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losläßt, sondern auf eine sehr farbige und interessante Art, mit beinahe impres sionistischer Zurückhaltung, immer mit der Absicht, neue Farbschattierungen zu erzielen und neuartige, oft sogar raffinierte Mischklänge zu finden, die einem immer wieder neuen Anreiz zum Hören bieten und immer neue Spannung entfachen. Auch gelingt es Szymanowski, der Gefahr zu entfliehen, mit diesem übermäßigen Orchester die Solovioline zuzudecken. Dem Soloinstrument mutet er überaus virtuose Auf gaben zu: die Glissandi, Flageolettöne, Triller, Oktaven, Doppelgriffe usw. wollen nicht abreißen, rhythmische Finessen, wie Triolen, Quintoien, Sextolen usw. geben dem Ganzen einen nervösen Anstrich. Die Härte der Klänge wird von Szymanowski elegant gemildert, so daß eine offene Schockwirkung, wie sie manchen Werken der Neuzeit eigentümlich ist, hier ausbleibt und der Hörer sich an der angestrebten Verfeinerung der Klänge erfreuen kann. Szymanowski war ein Weltmann, der in Paris ebenso heimisch war wie in Warschau. Seine ihm angeborene Sensibilität macht sich gerade im Violinkonzert außerordentlich bemerkbar. Claude Debussy: Der Nadimittag eines Faun Das „Präludium über den Nachmittag eines Faun“ ist DebuSsys berühmtestes Orchesterwerk. Diese schon 1892 geschriebene sinfonische Dichtung sollte ursprüng lich ein Flötenkonzert werden. Aber während der Komposition änderte Debussy seinen Plan und gab dem einsätzigen Werk das nun bekannte Programm, das Thomas Mann in seinem Roman „Der Zauberberg“ mit dichterischem Feingefühl wiedergegeben hat. Er schreibt: „Rücklings lag er auf einer mit bunten Sternblumen besäten, Von Sonne beglänzten Wiese, einen kleinen Erdhügel unter dem Kopf, das eine Bein etwas hochgezogen, das andere darübergelegt — wobei es jedoch Bocksbeine waren, die er kreuzte. Seine Hände fingerten, nur zu seinem eigenen Vergnügen, da .die Einsamkeit über der Wiese vollkommen war, an einem kleinen Holzgebläse, das er im Munde hielt, einer Klarinette oder Schalmei, der er friedlich nasale Töne entlockte, einen nach dem anderen, wie sie eben kommen wollten, aber doch in geglücktem Reigen, und so stieg das sorglose Genäse! zum tiefblauen Himmel auf, unter dem das feine, leicht vom Winde bewegte Blätterwerk einzeln stehender Birken und Eschen in der Sonne flimmerte. Doch war sein beschauliches und unverantwortlich-halbmelodisches Dudeln nicht lange die einzige Stimme der Ein samkeit. Das Summen der Insekten in der sommerheißen Luft über dem Grase, der Sonnenschein selbst, der leichte Wind, das Schwanken der Wipfel, das Glitzern des Blätterwerkes —• der ganze sanft bewegte Sommorfriede umher wurde gemischter Klang, der seinem einfältigen Schalmeien eine immer wechselnde und immer über raschend gewählte harmonische Deutung gab. Die sinfonische Begleitung trat manchmal zurück und verstummte, aber Hans mit den Bocksbeinen blies weiter und lockte mit der nai ven Eintönigkeit seines Spiels den ausgesucht kolorierten Klang zauber der Natur wieder hervor — welcher endlich nach einem abermaligen Aus setzen, in süßer Selbstübersteigerung, durch Hinzutritt immer neuer und höherer Instrumentalstimmen, die rasch nacheinander einfielen, alle verfügbare, bis dahin gesparte Fülle gewann, für einen flüchtigen Augenblick, dessen wonnevoll-voll kommenes Genügen aber die Ewigkeit in sich trug. Der junge Faun war sehr glück lich auf seiner Sommerwiese... Hier herrschte das Vergessen selbst, der selige Stillstand, die Unschuld der Zeitlosigkeit,.