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Der hier beginnende Beitrag ist entnommen: Alfred Einstein, „Mozart - Sein Charakter - Sein Werk" Die Mozartforschung geht heute davon aus, daß der in der Überlie ferung als „grauer Bote" bezeichnete Überbringer des Auf trags nicht Franz Anton Leutgeb, Sohn des mit Mozart über eine lange Zeitspanne befreundeten Waldhor nisten, gewesen sein kann, da die Mozarts ihn bestens kannten. Franz Graf Walsegg- Stuppach, Mozarts Auftraggeber für das Requiem; Silhouette von Francois Gonord (1786) Über kein Werk Mozarts ist mehr Tinte vergossen und keines ist unrichtiger beurteilt worden - zu meist von Leuten, die kein anderes der Kirchen werke Mozarts kannten, nicht die c-Moll-Messe, nicht die Litaneien, keine der C-Dur-Messen von 1776. Und in der Tat, es ist schwer, ganz nüch tern zu bleiben und die einfachen Tatsachen sprechen zu lassen. Die Messe ist bestellte Arbeit, aber Mozart kann te angeblich den Besteller nicht. Es war ein Graf Franz Walsegg zu Stuppach, ein Musikdilettant, der sich gern mit fremden Federn schmückte und in seinem Schloß und seiner Schloßkapelle frem de Kompositionen aufführte, die er als eigenes Machwerk ausgab. Er hatte vor Jahren seine Frau verloren und dachte an ein Requiem für sie. Im Juli 1791 schickte er seinen Verwalter Leutgeb zu Mozart mit dem Antrag, ein solches zu schreiben. Mozart begann und skizzierte gegen 40 Seiten der Partitur; dann mußte er die Arbeit liegenlas sen zugunsten der „Clemenza di Tito“ und der „Zauberflöte“ Mehr als das Requiem und Kyrie konnte er nicht vollenden, sieben Stücke des „Dies irae“ bis zum Hostias nur skizzieren: das heißt Singstimmen, Baß und Andeutungen der Orchestrierung in die Partitur eintragen. In sol cher Gestalt waren auch das „Domine Jesu Chri- ste“ und das Hostias vorhanden; die drei letzten Sätze fehlten ganz. „Die Witwe, in der Bedräng nis, daß der Besteller, wenn ihm nicht das voll endete Manuskript eingehändigt würde, nicht nur das rückständige Honorar nicht zahlen, sondern sogar Erstattung des gezahlten verlangen dürfte, wendete sich zunächst an Joseph Eybler und an dere Musiker, endlich an Süßmayr, es zu vollen den ... Süßmayr fand sich bereit dazu, kopierte zunächst alles, was Mozart nur angelegt hatte, und trug dann in diese seine Kopie die fehlende Instrumentation so ein, wie es ihm der Absicht Mozarts am meisten zu entsprechen schien. Seiner bestimmten Angabe zufolge hat Süßmayr dann den Schluß des Lacrimosa, das Sanctus,