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I. Teil Einleitung: Die Vorstellung des Chaos. Rezitativ (Raphael): Im Anfänge schuf Gott Himmel und Erde; und die Erde war ohne Form und leer; und Finsternis war auf der Fläche der Tiefe. (Chor): Und der Geist Gottes schwebte auf der Fläche der Wasser; und Gott sprach: Es werde Eicht, und es ward Licht. Rezitativ (Uriel): Und Gott sah das Licht, daß es gut war; und Gott schied das Licht von der Finsternis. Arie mit Chor (Uriel): Nun schwanden vor dem heiligen Strahle des schwarzen Dun kels gräuliche Schatten, der erste Tag entstand. Verwirrung weicht und Ordnung keimt empor, erstarrt entflieht der Höllengei ster Schar in des Abgrunds Tiefen hinab zur ewigen Nacht. (Chor): Verzweiflung. Wut und Schrecken begleiten ihren Sturz; und eine neue Welt entspringt auf Gottes Wort. Rezitativ (Raphael): Und Gott machte das Firmament, und teilte die Wasser, die unter dem Firmament waren, von den Gewässern, die ober dem Firmament waren; und es ward so. Da tobten brausend heftige Stürme, wie Spreu vor dem Winde, so flogen die Wolken; die Luft durchschnitten feurige Blitze, und schrecklich rollten die Don ner umher. Der Flut entstieg auf sein Geheiß der all erquickende Regen, der all verheerende Schauer, der leichte, flockige Schnee. Chor mit Sopransolo (Gabriel): Mit Staunen sieht das Wunderwerk der Himmelsbür ger frohe Schar, und laut ertönt aus ihren Kehlen des Schöpfers Lob, das Lob des zweiten Tags. Rezitativ (Raphael): Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel zusammen an einem Platz, und es erscheine das trockne Land; und es ward so. Und Gott nannte das trockne Land: Erde, und die Sammlung der Wasser nannte er: Meer; und Gott sah. daß cs gut war. Arie (Raphael): Rollend in schäumenden Wellen bewegt sich ungestüm das Meer; Hügel und Felsen erscheinen, der Berge Gipfel steigt empor. Die Fläche, weit gedehnt, durchläuft der breite Strom in mancher Krümme; leise rauschend glei tet fort im stillen Tal der helle Bach. Rezitativ (Gabriel): Und Gott sprach: Es bringe die Erde Gras hervor, Kräuter, die Samen geben, und Obstbäume, die Früchte bringen ihrer Art gemäß, die ihren Samen in sich selbst haben auf der Erde; und cs ward so. Arie (Gabriel): Nun beut die Flur das frische Grün dem Auge zur Ergötzung dar. den anmutsvollen Blick erhöht der Blumen sanfter Schmuck. Hier duften Kräuter Balsam aus; hier sproßt den Wunden Heil. Die Zweige krümmt der goldnen Früchte Last; hier wölbt der Hain zum kühlen Schirme sich; den steilen Berg bekrönt ein dichter Wald. Rezitativ (Uriel): Und die himmlischen Heerscharen verkündigten den dritten Tag, Gott preisend und sprechend. Chor: Stimmt an die Saiten, ergreift die Leier, laßt cucrn Lobgesang erschallen! Frohlocket dem Herrn, dem mächtigen Gott, denn er hat Himmel und Erde bekleidet in herrlicher Pracht. Rezitativ (Uriel): Und Gott sprach: Es sei’n Lichter an der Feste des Himmels, um den Tag von der Nacht zu scheiden, und Licht auf der Erde zu geben; und cs scin’n diese für Zeichen und für Zeiten, und für Tage und für Jahre. Er machte die Sterne gleichfalls. In vollem Glanze steiget jetzt die Sonne strahlend auf; ein wonnevoller Bräu tigam; ein Riese, stolz und froh, zu rennen seine Bahn. Mit leisem Gang und sanftem Schimmer schleicht der Mond die stille Nacht hindurch. Den ausgedehnten Himmelsraum ziert ohne Zahl der hellen Sterne Gold. Und die Söhne Gottes verkündigten den vierten Tag mit himmlischem Gesang, seine Macht ausrufend also: Chor mit Soli (Chor): Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und seiner Hände Werk zeigt an das Firmament. (Gabriel, Uriel, Raphael): Dem kommenden Tage sagt cs der Tag, die Nacht, die ver schwand. der folgenden Nacht. In alle Welt ergeht das Wort, jedem Ohre klingend, keiner Zunge fremd. II. Teil Rezitativ (Gabriel): Und Gott sprach: Es bringe das Wasser in der Fülle hervor lebende Geschöpfe, die Leben haben, und Vögel, die über der Erde fliegen mögen in dem offenen Firmamentc des Himmels. Arie (Gabriel): Auf starkem Fittiche schwingt sich der Adler stolz und teilet die Luft im schnellsten I luge zur Sonne hin. Den Morgen grüßt der Lerche frohes Lied, und Liebe girrt das zarte Tauben paar. Aus jedem Busch und Hain erschallt der Nachtigallen süße Kehle. Noch drückte Gram nicht ihre Brust, noch war zur Klage nicht gestimmt ihr reizender Gesang. Rezitativ (Raphael): Und Gott schuf große Walfische und ein jedes lebende Geschöpf, das sich beweget, und Gott segnete sie, sprechend: Seid fruchtbar alle: mehret euch! Bewohner der Luft, vermehret euch. und singt auf jedem Aste. Mehret euch, ihr Flutenbewohner, und füllet jede Tiefe! Seid fruchtbar, wachset, mehret euch, erfreuet euch in eurem Gott! Und die Engel rührten ihre unsterblichen Harfen und sangen die Wunder des fünften Tags. T erzett: (Gabriel): In holder Anmut stehn, mit jungem Grün geschmückt, die wogigten Hügel da. Aus ihren Adern quillt, in fließendem Kristall, der kühlende Bach hervor. (Uriel): In frohen Kreisen schwebt, sich wiegend in der Luft, der munteren Vögel Schar. Den bunten Federglanz erhöht im Wechsclflug das goldene Sonnenlicht. (Raphael): Das helle Naß durchblitzt der Fisch, und windet sich in stetem Gewühl umher. Vom tiefsten Meeresgrund wälzet sich Leviathan auf schäumender Well’ empor.