keitskomplex - ein Begriff, der erst später erfun den wurde - hinderte ihn, sich jemals in Wien wahrhaft einzugewöhnen oder gar wohl zu fühlen. Aber es fehlte nicht an Anerkennung, denn dem ein wenig linkischen, scheuen Mann wurde mit der Zeit angeboten, höhere Posten einzunehmen: Orgel- und Kontrapunktprofessor, Hofkapellorganist, Kompositionslehrer. Richard Wagner wurde zum Leitstern seines Schaffens. Im wagnerfeindlichen Wien bedeutete dies einen schweren Stand. Boshafte Angriffe blieben nicht aus. Hinzu kam die natürliche Feindschaft der Brahms-Hanslick-Gruppe. Was Hanslick Bruckner vorzuwerfen hatte, war musi kalisch fundiert: „Wagnersche Orchestereffekte, wie das Tremolo der geteilten Violinen in höch ster Lage, Harfen-Arpeggien über dumpfen Posaunenakkorden, dazu noch die neueste Er rungenschaft der Siegfried-Tuben“. Hanslick fühlte sich dem Wiener Klassizismus und der Romantik verbunden, damit eher zu Brahms hin gezogen und lehnte Wagners und in dessen Gefolge schließlich auch Bruckners Schaffen ab, allerdings erst, nachdem Bruckner sich durch sei ne 3. Sinfonie nachhaltig zu einer tiefen Vereh rung Wagners bekannt hatte. Kurt Pahlen for mulierte das so: „Bruckner hatte diese Mittel gewählt, um sich ausdrücken zu können, um die Überfülle der Bilder, die in seiner Seele lebten, in Musik zu verwandeln. So gerieten ihm seine Werke romantischer als etwa die seines Zeit genossen Brahms, und vielleicht weniger form streng. Hanslick meinte auch, in Bruckners Sinfonien bestünde ein .unvermitteltes Neben einander von trockener kontrapunktischer Schul weisheit und maßloser Exaltation'. Die .maßlose Exaltation' ist vorhanden, wenn auch vielleicht nicht in dem von Hanslick gemeinten negativen Sinne; es ist die Exaltation eines Gottgläubigen, eines Mystikers, eines Menschen mit überreichem Innenleben, der sich nie im Alltag, sondern im mer nur in seinen Werken auszusprechen ver-