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EDMUND RUBBBA Geboren am 23. Mai 1901 in Noi thampton (England) als Sohn eines Arbeiters. Den ersten Musikunterricht erhielt er mit 8 Jahren. Die Not zwang ihn, mit 14 Jahren die Schule zu verlassen und Geld zu verdienen, um das Einkommen seiner Familie zu steigern. Er arbeitete als kleiner Beamter und studierte in seinen freien Stunden bei Cyril Scott, dem be deutenden Komponisten, der so etwas wie ein englischer Debussy ist. Dann erhielt Rubbra ein Stipendium für Kom position an der Universität von Beading, im Jahre darauf ein weiteres am Royal College of Music in London. Er studierte Komposition bei Gustav von Holst, der von 1919 bis 1924 Kompositionslehrer am Royal College war, von dem Deut, wohl der beste Kenner der englischen Musik, sagt, er sei einer der wenigen englischen Komponisten, die im Monu mentalstil schreiben. Bei Howard-Jones vervollkommnete sich Bubbra im Klavierspiel. 1933 heiratete er die französische Violinvirtuosin Antoinette Chaplin. Er unternahm Konzert reisen nach dem Kontinent und dirigierte eigene Werke. An Kompositionen liegen vor: zwei Sinfonien, eine Sinfonia concertante für Klavier und Orchester, ein Klavierkonzert, eine Fantasie für Violine und Orchester. Eine einaktige Oper (,,Beebee-bei“). Ein Fantasie-Quintett für Klavier und Streicher, Sonaten für Violinen und Klavier, eine Fan tasie für zwei Violinen und Klavier. Außer Liedern für Sing stimme und Klavier ein Zyklus von zehn Sonetten (Spencer) für Singstimme und Streichquartett und,,Ballad of Tristan“ für Singstimme und Kammerorchester. Eine Reihe von Chor werken: fünf a-cappella-Motetten, die Vertonung von vier lateinischen Texten aus dem Mittelalter, „Two Poems“ für Choral und Orchester. • In seiner „Ersten Sinfonie“, die er 1936/37 komponierte, ist Rubbra — im ganzen gesehen — mehr Holst als Scott, mehr auf monumentalen Stil als auf impressionistischen Klangzauber bedacht. Nur ab und zu kommen Episoden vor, die an französische Vorbilder erinnern. Sie bleiben Episoden. Der erste Satz beginnt gleich mit einem hochpathetischen Thema, das die Grundstimmung der ganzen Sinfonie angibt. Über dem aufgeregten Schwirren der Streicher intonieren die Blechbläser einschließlich der Tuba eine stark chroma tisch gefärbte Klage, fast wie einen Trauerhymnus. Aber auch die nach dieser Einleitung verwendeten Themen, für deren Hervorhebung Rubbra gerne die Bläser (Oboe, Flöte, Englisch Horn, Trompete) heranzieht, haben bis zu dem in seltsamem Zwielicht ersterbenden Schluß etwas ausgeprägt Melancholisches an sich. Um so stärker ist der Gegensatz in dem zweiten, das Scherzo vertretenden Satz, der „Perigour- dine“. Die Perigourdine ist ein älterer französischer Tanz im Tripeltakt, von fröhlicher Bewegung, benannt nach der Landschaft Perigord. Das dem Satz zugrunde liegende acht- taktige Thema entnahm der Komponist dem „Essai sur la Musique ancienne et moderne“ von J. B. de Laborde, einem später guillotinierten Kammerherrn Ludwigs XV., und (lern Abbe P. J. Roussier, einer der besten älteren Musikgeschich ten. Die Oboe pfeift das gassenhauerlustige Thema vor sich hin, das Fagott greift es auf, die Flöte, die Pikkoloflöte, immer mehr verändert sich sein Gesicht, immer stürmischer wird die Bewegung, immer mehr verliert sich der heiter bukolische Charakter. Der ganze Satz ist eine einzige ge waltige Steigerung. Mit einem grüblerischen dritten lang samen Satz schließt die Sinfonie. Er ist in großen Entwick lungszügen angelegt und mündet in eine Coda-Fuge, die in der Zusammenfassung der Themen noch einmal die aus geprägte kombinatorische Gabe des englischen Komponisten und sein Streben nach Monumentalität (in beidem ist er etwa unserem E.v. Borck vergleichbar) aufzeigt und erkennen läßt, wie gerade die jungen englischen Komponisten Neuland der Musik bebauen.