ZUR EINFÜHRUNG Musik Die „Promenaden“ zwischen einigen Bildern deuten auf den Betrachter, sein Schreiten von Bild zu Bild, seine emotionale Berührung, aufgefangen in einer russisch archaisch wirkenden Melodik. Zehn Bilder sind zu erleben. Ein hinkender „Gnom“ ist als dämonisch groteske Gestalt zu erkennen. Aus einem alten Schloß erklingt eine Spielmannsballade. In den Pariser Tuileriengärten lärmen und schreien spielende Kinder; helle, ja grelle Holzbläser, zunächst tänzerisch-kapriziös, später turbulent. „Bydlo“, ein hochrädiger polnischer Karren, zieht schwerfällig-rumpelnd vorbei. Man hört die Küchlein in ihren Eierschalen tanzen, ein Scherzando im eilenden Zweivierteltakt. Zwei Juden, ein armer belästigt bettelnd einen reichen, heben zu einem makabren Dialog an. Auf dem Marktplatz von Limoges streiten sich keifende Weiber. Abrupt schlägt die Szene um. Harte Bläserklänge führen ins geheimnisvolle Dunkel römischer Katakomben. Ein wildes Orchestertutti vollführt einen tollen Hexenritt der Baba Jaga, der erst vor dem großen Tor von Kiew endet, tonmalerisch ausgedeutet in einem pathetisch-feierlichen Blechbläser aufzug und einem Holzbläserchoral mit Steigerung des vollen Orchesters und viel Geläut zu einem triumphalen Wiedererscheinen der „Promenaden“-Melodie. „Ballet der Küchlein in ihren Eierschalen" (links) „Das große Tor von Kiew" (rechts) (Pop-Version) reichen. Die bislang geglückteste Orchestrierung ge lang jedoch 1922. Einer der fein sinnigsten Instrumentationskünstler, Maurice Ravel (1875-1937), legte - im Auftrag von Serge Koussevitzky - eine Partitur vor, die all das in herrliche orchestrale Farben einhüllte, was der bloße Klavierklang nur anzudeuten ver mochte. Dennoch verstand es Ravel - und das ist der Sensibilität des großen Franzosen zu danken - die Kantigkeit und urtümliche Wucht des Klavier-Originals zu wahren. Ravel hielt sich an die originale Bilderfolge und griff nur in ganz wenigen Stellen in Mussorgskis Konzeption ein, so im Fall der Fortlassung einer der „Promena den". Seit der Uraufführung am 3. Mai 1923 mit dem Bostoner Sinfonieorchester unter Kousse- vitzkys Leitung ging das Werk in dieser Fassung fortan um die Welt, und wird auch heute meist so auf geführt. GUK.