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STEINSAAL DEUTSCHES H YGI E N E - M U S E U M Dienstag, den 17. Mai 1966,19.30 Uhr 4. KAMMERMUSIKABEND der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Ausführende: Helmut Rucker Flöte Gerhard Hauptmann Oboe Werner Metzner Klarinette J ohannes Hendel Cembalo Siering- Quartett: Günter Siering Violine Siegfried Koegler Violine Herbert Schneider Viola Erhard Hoppe Violoncello Johann Christian Bach 1735-1782 Quintett für Flöte, Oboe, Violine, Viola, Violoncello und Cembalo D-Dur op. 11 Nr. 6 Allegro Andantino Allegro assai Joseph Haydn 1732-1809 Streichquartett G-Dur op. 54 Nr.l Allegro con brio Allegretto Menuetto (Allegretto) Finale (Presto) PAUSE Max Reger 1873-1916 Quintett für Klarinette und Streichquartett A-Dur op. 146 Moderato ed amabile Vivace Largo Poco allegretto Zum 50. Todestag des Komponisten am 11. Mai 1966 Ludwig van Beethoven 1770-1827 Große Fuge für Streichquartett B-Dur op. 133 ZUR EIN FÜHRUNG Johann Christian Fach, jüngster Sohn Johann Sebastian Bachs, wurde nach des Vaters Tod musikalisch ausgebildet von seinem Bruder Carl Philipp Emanuel. 1754 unternahm er eine Italienreise und wurde in Bologna Schüler Padre Martinis. Einige Jahre später ernannte man ihn zum Domorganisten in Mailand, 1762 ging er nach London als Musikmeister der eng lischen Königin und gründete 1764 gemeinsam mit K. F. Abel die ,,Bach-Abel-Konzerte“. Johann Christian Bach, dessen Ruhm zu Lebzeiten den des Vaters und seiner Brüder weit überstrahlte, allerdings nach seinem Tode rasch verblaßte, hinterließ ein umfangreiches schöpfe risches Werk, etwa 20 Opern, zwei Oratorien, viele Kantaten, Arien, Sinfonien, Klavierkonzerte, Klaviersonaten, Streicher-und Bläserduos, Trios, Quartette, Quintette, Sextette u. a. Erst in unserem Jahrhundert fand das Schaffen des „Mailänder* 4 oder „Londoner“ Bach wieder ver diente Wertschätzung. Sein Stil, der die Eigentümlichkeiten der „Mannheimer“ mit der an- mutig-kantablen italienischen bzw. galanten französischen Manier verband, war- von großem Einfluß auf W. A. Mozart, der an seinen Vater über ihn schrieb:,, . . . ich liebe ihn (wie Sie wohl wissen) von ganzem Herzen - und habe Hochachtung für ihn . . . “ Die Quintette op. 11 entstanden etwa 1775 /76, sind also Altersgenossen von Goethes ,, Werther 44 , Wielands „Abderiten“ und Glucks „Iphigenie in Aulis“ und „Armida 44 . Das Quintett für Flöte, Oboe, Violine, Viola, Violoncello und Cembalo D-Dur op. 11 Nr. 6 gehört zu den schönsten Stücken dieser Werkgruppe. Seine drei Sätze (Allegro-Andantino-Allegro assai) besitzen eine unerhört klangschöne, reizvolle Stimmführung; unerschöpflich strömt in ihnen die melodische Erfindung. Das stimmungsvolle Andantino in G-Dur sei seines zärtlichen „mozartischen“ Themas wegen, das nach vier Takten Einleitung zuerst in der Flöte erscheint, besonders her vorgehoben. Joseph Haydns drei Streichquartette op. 54 stammen ebenso wie seine Quartette op. 55 und op. 64 aus den Jahren 1789 bis 1790. Sie gehören zu Haydns beliebtesten Werken dieser Gattung. Da sie dem Wiener Tuchgroßhändler Tost, der selbst ein ausgezeichneter Geiger war, gewid met sind, heißen sie die „Tostschen Quartette“ und zeigen sich in ihnen ziemlich hohe tech nische Anforderungen besonders an die erste Violine. Bedeutungsvoll erscheint in diesen Wer ken daneben der Einfluß, den Mozart auf Haydns Schaffen ausübte. Dieser Einfluß äußert sich vor allem in der motivischen Arbeit. Im Gegensatz zu früheren Quartettwerken Haydns, in denen hauptsächlich mit Themengruppen gearbeitet wurde, bestimmt jetzt häufiger ein Haupt thema, aus dem die übrigen Themen abgeleitet werden, die Entwicklung der einzelnen Sätze. Ein ganz besonders bezauberndes, frisches Werk ist das Streichquartett G-Dur op. 54 Nr. 1, in dessen draufgängerischem ersten Satz (Allegro con brio) der ersten Violine virtuose Aufgaben gestellt sind. Eine geschmeidige Chromatik begegnet im Hauptthema. Die Durchführung ist durch reich gestufte Dynamik charakterisiert. Ein liebenswürdiges Allegretto mit samtweichen Harmonien steht an zweiter Stelle, gefolgt von einem rhythmisch eigenwilligen Menuett(Alle gretto), dessen Trio eine handfeste ländliche österreichische Tanzweise (im Cello) bringt. Im Finale (Presto) wird ein fröhlicher Wirbel entfaltet, der nur einmal von einer melancholischen ' Episode unterbrochen wird. Nach vielen modulatorischen Überraschungen verklingt der Satz in leichtestem Pianissimo. Max Reger, dessen Todestag sich am 11. Mai 1966 zum 50. Male jährt, rangiert fraglos in der Galerie der „Großen Meister“, auch wenn sein Schaffen-im Ganzen gesehen - nicht eigent lich populär geworden ist. Er ist als der letzte instrumentale Klassiker seit Brahms, als der Vollender des „romantischen Jahrhunderts“ bezeichnet worden. Gewiß ist seine barocke Kraftgestalt zunächst mehr dem 19. Jahrhundert zugewendet gewesen, ehe er sich mit zunehmender Reife der Welt des 18. Jahrhunderts, eines Johann Sebastian Bach und der alten Meister, zuwandte und auf der Höhe seiner Entwicklung herüber in unsere Zeit schaute und zum Brückenglied zur Musik unserer Tage wurde. Das Quintett für Klarinette und Streichquartett A-Dur op. 146 ist eines der meistgespielten und bedeutendsten Kammermusikwerke Regers. Es ist ein Werk des Abschieds, des Vermächtnisses,