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DRESDNER PHILHARMONIE Freitag, den 14. Januar 1972, 20 Uhr Sonnabend, den 15. Januar 1972, 20 Uhr Festsaal des Kulturpalastes 5. PHILHARMONISCHES KONZERT Dirigent: Kurt Masur Solist: Jacques Klein, Brasilien, Klavier Friedrich Schenker geb. 1942 Sinfonie Sehr langsam - Schnell - Etwas langsamer — Ener gisch - Noch langsamer - Ruhige Halbe Schnell und rigoros — Langsam - Ruhig fließend - Tempo I Uraufführung Robert Schumann 1810-1856 PAUSE Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54 Allegro affettuoso Intermezzo (Andantino grazioso) Allegro vivace Maurice Ravel 1875-1937 La Valse - Poeme choregraphique llllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllliiillllllllllllllliiiiilllllllllllllllllllilillllllliiiillillllllllliiiiiiiiiiiiillllllllllilllllllllllllllllllllllllllllllillliiiililllllllllililill JACQUES KLEIN wurde 1930 in Aracati (Brasilien) geboren und lebt heute in Rio je Janeiro. 1950 ging er in die USA und wurde Schüler von William Kapell. 1952 kam er nach Europa und wurde in Wien Schüler Bruno Seidlhofers. Seine internationale Karriere begann nach der Er ringung des 1. Preises beim Internationalen Wettbewerb in Genf im Jahre 1953. Zwei Jahre später ehrte man ihn als „besten jungen Pianisten des Jahres" mit der Verleihung der Har- riet-Cohen-Medaille. Mit großem Erfolg gastierte er seither u. a. in Argentinien, Brasilien, Italien, Großbritannien, Österreich, Norwegen, in der Schweiz, in den Niederlanden, in Däne mark, Frankreich und den USA. Er war Solist u. a. bei den Londoner und Westberliner Philhar monikern, bei der Schottischen Nationalphilharmonie, beim Concertgebouw Amsterdam. ZUR EINFÜHRUNG Friedrich Schenker, den Johannes Paul Thilman zu Recht ein „erupti ves lalent" unter den Nachwuchskomponisten unserer Republik genannt hat, wurde im Jahre 1942 in Zeulenroda geboren. An der Deutschen Hochschule für Musik „Hanns Eisler" Berlin studierte er die Fächer Posaune und Komposition (bei Günter Kochan). 1964 erhielt er ein Engagement als Soloposaunist am Rundfunksinfonieorchester Leipzig; gleichzeitig setzte er sein Kompositionsstu dium an der Leipziger Musikhochschule bei Fritz Geißler fort, das er 1967 mit dem Staatsexamen abschloß. An Kompositionen entstanden bisher u. a. ein Oboenkonzert, ein Fagottkonzert, das 1971 mit dem Weberpreis der Stadt Dres den ausgezeichnet wurde, Tripelkonzert für Oboe, Fagott, Klavier und Orchester, Kleine Sinfonie für Streicher, Kammersinfonie, Interludia für Sopran und sieben Instrumente, Kammerspiel 1 aus Christian Morgensterns „Galgenliedern", ein Streichquartett. Noch in der Planung befinden sich Konzerte für alle Streichin strumente sowie eine Oper. Friedrich Schenkers Sinfonie — in memoriam Martin Luther King, einer der Märtyrer der farbigen Bürgerrechtskämpfer in den USA — wurde in den Jahren 1969 und 1970 komponiert. Das großangelegte und einen reichen Orchesterap parat fordernde Werk umfaßt zwei Teile, die ihrerseits mehrere sinfoniesatzähn liche Gebilde zusammenfassen. Grundthema ist Martin Luthers Choral „Eine fe ste Burg", den Friedrich Engels die „Marseillaise des 16. Jahrhunderts" genannt hat, da er die Revolutionshymne der aufständischen Bauern während des deut schen Bauernkrieges war. Die Parallelität der Ereignisse, der Kampf der aufstän dischen Bauern damals und der Kampf gegen die Rassendiskriminierung heute in den USA, das Namenssymbol Martin Luther (einerseits als Schöpfer des Cho rals, andererseits als Teil des Namens Martin Luther King, des ermordeten ame rikanischen Negerpfarrers und Friedensnobelpreisträgers, der als Symbol für den Kampf der Neger in den USA um Gleichberechtigung steht) veranlaßten den Komponisten, diesen Choral zu wählen. Schenker benützt für seinen aussagekräftigen, vitalen sinfonischen Erstling der großen Form, der mehr als ein Versprechen für die Zukunft ist, vielfältige, jedoch zu einer Einheit geschweißte musikalische Formen bzw. Formelemente: Choral, Choralvariation, Tokkata-, Passacaglia-Elemente ebenso wie die für den klas sischen Zyklus typische Sonatenhauptsatz- bzw. Rondoform. Daneben begegnen in strenger und aufgelockerter Dodekaphonie gearbeitete Partien wie auch sol che, die den Einfluß des Jazz erkennen lassen. Beherzigen wir die Worte des Komponisten: „Die Aktualität einer Musik, die sich für den Kampf gegen Ras sendiskriminierung engagiert, ist angesichts der weltweiten Solidaritätsbewe gung für Angela Davis wohl offensichtlich. Möge dieser Funke auf den Hörer überspringen I" Im Jahre 1839 schrieb Robert Schumann seiner Braut Clara Wieck über die geplante Komposition eines Klavierkonzertes, das er ihr zugedacht hatte: „Es wird ein Mittelding zwischen Sinfonie, Konzert und großer Sonate; ich kann kein Konzert für Virtuosen schreiben und muß auf etwas anderes sinnen." Schon sehr viel früher hatte sich Schumann mit dem Plan eines Klavierkonzertes be schäftigt, bereits von dem 17jährigen existieren Notizen über den Entwurf eines Konzertes in E-Dur, dem während seiner Studienzeit in Heidelberg die Arbeit an einem anderen in F-Dur folgte; von beiden Entwürfen ist jedoch nichts mehr erhalten. Das Klavierkonzert a-Moll op. 54 entstammt den Jahren 1841 bis 1845. Nachdem der Komponist 1841 den ersten Satz des Konzertes als selbständige „Konzertphantasie für Klavier und Orchester" vollendet hatte, ent standen erst vier Jahre später die beiden anderen Sätze des Werkes. Die Urauf führung fand am 4. Dezember 1845 mit Clara Schumann als Solistin in Dresden statt, kurz danach wurde es auch im Leipziger Gewandhaus, hier unter der Lei-