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Das Rondothema erscheint in immer neuer Abwandlung. In einer Bespre chung nach der Uraufführung in Karl-Marx-Stadt (1954) bezeichnete ein Kritiker die „gekonnte Instrumentation“ als Hauptvorzug des „Rondo gio- coso“. Hellmuth Schneider hat mit diesem Orchesterstück bewußt ein unterhaltsames, leicht verständliches Werk geschaffen und damit (nach den Worten eines anderen Karl-Marx-Städter Kritikers) bewiesen, „daß mit den alten musikalischen Mitteln noch viel anzufangen ist“. In der hand schriftlichen Partitur lesen wir nach dem letzten Taktstrich (gezogen am 23. April 1953) den erzgebirgischen Bergmannsgruß „Glück auf!“ Das ist mehr als eine Grußformel, das ist zugleich so etwas wie ein Leitwort, ein Grundzug der Schneiderschen Musik — „Glück auf!“ Die F-Dur-Sinfonie opus 76 war bislang bekannt als Anton Dvoräks „Dritte“. Das war eine Täuschung und Nachlässigkeit des Verlegers. Die Sache ist nicht einfach: Ursprünglich besaß die F-Dur-Sinfonie eine nied rigere Opuszahl, denn sie war bereits in den Sommermonaten des Jahres 1875 entstanden, und erhielt erst nachträglich (1888, im Jahre der Ver öffentlichung) die hohe Bezifferung. Dvorak hatte inzwischen allerdings manches verändert, verbessert (dynamische Bezeichnungen) und retuschiert (Instrumentation). Für eine gerechte Beurteilung des Werkes ist es von größter Wichtigkeit, den zeitlichen Abstand zwischen Entstehung und Her ausgabe zu wissen. Die Uraufführung fand am 25. März 1879 durch das Orchester des Tschechischen Theaters unter der Leitung von Adolf Cedi statt. Inhaltlich gehören die ersten drei Sätze der Sinfonie F-Dur durch ihre ungewöhnliche Verhaltenheit des Ausdrucks zusammen; der vierte steht mit seinem musikantischen Überschwang allein, er überragt und krönt die Sinfonie. Heiter, idyllisch und frohgemut beginnt der Anfangssatz, in dem drei The men aufklingen, von denen das erste besonders liebevoll in der Durchfüh rung verarbeitet wird. Das „Andante“ ist von Felix Weingartner treffend als „lyrisch-melodisches Intermezzo“ bezeichnet worden. Sehr entfernt, ohne die typische Kontrastierung, kündet sich die später oft von Dvorak verwendete „Durnka“ an. Eine Serenade? Ein Rondo? Beides ist richtig. Melancholie und Sehnsucht prägen den Charakter des zweiten Satzes, dem sich unmittelbar („Ganz kleine Pause und gleich weiter“ steht in der Parti tur) ein „Allegro scherzando“ mit einer kurzen Einleitung anschließt- Drei Teile folgen einander: Heiter und tändelnd der Anfang, humorvoll-tänze risch der Mittelteil mit einem munter-beschaulichen Trio, dem sich eine wörtliche Wiederholung des Anfangsteiles anschließt. Das Finale — zwei fellos der bedeutendste Satz der Sinfonie — schwankt zwischen F-Dur und a-Moll, das erzeugt Reibung und Spannung. Leidenschaft, Stolz und auch Trotz ergeben einen fast dramatischen Grundklang. Zauberhaft schön in ihrer Innigkeit erklingt eine von den Klarinetten angestimmte As-Dur- Episode. Trompeten und Posaunen beschließen fanfarenhaft jubelnd die selten zu hörende Sinfonie. Von Serge Rachmaninow kennen wir den Ausspruch: „Melodie ist Musik, die Hauptgrundlage der gesamten Musik!“ Das ist mehr als eine Feststellung, das ist ein persönliches Bekenntnis! Über einem jeden seiner vier Klavierkonzerte könnte dieser Ausspruch als unsichtbares Leitwort stehen. Auch das erste Klavierkonzert, das der Kom ponist als sein opus I veröffentlichte, lebt von der Melodie, von der schö nen, breit sich entfaltenden, überschwenglich sich steigernden Melodik der Spätromantik. Rachmaninow macht aus seiner Liebe zur Gefühls- und Ausdruckswelt Tschaikowskis kein Geheimnis. So stark Rachmaninow später musikalischer Weltbürger wurde, im Grunde blieb er immer Russe,