Volltext Seite (XML)
12. Juni 1907. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 851 gleicherweise die Zähigkeit beeinflussen. Ebenso wichtig wäre die Frage, ob einmalige große Be einflussungen oder zahlreiche kleine, ob gleichbleibende oder wechselnde, ob auch positiv und negativ wechselnd auftretende Beeinflussungen immer den gleichen Effekt hervorbringen usw. Alsdann dürften nicht nur Biege proben zur Erprobung herangezogen werden. Als Beweis für die Richtigkeit der solcherart gefundenen Resultate müßten einwandfreie Eisenstücke künstlich und einer vorher bestimmten Absicht ent sprechend, in gewisse Sprödigkeitszustände versetzt werden können. Sind diese Fragen gelöst und gestatten die dabei gesammelten Erfahrungen ermutigende Rück schlüsse, sind die Prüfungsmethoden, welche am besten geeignet sind, genügend und fehlerfrei festgestellt, so wären alsdann verschiedene Eisensorten, welche, be sonders im Einverständnis mit den Stahlwerken, auf verschiedene Weise hergestellt wurden und auf ver schiedene Weise gewalzt oder sonst weiter behandelt sind, der Erprobung zu unterwerfen. Sollte sich dann herausstellen, daß einzelne Eisen sorten leichter spröde werden als andere, so sind die Ursachen für ein solch verschiedenes Verhalten festzustellen, und erst wenn man so weit ist, müßte man dazu schreiten, für die Praxis brauchbare Prüfungs methoden zu schaffen, welche ungeeignete Eisensorten erkennen lassen. Alle Erfahrungen der Praxis sprechen dagegen, daß gänzlich unbeeinflußte Eisenstücke altern, d. h. schlechter werden. Desgleichen würde keine Eisen konstruktion dauernd sicher sein, wenn ruhende dauernde Druck-, Zug- oder Biegungsspannungen ein schädliches Altern herbeizuführen geeignet wären. Solche Spannungen, welche die Grenze, bei welcher Molekularverschiebungen eintreten können, nicht er reichen oder ihr nicht nahe kommen, werden keinen Einfluß auf die Zähigkeit haben. Anders liegt der Fall, wenn letztere Grenze er reicht oder überschritten wird. In solchen Fällen sehen wir noch sehr wenig klar. Hier wissen wir noch nicht, ob die Verschiedenheit der Eisensorten oder die Verschiedenheit der Beanspruchung oder Beeinflussung, bei sonst gleichartigem Material, zu dem häufig unerklärlichen Verhalten von Konstruktions teilen führen, und wissen auch nicht, welche chemischen Bestandteile, welche Kombination der Bestandteile, welche Herstellungsmethode, oder welche Zufälligkeit bei der Herstellung, Abweichungen hervorrufen können. Das verschiedene Verhalten ähnlich zusammen gesetzter Eisensorten bei Zugproben in höherer Tem peratur läßt jedoch annehmen, daß bei praktisch gleichartigen Eisensorten eine verschieden starke Herabminderung der Zähigkeit durch gleiche Beein flussungen eintreten kann. Bei der umfangreichen Arbeit von Stromeyer ist sodann zu bedauern, daß er beinahe alle Blechstücke hat auswalzen lassen. Hierdurch ist es natürlich unmöglich geworden zu ermitteln, warum die Bleche in den Kesseln gerissen waren. Auch ist manche weitere interessante Er probung ausgeschlossen. Im allgemeinen stehen wir jedoch auf dem Stand punkt, daß die Erprobung gerissener Bleche, so inter essant sie an sich ist und so viel Erkenntnis aus ihr geschöpft werden kann, nicht so schnell zum Ziele führen wird, wie die Durchführung von Versuchs reihen, bei welchen genügend Material vorhanden ist, und bei dem alle Herstellungsphasen und alle Be einflussungen, welchen es ausgesetzt war, völlig be kannt sind. Als neu kann aus Stromeyers Arbeit die Be hauptung herausgegriffen werden, daß durch äußere Einflüsse verursachte innere Spannungen örtlicher Art einen nachteiligen Einfluß auf vorher nicht be einflußte Teile desselben Stückes ausüben sollen. Hat er auch keine einwandfreien Beweise für diese Be hauptung erbracht, so müssen wir seinem Schlußsatz doch beistimmen, welcher lautet: „Der Wert der bei den Versuchen erzielten Re sultate liegt darin, die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand gerichtet zu haben, dessen weitere Er forschung zu einer Verbesserung der »Alters«-Eigen- schäften des Stahles führen könnte.“ Eichhoff. D. Selby B igge-Newcastle - upon - Tyne be richtete auf Grund der auf der Hildegardehütte (Trzy- nietz, Oesterr. - Schlesien) der Oesterr. Berg- und Hüttenwerksgesellschaft von der A. E. G. Berlin bezw. Wien gebauten Kraftübertragungsanlage und der dort gesammelten bisherigen Erfahrungen über die Anwendung der Elektrizität auf Hüttenwerken im allgemeinen, um dann speziell auf den Elektro- Reversierstraßenantrieb, diese zum erstenmal über haupt ausgefülirte, also ganz neue Hüttenwerksmaschine einzugehen. Unseren Lesern ist dieser Gegenstand aus „Stahl und Eisen“ 1907 Nr. 4 und 5 zum größten Teil bekannt. Die an den Vortrag sich anschließende lebhafte Diskussion ergab, daß die Frage der Ausführbarkeit von Elektro-Reversierstraßen- Antrieben als in vollem Maße gelöst zu betrachten ist, daß indessen die Frage der Rentabilität dieser neuen Hüttenmaschine gegen über modernen Dampf-Reversiermaschinen noch offen sei. Hr. K u rt K e r 1 en-Düsseldorf beleuchtete diese Frage neben anderen Rednern in folgenden Aus führungen näher: „Der Herr Redner hat eine sehr ausführliche Be schreibung der Anlage in Trzynietz gegeben, die im wesentlichen allerdings aus den Zeitschriften bereits bekannt war. Der Vortrag enthält aber leider nur sehr wenig Angaben, welche gestatten, die Renta bilität der elektrischen Anlagen rechnerisch zu ver folgen. Die einzige bestimmte Angabe über den Kraftverbrauch oder die Ausgabe für die Kraft für die Tonne Stahl betrifft nicht die angeführte An lage in Trzynietz. Er sagt, daß man weniger als 20 KW.-Stunden für die Tonne gewalzte Blöcke ge braucht, aber er sagt nicht, von welchem Profil aus und bis zu welchem Profil der Block dabei ge walzt wird. Wenn ich diese Angabe ergänze durch andere mir bekannte Daten, so handelt es sich um eine Streckung des Materials auf die zehn- bis zwölf fache Länge. Diese Arbeit kostet also, wenn die Kilowattstunde mit nur 2,1 berechnet wird, rd. 43 8 für die Tonne. Nun hat zwar der Herr Redner gesagt, daß die Reversierdampfmaschine bekanntlich ein „Dampffresser“ sei. Das scheint aber doch wohl nicht richtig, wenn man weiß, daß man dieselbe Block arbeit mit 130 kg Dampf f. d. Tonne leistet, voraus gesetzt, daß man eine moderne Zwillings-Tandem-