Volltext Seite (XML)
Dos Vorspiel zum Nachmittag eines Fauns ist Debussys berühmtestes Orche sterwerk. Diese schon 1892 geschriebene und 1894 in Paris höchst erfolgreich uraufgeführte sinfonische Dichtung sollte ursprünglich ein Flötenkonzert werden. Aber während der Komposition änderte Debussy seinen Plan und gab dem einsätzigen Werk das nun bekannte Programm, das Thomas Mann in seinem Roman „Der Zauberberg'' mit dichterischem Feingefühl wiedergegeben hat. Ei. schreibt: „Rücklings lag er auf einer mit bunten Sternblumen besäten, von Sonne beglänzten Wiese, einen kleinen Erdhügel unter dem Kopf, das eine Bein etwas hochgezogen, das andere darübergelegt, — wobei es jedoch Bocks beine waren, die er kreuzte. Seine Hände fingerten, nur zu seinem eigenen Vergnügen, da die Einsamkeit über der Wiese vollkommen war, an einem klei nen Holzgebläse, das er im Munde hielt, einer Klarinette oder Schalmei, der er friedlich-nasale Töne entlockte, einen nach dem anderen, wie sie eben kommen wollten, aber doch in geglücktem Reigen, und so stieg das sorglose Genäsei zum tiefblauen Himmel auf, unter dem das feine, leicht vom Winde bewegte Blätterwerk einzeln stehender Birken und Eschen in der Sonne flimmerte. Doch war sein beschauliches und unverantwortlich-halbmelodisches Dudeln nicht lange die einzige Stimme der Einsamkeit. Das Summen der Insekten in der sommerheißen Luft über dem Grase, der Sonnenschein selbst, der leichte Wind, das Schwanken der Wipfel, das Glitzern des Blätterwerkes, — der ganze sanft bewegte Sommerfriede umher wurde gemischter Klang, der seinem einfältigen Schalmeien eine immer wechselnde und immer überraschend gewählte harmo nische Deutung gab. Die symphonische Begleitung trat manchmal zurück und verstummte, aber Hans mit den Bocksbeinen blies fort und lockte mit der naiven Eintönigkeit seines Spiels den ausgesucht kolorierten Klangzauber der Natur wieder hervor, — welcher endlich nach einem abermaligen Aussetzen, in süßer Selbstübersteigerung, durch Hinzutritt immer neuer und höherer Instrumental stimmen, die rasch nacheinander einfielen, alle verfügbare, bis dahin gesparte Fülle gewann, für einen flüchtigen Augenblick, dessen wonnevoll-vollkommene^ Genügen aber die Ewigkeit in sich trug. Der junge Faun war sehr glücklich auf seiner Sommerwiese .. . Hier herrschte das Vergessen selbst, der selige Still stand, die Unschuld der Zeitlosigkeit..." Das Konzert für Klavier und Orchester in G-Dur von Maurice Ravel gehört mit dem zur gleichen Zeit — 1930/31 — entstandenen Konzert für die linke Hand zu den letzten und reifsten Kompositionen des großen französischen Komponi sten. Es zeigt Ravel auf dem Höhepunkt seiner kompositionstechnischen und stilistischen Entwicklung. Am 7. März 1875 in dem Pyrenäenstädtchen Ciboure geboren, studierte er bei Gabriel Faure und gelangte stark in die Einflußsphäre Claude Debussys. Gleich den Werken dieses großen musikalischen Impressio nisten ist auch in den imponierenden frühen Kompositionen Ravels eine starke Auflösung der Form zugunsten schillernder Impressionen zu bemerken. Die Schulung an Rameau und Couperin („Le Tombeau de Couperin"), ein starker Hang zur tänzerischen Geste („La Valse") und eine enge Verbundenheit mit der vitalen Folklore des benachbarten Spanien („Bolero“!) lassen jedoch in seiner kompositorischen Entwicklung immer mehr eine klare Zeichnung und ein gestaltendes Formbewußtsein Raum gewinnen. Davon gibt das G-Dur-Klavier konzert, für die berühmte Pianistin Marguerite Long geschrieben, deutlich Zeugnis ab. Ganz klare thematische Erfindungen sind zu beobachten, die in knapper und präziser Form spielerisch und mit viel Sinn für klangliche Deli katesse vorgetragen werden. Dabei fällt dem Soloklavier eine brillante Rolle zu. Die Harmonik atmet glasklaren romanischen Geist, fern jeder Schwülstig- keit und Überladenheit. Den Ton des ersten Satzes gibt ein heiteres Thema der Pikkoloflöte an. Dos Soloinstrument trägt eine lyrische Stimmung hinein. Vor einer ausladenden kadenzartigen Solostelle des Pianisten steht eine klanglich interessante Horn- kantilene, von raschen Holzbläserläufen begleitet. Dann setzt sich die heitere Anfangsstimmung wieder durch. Von wunderbarer Ausgeglichenheit ist der zweite Satz — Adagio assai —, der durch einen ausdrucksvollen, liedhaft emp fundenen Klaviersatz eröffnet wird. Die expressive Weise wird später vom Horn übernommen und von filigranartigen Klavierfiguren umspielt. Den konstanten Untergrund bildet eine ostinat durchgehende Achtelbewegung im Baß des Klaviers, die erst im vorletzten Takt verändert wird. Von klassizistischer Heiter keit erweist sich der letzte Satz — Presto. Nach einer schwirrenden Quintbewe gung des Solisten wechseln sich die Bläser mit einem kecken Thema ab. Eine 6 /a-Episode ist von besonderer Brillanz. Der ganze helle, sonnige Salz ist von großer Durchsichtigkeit, von typisch französischer geistiger Prägnanz und Deli katesse Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19, zarter und sparsa mer instrumentiert als das erste und nach eigener Aussage des Komponisten noch vor diesem komponiert, erklang zum ersten Male wahrscheinlich in einer der Wiener Akademien des Meisters im Jahre 1795. Drei Jahre später über arbeitete er das Werk — wie auch das erste Konzert — und spielte beide Schöpfungen 1798 in Prag. Der offensichtlich zunächst mehr improvisierte Solo part des B-Dur-Konzertes wurde erst für die Drucklegung 1801 endgültig fixiert. Der Charakter des Werkes ist lyrischer, gedämpfter als der des ersten Konzerts. Doch tritt im Gesamtverlauf neben die Sensibilität auch die Vitalität des Aus drucks. Chromatische Wendungen in den ersten beiden Sätzen erinnern an Mozart. Das B-Dur-Hauptthema, mit dem die ausgedehnte Orchestereinleitung des ersten Satzes (Allegro con brio) beginnt, wird aus einer energisch-markanten und einer — gegensätzlichen — gesangvoll-melodischen Motivgruppe gebildet. Der lyrischen Entwicklung des Satzes, die dabei auf kraftvolle, virtuos-figurative Partien nicht verzichtet, dient auch das cantable zweite Thema in Des-Dur. — Im zweiten, reich figurierten Satz, träumerisch-poetische Adagio-Variationen, stellen zunächst die Streicher das etwas zerklüftete Hauptthema vor, das dann vom Solisten übernommen und abgewandelt wird. Das Orchester greift gegen Schluß die Grundgestalt des Themas nochmals auf. — Keck-kapriziös, den zweiten Taktteil betonend, ist das Hauptthema des Rondo-Finales (Molto alle gro). Es ahmt den Kuckucksruf nach und ist mit seiner Synkopierung das