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Str. «>» Vor 25 Zohren Das Drama der 13 Tage Wie es zum Ausbruch des welllrieges lam In diesen Tasten ist ein Bierteljahrhundert vergangen, seit die waffenfähigen Männer Deutschlands zu den Fahnen eilten, um die bedrängte Heimat zu schützen. Un aufhörlich rollten die Eisenbahntransporte zu den Gren zen, und das Bild der Nation wandelte sich. 25 Jahre, die im Leben unseres Volkes mehr zählen als der gleiche Zeitraum in früheren Jahrhunderten. Wir haben in diesen 25 Jahren den Ausbruch der deutschen Nation gegen eine Welt von Feinden erlebt, den Wider stand in vier gewaltigen Jahren gegen die Völker des halben Erdballes, den Zusammenbruch vor der Ueber- macht, den Leidensweg im Schatten von Versailles und schließlich den Aufstieg einer neuen Zeit, herbeigeführt durch eine neue Idee und einen Mann, der vor 25 Jahren auch zu jenem grauen Heer gehörte, das damals zum Schutze der Heimat marschierte. 1914—1938 2S Zahle Weltgeschichte mb noch die gleichen Methode« König. Wilhelm II. schickt Telegramme an den Zaren mlt der Bitte um Unterstützung seiner Friedensbemühungen. Berlin macht mäßigende Vorschläge für Wien, und der deutsche Botschafter in London gibt beruhigende Erklärun gen ab. Aber schon hat Frankreich die Urlauber bei den fünf Grenzkorps zurückgerufen, schon haben die drei eng lischen Heimatflotten, die seit dem 15. Juli zu einer Probe- Mobilmachung versammelt sind, die vorgesehene Demobil machung eingestellt. Schon rollen aus dem Innern des Zarenreiches die Truppentransporte gegen die deutsche und österreichische Grenze. Am 3V. Juli, 4 Uhr nachmittags, erteilt der Zar die Genehmigung zur Gesamtmobilmachung, die zwei Stun den später amtlich angeordnet wird. Am 31. Juli» 12.23 Uhr, erfolgt die allgemeine Mobilmachung in Oesterreich- Ungarn, um 1 Uhr nachmittags wird der Zustand drohen der Kriegsgefahr in Deutschland verkündet, und nach mittags macht Frankreich fünf Grenzkorps mobil. Zu mitternächtlicher Stunde geht ein befristetes Ultimatum Deutschlands an Rußland, das Einstellung der militäri schen Maßnahmen verlangt. Das Ultimatum bleibt unbe antwortet, und eine deutsche Anfrage in Paris wird aus weichend beantwortet. Nin 1. August, 4.40 Uhr nachmit tags, macht Frankreich mobil, und um 5 Uhr nachmittags erfolgt die Mobilmachung in Dreizehn schicksalsschwere Tage gingen dem Beginn des großen Weltkrieges voraus, Tage, deren Ereignisse in der Weltgeschichte festgehalten werden müssen, weil sie ein krasses Licht auf die ungeheure Kriegsschuld der alliierten Mächte werfen, die diesen Krieg in jahrzehntelanger Vor arbeit vorbereitet halten, um die alte Ordnung in Mittel europa umzuftürzen und die führenden mitteleuropäischen Mächte, Deutschland und die verbündete Donaumonarchie, zu Vernichter«. Nicht umsonst hat die infame Hetzpropa ganda, die von den Alliierten damals zur Unterstützung ihrer Ziele eingesetzt wurde, die Lüge von der Schuld Deutschlands am Krieg« erfunden. Das war dasselbe Manöver, wie wir es heute wieder erleben, dieselbe Tak tik, hinter der die ungeheure Eigenschuld derer, die sich dieser heuchlerischen Methode bedienen, vertuscht werden sollte. Lassen wir das dramatische Geschehen der dreizehn Lüge noch einmal ausschnittweise an unserem Gedächtnis voriiberziehen: 2 3. Juli, erster Tagr Am 28. Juni waren die Schüsse auf das österreichisch- ungarische Thronfolgerehevaar in Serajewo gefallen. Am 23. Juli überreichte die österreichische Negierung in Bel grad ein Ultimatum. 24. Juli, zweiter Tag: Deutschland macht den Vorschlag, den österreichisch serbischen Konflikt zu lokalisieren. Gleichzeitig erklärt Oösterreich-Ungarn Rußland, daß es keine Land erwerbungen in Serbien beabsichtige und Serbiens Un abhängigkeit nicht antastcu werde. Mittags findet in Petersburg eine russisch-französische Unterredung statt, in der der französische Botschafter in Petersburg Frankreichs Bundeshilfe im Kriegsfälle zusichert. Anschließend beschließt ein russischer Mmisterrat die Teilmobilmachung gegen Oesterreich. 2 5. I u l i, d r i t t e r T a g r Am 25. Juli billigt der russische Kronrat die Teil- mobilmachung und setzt den nächsten Tag als Beginn der Kriegsvorbereitungsperiode an. Nachmittags um 3 Uhr macht Serbien mobil. Um 6 Uhr werden die Beziehungen zwischen Belgrad und Wien abgebrochen und abends um 21.30 Uhr die Teilmobilmachung Oesterreich-Ungarns gegen Serbien beschlossen. 2 6. Juli, vierter Tag: Während am 26. Juli Deutschland in Petersburg den Vorschlag unmittelbarer Verhandlungen mit Oester reich macht, beschließt das englische Kriegsministerium, die seit dem 15. Juli zu einer Probemobilmachung um Portland versammelten englischen Heimatflotten nicht zu demobilisieren. 2 7. Juli,fünfterTag: Der englische Außenminister Sir Edward Grey er klärt im Ministerrat, daß England im Falle eines euro päischen Krieges auf der Seile der Entente stehen werde. Frankreich beruft die Urlauber bei den fünf Grenzkorps zurück. 28. Juli, sechster Tag: Am 28. Juli um 11 Uhr vormittags erklärt Oester- reich-Nngaru an Serbien den Krieg. Der russische Außen minister Sasonow weist die russischen Botschafter tele graphisch an, den Negierungen mitzuteilen, daß Rußland am nächsten Tag die Teilmobilmachung gegen Oesterreich- Ungarn erklären werde. 2 9. Juli, siebenter Tag: Telegrammwechsel zwischen dem Zaren und Wil helm II., der den Zaren um Unterstützung seiner Ver ständigungsbemühungen bittet. — Die englische Flotte läuft nach ihrer Kriegsstation Scapa Flow aus. Eng lands Außenminister kündigt dem deutschen Botschafter in London die Aufgabe der Neutralität Englands in einem französisch-deutschen Kriege an. Nachmittags treten Heer und Flotte Englands in das letzte Stadium vor der Mobilmachung, und in Petersburg gibt Zar Nikolaus II. feine Zustimmung zur Anordnung der allgemeinen Mobil- machung, bevor überhaupt die Teilmobilmachung gegen Oesterreich-Ungarn angeordnet worden ist. Das Bom bardement Belgrads beginnt. Zweiter Telegrammwechsel zwischen de« Zaren und dem deutsche« Kaiser. Bor 25 Jah««. Aus den deutsch«« Mobtlmachungstage«. lSchen-W^«-org-M- Das deutsche Leben hat sich in diesem Vierteljahr« hundert tiefgreifend gewandelt, vollzog sich zwischen Höhe und Absturz und neuem Aufstieg. Hat sich aber auch die Welt um uns gewandelt? Wenn wir die politischen Methoden jenseits unserer Grenzen beobachten, so mag es scheinen, daß hier noch die gleichen Auffassungen und Möglichkeiten herrschen, di« damals angewandt wurden, als die Fackel des WettbrandeS unseren Erdball ent zündete. Nach der Reichsgründung war es das vorletzte Be streben der Bismarckschen Politik, das Erreichte zu sichern. Defensivbündnisse und Sicherungsverträge waren die Mittel dieser Politik, die seine Nachfolger aber nicht mehr zu gebrauchen wußten. Als der Altreichskanzler das Steuer des Staatsschiffes aus der Hand geben mußte, wurde der Nückversicherungsvertrag mit Rußland nicht er neuert, und bereits ein Jahr später begann die politische Verständigung zwischen Frankreich und Rußland, die be reits 1892 zu einer ersten französisch-russischen Militär- kouvention führte. Das Gespenst eines Zweifronten krieges tauchte auf, und 1904 vergaßen Frankreich und England den Zwischenfall von Faschoda, wo sich die Triko lore vor dem Union Jack hatte beugen müssen, und schlossen die „Entente cordiale", indem sie sich als Morgengabe zwei Gebiete überreichten — Aegypten und Marokko —, die ihnen beide nicht gehörten. Schon 1906 ist Deutschland mit Oesterreich-Ungarn isoliert worden, wie das Ergebnis der Konferenz von Algeciras zeigte. Gleichzeitig began nen die Gencralstabsbesprechungen zwischen Paris und London. Wieder ein Jahr später verständigten sich Ruß land und England über Iran, und damit war bereits der Einkreisungsring um Mitteleuropa gelegt. Es brauchte nur noch die Lunte an das Pulverfaß gelegt zu werden. Schon manchmal schien es so weit zu sein, wie in jenem glutheißen Sommer 1911 oder während der beiden Balkankriege kurz darauf. Aber immer noch lösten sich die Spannungen. Da streckten in den Vormittags stunden des 28. Juni 1914 die Schüsse eines Serben den Thronfolger der Doppelmonarchie und seine Gemahlin nieder. Diese Schüsse gaben das Signal zum Weltkriege. Tage vergehen. In Wien berät ein Ministerrat über die notwendigen Schritte gegen Serbien. Tagelang wird über ein Ultimatum an Belgrad verhandelt, und am 23. Juli, 6 Uhr abends, wird das Ultimatum an Serbien überreicht. Deutschland hofft, daß der Streit lokalisiert werden könne, und man wirkt in diesem Sinn« auf Wien. Aber die andere Seite besitzt nicht diesen Willen einer friedlichen Beilegung des Konfliktes zwischen Serbien und Oesterreich-Ungarn. Drei Stunden nach der Ueberreichung des Ultimatums in Belgrad hat Poincarä den russischen Hafen Kronstadt verlassen, nachdem sein Besuch die russische Kriegspartei, die den willenlosen Zaren völlig in der Gewalt hat, gestärkt hat. Am Tage nach der Abfahrt PoincarSs versichert der französische Bot schafter in Petersburg Rußland der französischen Bundes hilfe. Am 25. Juli billigt der russische Kronrat den prin zipiellen Beschluß des Ministerrats vom Vortage, eine Teilmobilmachung gegen Oesterreich-Ungarn durchzu- führen, deren Zeitpunkt dem Außenminister überlassen wi»d. Um 3 Uhr nachmittags machtSerbienmobil. Drei Stunden später erfolgt der Abbruch der Beziehungen Oesterreich-Ungarns zu Serbien, nachdem die Antwortnote auf das Wiener Ultimatum unzureichend gewesen ist. Um 9.30 Uhr abends erfolgt die Teilmobilmachung Oesterreich- Ungarns gegen Serbien. Der Deutsche Kaiser bricht feine Nordlandreise ab, aber noch immer hofft Deutschland, daß die Waffen nicht zu sprechen brauchen. Im Bumnghampalast hat der Bruder de- Kaiser- Ztne Unterredung mit dem englisches Deutschland.' In der zweiten Morgenstunde macht di« englische Flotte mobil. Rußlands Aufmarsch gegen Mitteleuropa hat aus dem österreichisch-serbischen Kon flikt einen europäischen Krieg gemacht, ver Schritt Eng lands an die Seite Frankreichs und Rußlands macht auS diesem europäischen Krieg einen Weltkrieg. Die EinkretsungSmaschinerie lief auf hohen Touren und die automatisch einsetzenden Bündnisverpflichtungen, besonders Englands, raubten die Handlungsfreiheit. Heute scheint England abermals sich in diese verhängnis volle Äüudnism>wmattk verwickeln zu wollen. Wieder zeigt sich das Bild wie vor 25 Jahren, daß die Methode der Einkreisung gegen Deutschland angewandt wird, daß Blankoschecks für die Bündnispartner ausgegeben werden, daß Generalstabsbesprechungen die Einkreisung auch im militärischen Sektor vollziehen, und daß die Politik der silbernen Kugeln die militärische Bereitschaft der briti schen Trabanten steigern soll. England hat aus der Ge schichte nichts gelernt. Aber eine Lücke hat die Rechnung John Bulls den noch: die Weltgeschichte ist in den letzten 25 Jahren weiter gegangen und es hat sich manches geändert. Vor allem ist. das Deutschland von 1939 ein anderes als das von 1914. Wir sind militärisch und wirtschaftlich stärker, und vor allem haben wir jene geistig-seelische Ein heit gewonnen, die uns damals fehlte und uns heute un überwindlich macht. Nicht zuletzt aber steht an der Spitze des Reiches heute nicht wie damals ein als Major ver kleideter Zivilist, sondern ein Soldat, der manchmal auch Zivil trägt. 80. Juli,achterTag: Dritter Telegrammwechsel zwischen Bettin und Petersburg. Die französische Regierung sichert der russi schen bedingungslose Unterstützung zu. Der Zar ist von der Petersburger Kriegspartei gezwungen worden, die Gesamtmobilmachung zu genehmigen, nachdem er sie tags- zuvor in eine Teilmobilmachung gegen Oesterreich- Ungarn umgewandelt hatte. Ein eigenhändiger Brief, den der Zar durch General Tatischew an Wilhelm II. schickt, wird von dem russischen Außenminister Safonow ab- geftmgen, der General an der Abreise verhiichert, und di« Verbindung nach Berlin kurzerhand abgeschmtten. 31. Juli,neun terTagr 11.40 Uhr: Amtliches Bekanntwerden der russischen Gesamtmobilmachung in Berlin. 12.23 Uhr: Allgemeine Mobilmachung in Oesterreich-Ungarn. 13 Uhr: Verhän gung des „Zustandes drohender Kriegsgefahr" in Deutsch land. In Frankreich Mobilmachung der fünf Grenzkorps, 21 Uhr: Ermordung des französischen Kommunisten führers Jaurös und Beschluß des französischen Minister rats, in den Krieg einzutreten. 24 Uhr nachts: ein auf zwölf Stunden befristetes Ultimatum Deutschlands an Rußland verlangt Einstellung der militärischen Maß nahmen. 1. August, zehnter Tag: Nach vierstündiger Beratung wird um 13 Uhr im französischen Ministerrat die Mobilmachung beschlossen. Die Frist des deutschen Ultimatums in Petersburg läuft ab, ohne daß Rußland eine Antwort gibt. t6.40 Uhr: Mobilmachung in Frankreich, 17 Uhr: Mobilmachung in Deutschland, 19 Uhr: Kriegserklärung'Deutschlands an Rußland, 23 Uhr: Wilhelm II. gibt den uneingeschränkten Aufmarsch an der Westfront frei. 2. August, elfter Tag: Der italienische Ministerrat beschließt Neutralität. 2.25 Uhr morgens wird die englische Flotte mobilgemacht. Um 11 Uhr wird im englischen Kabinettsrat der Krieg gegen Deutschland beschlössen. Die Türkei schließt ein Bündnis mit Deutschland, dem auch Oesterreich-Ungarn beitritt. 20 Uhr: Deutschland richtet ein Ultimatum an Belgien und ersucht um Genehmigung des Durchzuges deutscher Truppen innerhalb zwölf Stunden. Die Inte grität Belgiens wird zugcsichert. 3. August, zwölfter Tag: Am Vormittag des 3. August wird die Absendung der Kriegserklärung an Frankreich in Berlin beschlossen. Bel gien lehnt das deutsche Ersuchen ab. Um 18 Uhr erfolgt die Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich. 4. August, dreizehnter Tag: Einmarsch der deutschen Truppen in Belgien und Ab bruch der Beziehungen Belgiens zu Deutschland. 16 Uhr: Der englische Botschafter in Berlin legt Verwahrung gegen den deutschen Einmarsch in Belgien ein. Um 19 Uhr erfolgt ein Ultimatum Englands an Deutschland, in dem unter Kriegsdrohung bis 21 Uhr die Zusicherung ge fordert wird, daß Deutschland die Neutralität Belgiens achten werde. Um 21 Uhr tritt der Kriegszustand zwischen England und Deutschland in Kraft. * Diese Ereignisse, aus dem dramatischen Geschehen der letzten dreizehn Tage herausgenommen, sind eine einzige Anklage gegen die Alliierten, die den serbisch-österreichisch ungarischen Konflikt als lang ersehnte Gelegenheit zur Entsesselnng des Vernichtungskampfes gegen Deutschland und die Donaumonarchie ausnutzten und die Heere auf- marschieren ließen, während nach außen hin noch Ver mittlungsversuche unternommen und freundschaftliche Telegramme gewechselt wurden. Die Geschichte hat die infame Lüge von Deutschlands Schuld am Kriege wider legt. Die Wahrheit ist stärker. Deutschland wurde frei- gesprochen vor der Geschichte. Heute, 25 Jahre nach Ausbruch des Weltkrieges, er kennen wir, daß man mit denselben Mitteln wieder gegen Deutschland intrigiert. Aber wir sind wacht Ei« zweites Mal lassen wir «nS nicht überrumpeln. Und wir sind stark! Das mögen jene wissen, die da infame Spiel von 1914 zu wiederholen bemüht sind.*) *) Der Zusammenstellung der Ereignisse der entscheidende« 13 Tage liegt da» Buch: Deutschland freigesprocheni Bo« Kurt Jagow, Verlag Koehler, Leipzig 19ZZ, zugrunde