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zeigt die Italienische Sinfonie keine Ausein andersetzung mit dem Werk Beethovens. Carl Dahlhaus schrieb: „Das Urteil, daß die Schotti sche' und die ,Italienische Symphonie' die Men- delssohnschen Werke seien, die der Geschichte der Gattung angehören, einer Geschichte im emphatischen Sinne, in der die Substanz ver gangener Wirklichkeit vom bloßen Schutt der Überlieferung getrennt erscheint, dürfte denn auch feststehen. Und es war der Verzicht auf eine Auseinandersetzung mit Beethoven, durch den die Schottische' und die .Italienische' zu den geglückten Werken wurden, als die sie sich im Repertoire behaupten. Als Komponist in der geschichtlichen Situation nach Beethoven zu be stehen, bedeutete für Mendelssohn, überhaupt nicht in den Schatten zu treten, den Beethoven warf." Der erste Satz (Allegro vivace) ist ein vollständig ausgebildeter Sonatensatz: nach Anfangsakzent und wenigen stakkatierten Holzbläserakkorden tritt das schwungvolle Hauptthema ein, das wie Piano-Gäbler Flügel-Pianos-Cembali Vertretungen: STEINWAY & SONS AUGUST FÖRSTER BOSTON J. C. NEUPERT 8051 Dresden, Langenauer Weg 3 8053 Dresden, Justinienstraße 10 Telefon 251 79 04 Besuche und Besichtigungen nach Vereinbarung jederzeit möglich derholt und mehrfach abgewandelt wird. Schon diese Hauptthemen-Exposition ist durchsetzt mit zahlreichen durchführungsartigen Elementen: mit motivischen Variationen und neuen Fortspinnun gen, mit thematischer Zerlegungsarbeit und Mo tivspaltung. Erst nach geraumer Zeit tritt das Sei tenthema in terzenhaltigem Holzbläsersatz ein - es bleibt knapp und eher episodisch, wird fast verdrängt durch eine breite Rückleitung zur Ex positionswiederholung, die ebenfalls das Haupt thema weiterspinnt. Hatte sich die Exposition eher motivischer Fortspinnungsarbeit befleißigt, so weicht die etwa gleich lange Durchführung in zwei wichtigen Elementen vom Schema ab - zum einen führt Mendelssohn ein neues, drittes Thema ein, zum anderen gründet die Durch führungsarbeit hier fast ausschließlich auf kontra- punktischer Themenkombination - bis hin zum Fugato mit zwei Themen, dessen Entwicklung vom durchbrochenen Streichersatz bis zum Tutti- Ausbruch in einem einzigen großen Crescendo sich vollzieht. Die Reprise ist, wie fast stets bei Mendelssohn, verkürzt; Haupt- und Nebenthe ma folgen dicht aufeinander. Die ausführliche, mehr als 100 Takte umfassende Coda hat, wie so oft, die Funktion einer zweiten Durchführung, die erneut das kontrapunktische Element domi nierend ins Spiel bringt. Der zweite Satz, in der quintverwandten Tonart d-Moll, wird in der Literatur vielfach als vokal inspiriert bezeichnet: man vergleicht seine The matik mit dem Pilgerchor aus Wagners „Tann häuser" oder aus Berlioz' zur gleichen Zeit ent standenen Sinfonie „Harold in Italien". Der Mendelssohn-Forscher Eric Werner hat auf eine melodische Parallele zu Zelters Lied vom „König in Thule" hingewiesen; da Mendelssohn in Ita lien vom überraschenden Tod seines Lehrers er fuhr, ist eine derartige Hommage an den alten Lehrer und Freund durchaus naheliegend. Nach zweitaktiger „Devise" beginnt der Satz, formal ein Sonatensatz ohne Durchführung, zweistim mig mit dem Hauptthema in Oboen, Fagotten und Violinen, in Achteln kontrapunktiert von Celli und Bässen. Diese durchlaufende Achtelbewe gung prägt den ganzen Satz und ist bis auf we nige Momente nicht unterbrochen. Uber mehre re variierende Zwischensätze hindurch wird - in der Dur-Tonart der Tonika - das Seitenthema er-