DRESDNER PHILHARMONIE als eine ständige Aufforderung anzusehen und etwas zu schaffen, was vor ihm noch niemand geschaffen hatte. Aber das war gar nicht so ein fach in der Kirchenmusik, speziell bei den litur gisch festgefügten Formen. Immer wieder hat ten Komponisten - schon lange vor Schubert - Probleme mit den Hütern einer christlichen Ordnung bekommen, wenn ihre musikalische ( Ausdrucksweise nicht die geforderte Erha benheit berücksichtigte, dafür aber vergleichbar wurde mit der weltlichen Musik. Schon seit der Zeit, da der sogenannte „Palestrina-Stil“ zum offiziell anerkannten Vorbild der Kirchenmusik erhoben wurde, hat es immer wieder Kompo nisten gegeben, die bei den Meßkompositionen I einen eigenen Weg zu gehen versuchten, ihre persönliche Schreibart über den „strengen Kirchenstyl“ erhoben. Selbst einem Mozart, der | wie kaum jemand das feinste Gefühl für die Grenzen der Gattungen und die Tradition in nerhalb jener Grenzen hatte, wurde gelegentlich | unterstellt, er sei „geputzt aufgezogen“, habe „tanzweis“ und für die Oper geschrieben, eben nicht für die Kirche. Beethoven gar, der Selbst bewußte, stellte nicht mehr vordergründig die Frage nach der kirchlichen Bedeutung und Nutzbarmachung seiner „Missa solemnis“. Die erste Meßvertonung - seine Messe C-Dur - hielt sich noch an den liturgischen Rahmen, obwohl sich der Auftraggeber, Fürst Esterhazy, nicht I enthalten konnte festzustellen: „Aber lieber Beethoven, was haben Sie denn da wieder ge macht“. Die „Solemnis“ aber sprengte alles Maß. j Dieses Werk erscheint ins Gewaltige, Überdi mensionale gesteigert und ruft für eine Auf- | führung eher nach dem Konzertsaal als dem I kirchlichen Raum. Beethoven verlangte von sei nem Werk nicht mehr, als daß es so verstanden werde, wie er selbst es gemeint hat. Es kam ihm I „von Herzen“ - so steht es auf dem Manuskript - und sollte „wieder zum Herzen gehen“. Schubert war zwar nicht so unbefangen, ver- Giovanni Palestrina (um 1525 - 1594) hatte modellartige Messen in homophoner Mehr stimmigkeit geschaffen, die gegenüber der gängigen, kunstvoll polyphonen Praxis dem religiösen Anliegen besser entsprachen und eine absolute Verständ lichkeit des Textes garantierten. Das gegenreformatori sche Konzil von Trient (1545 - 63) beschäftigte ernstlich die Frage nach einer Erneuerung der Kirchenmusik und einer möglichen Absetzung der gesamten Mehr stimmigkeit. Nach streitbaren Auseinandersetzungen wurde der würdevolle, die Worte genau berücksichtigende „Palestrina-Stil" zum offiziell anerkannten Vorbild für die gesamte Kirchenmusik erhoben.