Volltext Seite (XML)
i> DRESDNER O PHILHARMONIE Bericht Leipzig- Ein Concert, ko gar nicht nach dem Recept, wel ches gemeinhin für Aufstellung der Symphonieconcerte der Cbncertinstitute benutzt wird, dabei in der Ausführung seiner Hauptnummern von ausgesuchtester Güte, war das, welches am Abend des 30. Dec. im Neuen Stadttheater stattfand und mit •einem von Hrn. Director Staegemann und dessen excellentem Kapellmeister Hrn. Nikisch planvoll entworfenen modernen Programm speciell die dieswinterlichen Gewandhausconcerte mit ihrer hyperclassischen Physiognomie in wirklich erfri schendster Weise unterbrach. Seine Hauptnummer bildete die Komposition eines hochbegabten, hier vorher gänzlich unbe kannt gewesenen österreichischen Tonsetzers, die 7. Symphonie des Wiener Hoforganisten Anton Bruckner, die weiteren Haupt bestandteile waren Liszt's symphonische Dichtung „Les Prd- ludes* und zwei Fragmente aus Wagner’s „Götterdämmerung“: die Scene der drei Rheintöchter und Siegfried’«, sowie Brünn- hilde's Schlussscene. Dazwischen spielte Hr. Hofpianist Pohlig ans Sondershausen die Wanderer-Phantasie von Schubert-Liszt und Liszt’s „Don Juan“-Phantasie. Die Symphonie von Anton Bruckner hat uns im höchsten Grade interessirt, in ihrem 2. und 3. Satz, Adagio und Scherzo, uns sogar die wärmste Bewunde rung abgenöthigt Dieser Componist weiss wirklich etwas Eige nes nnd dabei Bedeutendes zu sagen, eine seltene Ursprünglich keit der musikalischen Ideen zeichnet sein Werk ans. Das Tiefste, Nachhaltigste gibt er im Adagio, einem ganz herrlichen Tonstück, das in der Erfindung der Hauptihemen wahrhaft Beethoven’sche Erhabenheit zeigt und den Hörer bis zum Ende des dasselbe beschliessenden weihevollen Trauerhymnus in Äthern erhält Nicht minder originell ist das Scherzo, einMuster leichtflüssiger Productionskraft und durchaus orchestral be dacht Im 1. und 4. Satz will es dem Hörer an einigen Stellen erscheinen, als würde der logische Faden der Entwickelung unterbrochen, als wäre die Verbindung der einzelnen Theile eine mehr äusserliche und stocke der symphonische Fluss. Inhalt lich sind aber auch diese beiden Sätze von grossem Interesse, ja von einem Reichthum der Gedanken, um welchen der Com ponist zu beneiden ist Erhöht wird die Eindrucksfähigkeit dieser Symphonie durch eine glänzende Instrumentation. Hr. Capellmeister Nikisch hatte die Novität bewundernswürdig ein- studirt, die Ausführung glückte ungemein nnd gereichte der Capelle zu höchstem Ruhme. Der anwesende Componist wurde nach dem 4. Satz seines, hochbedeutenden Werkes gerufen und musste zwei Lorbeerkränze, eine verdiente Auszeichnung, ent gegennehmen. Bericht über die Uraufführung von Bruckners 7. Sinfonie in Leipzig (Januar- Depesche 1885 des „Musikalischen Wochenblattes“)