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komponierende Musikdilettanten hatten sich Ende der Fünziger/ Anfang der Sechziger um Mili Balakirew (1837-1910), einen Glinka-Verehrer, zusammengefun den. Sie wollten bewußt aus der russischen Volksmusik schöpfen und Glinkas Anfänge in kosequen- ter Weise weiterführen. Sie nann ten sich „Novatoren", später spöt tisch als das „Mächtige Häuflein" bezeichnet. Zur Gruppe um Bala kirew gehörten Cesar Cui (1835 bis 1918), Nikolai Rimski-Korsa- kow (1844-1908), Alexander Borodin (1833-1887). Zu diesen Neuerern stieß sehr bald ein junger Mann, ein Beamter des zaristischen Staates, der sehr gut Klavier spielte. Das war Modest Mussorgski. Er kam aus einer wohl habenden Gutsbesitzerfamilie, die 1 849 nach St. Petersburg übersie delte, war Klavierspieler aus Lei denschaft. Wie es sich für einen Sohn aus solchem Hause gehörte, mußte er aber eine standesge mäße • Offizierslaufbahn einschla gen. Am Sitz des Zaren, dem ein zigen Ort im damaligen Rußland, der eine größere musikalische Aus strahlung hatte, begegnete er in dieser Zeit Balakirew. Das war für den Musikbegeisterten eine Art Initialzündung, sich in einer ihm möglich erscheinenden Form der Musik zu verschreiben. Doch das Leben hatte andere Pläne mit ihm. 1858 schied er zwar, um sich ganz der Musik widmen zu kön nen, aus dem aktiven Dienst aus. Doch wegen der Auflösung der Leibeigenschaft (1861) durch Zar Alexander II. versiegten die benötigten Einkünfte aus dem elter lichen Gut. Mussorgski mußte seinen Lebensunterhalt selbst ver dienen. Er fand 1 863 eine unter geordnete Anstellung als Beamter, die ihm nebenher genügend Zeit für seine musikalischen Ambitionen ließ. Unter Anleitung Balakirews entstanden erste Kompositionen, die aber noch keineswegs befriedi gen konnten. Als erstes größeres Werk vollendete er dann 1 867 die „Nacht auf dem kahlen Berge", ein Orchesterstück - später von Rimski- Korsakow neu instrumentiert ein Stück voller Abgründe in Klang und Harmonik, in einer absolut naiven Frische, ungekünstelt, doch kunstvoll, ungelenk wirkend auf Akademiker, doch lebensvoll, vol ler Glut und Kraft. Das war bereits ein Meisterwerk, wie es erst künfti ge Generationen würdigen konn ten. Seine Lieder aber aus dieser Zeit, meist humoristisch-satirische Darstellungen, in denen die besun genen Charaktere mit kurzen, knappen Zügen gezeichnet wer den, ließen schon damals auf horchen und gelten heute als großartige Kompositionen, als Meisterwerke. Der Zyklus „Die Kin derstube" (1868-72) ist ein Beleg für einen musikalischen Realismus, wie es ihn vorher nicht gab, schon gar nicht in seinem Lande. Mus- sorgskis Künstlertum orientierte sich vornehmlich an der Sprache, am Sprachduktus und Sprechrhythmus und an der Musik des Volkes. •geb. 21.3.1839 'n Kare wo bei Pskow, gest. 28.3.1881 in St. Petersburg • 1856-58 Offizier in einem Peters burger Garde regiment, musikalische Privatstudien bei Balakirew • 1863-79 Beamter • Mitglied des „Mächtigen Häufleins" (Borodin, Balakirew, Cui, Rimski- Korsakow) • 1874 Oper „Boris Godunow" • ruinierte seine Gesundheit durch Trunksucht, starb am Schlaganfall