An ton Bruckner Bei vielen schöpferisch tätigen Künstlern spiegeln sich die jeweiligen Lebensumstände im Werk, stehen Leben und Werk in deutli cher Abhängigkeit zueinander und bedingen sich womöglich. Das scheint auf Anton Bruckner nicht restlos zuzutreffen. Oder vielleicht fällt es uns auch nur schwer, dem etwas linkischen, scheuen Mann, der an sei nen Minderwertigkeitsgefühlen selbst arg litt, ein Werk von einer derartigen Größe, wie er es uns hinterlassen hat, zuzutrauen. Wir sollten wissen, daß wir einem Menschen mit einem überreichen Innenleben gegenüber stehen, der sich immer nur in seinen Werken auszusprechen verstand und dessen biogra phische Daten wir zwar zur Kenntnis neh men, ihnen aber ein weniger großes Gewicht beizumessen gewillt sind. Dies alles ist so anders als bei Beethoven oder bei Bruckners Zeitgenossen Brahms. Beide haben sich auch nicht gern ins Private blicken lassen, doch wir sind sicher, in ihren Werken auch ihre Persönlichkeiten hindurchschimmern zu se hen, sowohl den kämpferisch-ringenden Beethoven als auch den ernsthaften, herb strengen Brahms. Bei Bruckner hören wir das Erhabene, das Große und Großartige, das, was ihm den Ruf einbrachte, ein Musikant Gottes zu sein. Wir hören nichts heraus vom irdischen Jammertal eines völlig verunsicher ten Menschen. So erscheint uns Bruckner als die seltsamste und widersprüchlichste Künst ler-Persönlichkeit des 19. Jahrhunderts. Ernst Decsey, ein Wiener Musikschriftsteller, hat ihm recht romantisch wirkende Worte gewidmet: „Bruckner ist das Lied vom hohen Berge, in ihm spiegelt sich die Sonnenauf gangspracht, der Schauer der Weiten und Tiefen und die abendliche Verklärung, über geb. 4.9.1824 in Ansfelden (Oberösterreich); gest. 11.10.1896 in Wien 1840 Ausbildung zum Schullehrer, Schulgehilfe in Windhaag und Kronstorf 1845 Hilfslehrer in St. Florian 1850 Stiftsorganist 1855 Domorganist in Linz bis 1861 Studien bei Simon Sechter (musikalischer Satz) 1865 Besuch einer „Tristan“-Aufführung in München 1868 Wien, Professur am Konservatorium 1875 Berufung an die Wiener Universität 1891 Ehrendoktor