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Vermutlich hatte Wolf gang kein so vorder gründiges Interesse am eigenen Violinspiel. Denn so, wie es ihm bei Hofe eine Last gewesen ist, schien er auch wenig Trieb zum Geigen und vielleicht auch kein rechtes Selbstvertrauen in seine Leistungen ge habt zu haben. „Du weist selbst nicht, wie gut du Violin spielst“ - versuch te Leopold seinen Sohn, der gerade in Augsburg weilte, aufzumuntern (18. Oktober 1777) - „wenn du nur dir Ehre geben und mit Figur, Herzhaftigkeit, und Geist spielen willst, ja, so, als wärest du der erste Violinspieler in Europa." Wolfgang aber hatte längst selbst festgestellt, daß er so spielen konnte, „als wenn ich der größte Geiger in ganz Europa wäre... da schauete alles gras drein". berühmten Maestro Giuseppe Tartini (1692 - 1770). Doch hat er sicherlich dessen Konzerte studiert, einige wenigstens. Das allein war er schon dem Vater schuldig, der diesem Italiener einen großen Raum in seiner Violinschule einge räumt hatte. Und der Vater war es auch, der im mer und immer wieder den Sohn antrieb, sich mehr der Violine zu widmen. Aber schon früh zeitig erschien es dem jungen Komponisten viel wichtiger zu sein, nicht nur auf der Geige zu spielen, sondern etwas für das Instrument zu tun, was das „moderne“ Spiel beflügeln könnte. Er wollte so komponieren, daß es jedem Spieler ei ne Freude wäre, solche Stücke aufzuführen. Und er tat’s alsbald, schrieb Violinsonaten und seine ersten Quartette. 1773/74, bezeichnenderweise kurz nach seiner letzten Italienreise, schuf er dann seine ersten größeren Konzertkompo sitionen, ein Concertone für zwei Soloviolinen und Orchester (KV 190) und - wie neuere For schungen zeigen - das erste seiner fünf Violin konzerte (B-Dur KV 207). Hier setzte er sich vor allem mit dem in Italien geformten, noch ganz und gar barocken Konzertmodel] auseinander, dem ausgeprägten Dialog zwischen Solo und Tutti und einem motivisch abwechlungsreichen Spiel zwischen den Partnern. Er versuchte, ältere und neuere Formen zu verbinden. Kurz vorher war ein Klavierkonzert (KV 175) entstanden und kurz danach ein Fagottkonzert (KV 191), ein si cheres Zeichen dafür, daß Mozart damit begann, sich mit der Konzertgattung ernsthaft zu befas sen. Erstaunlich aber ist es, daß der frühreife Mozart sich nicht schon viel früher der Konzert form zugewandt hatte, denn als Geiger hätte er vermutlich auf seinen Reisen trefflich seine kom positorischen und virtuosen Fähigkeiten demon strieren können. Das aber hatte wohl Gründe: Zum einen war das Konzert kompositionstech nisch, mit der schwierigen Balance zwischen Solo und Orchester, eine viel heiklere Gattung als die aus standardisierten Formeln zusammengesetzte