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Referate und kleinere Mitteilungen. Umschau im In- und Ausland. Deutschland. Es ist bekannt, daß bei uns Kohlenbergbau wie Eisenindustrie und alle übrigen Kohlenverbraucher unter dem Mangel an Wagen zum Transport von Kohle und Koks stark zu leiden haben. Zu diesem Uebelstande, der sich leider zu einer fast ständigen Einrichtung ausgebildet hat, tritt nun neuer dings ein weiterer dadurch, daß sowohl in den Be zirken der preußischen Staatsbahnen wie auch in denen der Reichseisenbahuen sich ein ausgesprochener Mangel an langen offenen Wagen, die vornehmlich zum Verladen von Schienen und Trägern erforderlich sind, eingestellt hat, und daß diese Erscheinung in den letzten Monaten einen Um fang angenommen hat, der ganz unerträglich ist und für die Eisenindustrie die bedenklichsten Folgen haben muß. Die „Köln. Zeitung“ schreibt hierzu : „In Lothringen-Luxemburg, an der Saar, in Rhein land und Westfalen, überall zeigt sich dieselbe trost lose Erscheinung, Ausfallziffern in einer geradezu er schreckenden Höhe. Daß einzelnen Werken in einem Zeiträume von mehreren Wochen mehr als 60 0/o des Bedarfes nicht gestellt wurden, ist nichts Seltenes; stellenweise sind an einzelnen Tagen gar 85% der erforderlichen Wagen ausgeblieben. Trotz der ebenso sachlich wie nachdrücklich erhobenen Beschwerden bei den Eisenbahnbehörden ist bis jetzt ein nennens werter Erfolg nicht zu verzeichnen. Schon im August vorigen Jahres stellte der Minister der öffentlichen Arbeiten auf eine Eingabe fest, »daß die in den letzten Monaten durch den Verkehrsaufschwung in unerwarteter Höhe gestiegenen Anforderungen an langen offenen Wagen, namentlich SS-Wagen, nur unzureichend befriedigt werden konnten«, und heute nach fast Jahresfrist hat sich nichts gebessert, son dern die Lage ist noch schlimmer geworden. Wenn auch seitens der Eisenbahnverwaltung immer wieder versichert wird, daß ihrerseits alles geschehe und nichts versäumt werde, um den hohen Wagenbedarf zu befriedigen, so ist trotzdem leider die Schwierig keit des Wagenmangels in keiner Weise bisher prak tisch erleichtert worden. Auf den ohnehin be schränkten Lagerplätzen der einzelnen Werke lagern Tausende von Tonnen Material, die nur auf Gestel lung der zur Verladung erforderlichen Wagen harren. Es entstehen dadurch die größten Schwierigkeiten im Werksbetriebe. Die Anhäufung versandfertiger Waren macht ein systematisches Arbeiten, wie es die in einandergreifenden Stahl- und Walzwerksbetriebe naturgemäß erfordern, nicht nur unmöglich, sondern zwingt schließlich auch zur vorübergehenden Still legung einzelner Betriebsabteilungen. Die Klagen der Abnehmer im Inlande und besonders auch im Auslande über schleppende und ausfallende Lieferungen werden denn auch immer dringender und lauter. Die Behinderung der Lieferungsfähigkeit erschwert nament lich das Geschäft im Auslande ganz ungemein und muß notwendig auf die Dauer dahin wirken, daß der deutsche Wettbewerb auf dem Weltmärkte Terrain verliert, das dann nur schwer wieder erobert werden kann. Ob die Eisenbahn den erhöhten Bedarf nicht doch in etwa voraussehen konnte, kann man leider schon deswegen nicht direkt verneinen, als sie im In lande selbst eine Hauptabnehmerin der in Betracht kommenden Materialien ist, und wegen der in bezug auf die Länge der Schienen gestiegenen Anforderungen selbst einen großen Bedarf an langen Spezialwagen hat. Es erscheint sehr fraglich, ob von der Eisen bahnverwaltung diesem Umstande durch beschleunigte Beförderung der Schienentransporten dienenden be ladenen und leeren Wagen und rascheste Entladung immer und überall Rechnung getragen wird, und ob nicht hierin etwas mehr geleistet werden könnte. Dankenswert würde auch ein schnelleres Tempo in der Vermehrung dieser von der Eisenindustrie be nötigten Spezialwagen sein.“ Wir vermögen den obigen Ausführungen nur in allen Punkten beizupflichten und ihnen noch hinzu zufügen, daß uns Einzelfälle bekannt sind, in denen große Mengen (bis zu 5000 t) fertiggewalztes Material auf den Höfen der Walzwerke liegen und nicht ab gefahren werden können, weil es an Wagen gebricht. Es ist wohl behauptet worden, daß der Mangel an gewöhnlichen Kohlen- und Kokswagen in Wirklichkeit nicht so groß sei, wie es aus den Wagengestellungs ziffern hervorgeht, indem darauf hingewiesen wurde, daß in solchen Fällen, in denen Wagenmangel be fürchtet wird, mehr Wagen eingefordert werden, als tatsächlich nötig sind. Diese Mutmaßung, für die nach unserer Kenntnis allerdings ein wirklicher Grund nicht vorliegt, kann nun keinesfalls auf die Gestellung der langen Spezialwagen angewendet werden, weil hier eben durch die starke Ansammlung von Mengen fertiggewalzter Schienen, Träger usw., die der Abfuhr harren, der Beweis erbracht ist, daß die Abfuhr der Fabrikation nicht zu folgen vermag. Dagegen wird uns zuverlässig mitgeteilt, daß die Eisenbahnverwaltung häufig die langen Wagen dadurch mit Beschlag belegt, daß sie auf denselben verladene Schienen tage- und wochenlang unentladen stehen läßt, weil sie ihre Abladedispositionen noch nicht getroffen hat und eine Umladung vermeiden will. Es wäre sehr erwünscht, wenn die Eisenbahnverwaltung hierüber Erhebungen anstellen ließe und für schleu nige Abhilfe Sorge tragen wollte, damit der Verkehr, für den der Staat das Monopol hat, nicht stockt. Der Mangel hat solchen Umfang angenommen, daß, wie wir hören, in der Eisenindustrie eine be sondere Nachweisestelle in Aussicht genommen ist, die täglich Erhebungen über die Zahl der fehlenden Wagen anstellen soll. Rußland. Die Ausfuhr von Eisen- und Manganerz über Nikolajew im Jahre 1906 betrug, nach einem Bericht des Kaiser lichen Vizekonsuls in Nikolajew, an Eisenerz 270370 t und an Manganerz 73110 t.* Dieser Export hat im Jahre 1902 begonnen und ist mit Ausnahme des Jahres 1904 stetig gestiegen. Eine weitere Vermeh rung steht einstweilen auch für dieses Jahr noch be vor. Es sind mehrere Abschlüsse in hochprozentigen (65 bis 68%) Eisenerzen auf Jahre hinaus gemacht worden, wovon wohl der größte Teil über Nikolajew zur Ausfuhr kommen dürfte. Im Laufe der Jahre sind auch die Preise nicht unerheblich in die Höhe gegangen, so daß man jetzt mit 7 Kop. f. d. Pud (1 Pud = 16,4 kg) franko Waggon Grube bei 62 0/ garantiertem Metallgehalt wohl kaum mehr ankommen kann, während vor einigen Jahren 4 bis 5 Kop. für gleiche Sorten gezahlt wurden. Aus Furcht, es könnte zu viel dieses Erzes in das Ausland befördert werden, sind in den Kreisen der Industriellen Stimmen laut geworden, die eine Ein schränkung des Erzexportes als wünschenswert emp fehlen ließen. Dies mag auch die Veranlassung zu der Idee gegeben haben, ein Syndikat aus den Erz grubenbesitzern zu bilden, das den ganzen Alleinver- * „Nachr. f. Handel u. Industrie“ 1907, 30. Mai; vergl. „Stahl und Eisen“ 1907 Nr. 1 S. 34.