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aus der Seele oder geben sich derb vordergründig. Den Tondich ter und Musikdramatiker mißbillig te man bereits nach seinen ersten Erfolgen als neutönerischen Bürger schreck, doch der Liedkomponist fand auf Anhieb den Weg ins Re pertoire und behielt ihn. Um die Jahrhundertwende war der Lieder abend zur festen Einrichtung ge worden. „Strauss schrieb Lieder für den Konzertsaal, Vortragsstücke mit tonmalerischem Klaviersatz, Ef fekt- und Zugabenummern seitab von jener Intimität, wie sie seit Schumann das Lied zum Extrem musikalischer Lyrik und Versunken heit gestempelt hatte. Gesänge voll Glanz, Elan und einiger Theatralik, Zeugnisse von Saft und Kraft des Jugendstils fielen den Hörer an, statt mit scheuer Verhaltenheit von den Seelennöten ihres Urhebers zu sprechen. Selbstbekenntnis und Selbstzerfleischung sucht man bei Strauss vergebens. Das Lied erhebt sich als wirkungsvoll angelegtes Gesangsstück in knapper Form und vitaler Melodik, kennt im üppigen Klaviersatz harmonische und kon- trapunktische Wagnisse, bewegt sich zwischen Empfindung, Pathos und Humor, kommt den Sängern entgegen und zeichnet sich oben drein durch deklamatorische Fines se aus" (Karl Schumann). Nach 1933 - Strauss hatte drei Lieder nach Texten von Goethe und Weinheber komponiert (op. 88) - verstummte seine Liedermuse für fünfzehn lange Jahre. Erst im September 1948, ein Jahr vor sei ¬ nem Tode, vollendete er die zu un terschiedlichen Zeiten entstandenen Vier letzten Lieder. Dieser Zyklus sollte sein „Schwanengesang" wer den, ein Nachklang, eine Erinne rung. „Klingende Symbole der Al tersvollendung" nannte ihn der Strauss-Biograph Ernst Krause. „Der vierundachtzigjährige Strauss komponierte sich hier, in der Ver bindung der Sopranstimme mit dem Orchesterklang als Erinnerung an das gemeinsame Musizieren mit seiner Frau, seine eigene Le bensapotheose. Er durchlebte in diesen Liedern noch einmal das ge meinsame Leben: ,Frühling', .Sep tember' und .Beim Schlafengehen' (jeweils nach Texten von Hermann Hesse) sowie ,1m Abendrot' (nach Joseph von Eichendorff). Trotz der verhalten-jubelnden Stimmung des ersten Liedes ist der Zyklus von ei nem wehmütigen, spätherbstlichen Reif überdunkelt. Noch immer hell wachen Sinns, nahm Strauss mit feinstem Gespür die Regungen der Lyrik auf. Zart verknüpfen sich die drei Hesse-Lieder untereinander, wenn stets in den Schlußtakten der weich federnde Hornklang soli- stisch hervortritt: das Horn, das In strument des Vaters, sein eigenes Lieblingsinstrument, mit dem er einst den stürmischen .Don Juan' ins Leben schickte und mit dem er in der Mondscheinmusik des .Capriccio' seiner Opernbühne Lebewohl sagte. Mit einer erlese nen Modulationsphrase überträgt Strauss das Schließen der .müdge- word'nen Augen' im .September' Aufführungsdauer: ca. 20 Minuten Biographisches: •geb. 1.6.1864 in München, gest. 8.9.1949 in Garmisch • private Musikaus bildung (u.a. Fr. W. Meyer) • 1885 Kapellmeister in Meiningen, dann in München und Weimar • 1888 „Don Juan" • 1889/90 „Tod und Verklärung" • 1895 „Till Eulenspiegel" •1898 Hofkapell ¬ meister an der Lindenoper Berlin • 1905 „Salome" • 1908GMD in Berlin • 1910/11 „Der Rosenkavalier" •1919 Leitung der Wiener Staatsoper (gemeinsam mit Fr. Schalk) • 1933/35 Präsident der Reichsmusik kammer, dann frei schaffend • 1935 „Die schweig same Frau" •1942 „Capriccio"