistenwettbewerbes Leipzig 1955, an dem sich Pianisten aus beiden deutschen Staaten beteiligten, und 1. Preisträgerin im Internationalen Schumann- Wettbewerb 1956. 1961 erhielt die Pianistin den Kunstpreis der DDR sowie 1965 den National preis unserer Republik. Konzertreisen führten Annerose Schmidt in sämtliche Musikzentren Europas, des Nahen Ostens sowie Japans. Bei der Dresdner Philharmonie ist die prominente Künstlerin ständiger Gast. Mit dem Jahre 1835 begann Felix Mendelssohn Bartholdys dritte und reifste Schaffensperiode, an deren Beginn und Ende jeweils ein bedeu tendes Oratorium steht: „Paulus" und „Elias". Neben dem großartigen Streich quartett op. 80 gehört dieser Epoche auch die 1842 vollendete Sinfonie Nr. 3 a-Moll op. 56, die Schottische Sinfonie, an. Jene Schaffenszeit Mendelssohns war von inneren Krisen und Konflikten begleitet, die zu einer Vertiefung seiner Kunst führten. Die systematische Beschäftigung mit der Musik der Vorklassik löste eine strengere Handhabung der Polyphonie, eine herbere, kräftigere Tonsprache aus, die Steigerung der r_nromatik eine Bereicherung seiner harmonischen Mittel. Mendelssohns zwei Hauptsinfonien, die Schottische und die Italienische Sin fonie — von der unklaren Chronologie seiner Sinfonien sei hier nicht gespro chen — verdanken beide ihre Entstehung Natureindrücken. Der Komponist, den Wagner mit Recht einen „Landschaftsmaler" nannte, weilte im Jahre 1829 in Schottland, und unter dem Eindruck der Highlands und Fjorde, des Besuches der in einer schwermütig-herben Landschaft gelegenen zerfallenen Kapelle des Edinburgher Stuart-Palastes keimten die ersten Gedanken zu der Schottischen Sinfonie, die seine bedeutendste werden sollte und erst 13 Jahre später end gültige Gestalt gewann. Doch die düstere Erregtheit, die leidenschaftlichen Ausbrüche des Werkes sind nicht allein aus der schottischen Natur geflossen, sie spiegeln auch jene tiefen Konflikte wider, von denen schon die Rede war. Aus einer Situation der Enttäuschung und aufkommenden Resignation „heraus wuchs das Werk über eine programmatische Landschaftsschiiderung hinaus und wurde zur künstlerischen Selbstbefreiung des Meisters. Die Gegensätze prallen hart aufeinander, und mit fast Beethovenscher Titanik wird um die Lösungen ge rungen. Unterscheidet sich das Werk schon in der Formgestaltung von seinen Vorgängern, so weist es eine weitere Merkwürdigkeit auf: Mendelssohn gi;>t den Sätzen zwar die üblichen italienischen Tempobezeichnungen, bemerkt aber darüber hinaus, daß der Inhalt der einzelnen Sätze auf dem Programm ange geben werden könne wie folgt, wobei die inhaltlich bezogenen Begriffe von den Tempobezeichnungen abweichen: I. Einleitung — unruhig, aufgeregt, bewegt II. sehr lebhaft und lustig III. langsam, singend IV. schnell, kriegerisch, kämpferisch — sieghafter Schluß Mendelssohns problemreichstes Werk darf wohl zugleich als der Höhepunkt seines sinfonischen Schaffens gelten." (K.-H. Köhler). Die erfolgreiche Urauf führung der Sinfonie erfolgte unter der Leitung des Komponisten am 3. März 1842 im Leipziger Gewandhaus Die vier in der Sonatenform geschriebenen Sätze des Werkes gehen unmittelbar ineinander über, sie sind auch thematisch miteinander verbunden. Mit einer elegisch-melancholischen, gedämpften langsamen Einleitung (Andante con molo) beginnt der erste Satz. Die zwei Hauptgedanken des anschließenden Allegro con poco agitato — der erste hat eine volksliedhafte Gestalt — sind mit einander verwandt. Die thematische Arbeit wirkt wie aus einem Guß. Die Coda „schildert" mit weichen Vorhalten, liegenden Stimmen und einem unruhigen chromatischen Gewoge schottische Nebelstimmung. Der Schluß mündet stim mungsvoll wieder in das schöne Einleitungsthema. Nach dem lyrisch-balladesken Naturgemälde des ersten Satzes begegnet uns im Scherzo (Vivace non troppo) das musizierende schottische Volk. Es erklingt eine altschottische, burschikose, frische Dudelsackmelodie, die pentatonisch (d. h. in