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Solistenvereinigung und Großer Chor des Berliner Rundfunks Berliner Rundfunk-Sinfonie-Orchester Mitwirkende: EMILIA PETRESCU, Sopran, SR Rumänien (Margarete) KAZIMIERZ PUSTELAK, Tenor, VR Polen (F oust) SIEGFRIED VOGEL, Baß, Berlin (Mephistopheles) HERBERT RÜSSLER, Baß, Berlin (Brander) Dirigent: Rolf Kleinert Hector Berlioz (zum 100. Todestag am 8. März 1969) Fausts Verdammung Dramatische Legende in vier Teilen op. 24 Hector Berlioz „FAUSTS VERDAMMUNG'* Dramatische Legende in vier Teilen Am 8. März 1969 feiert die gesamte musikalische Welt die 100. Wieder kehr des Todestages von Hector Berlioz. Auch unsere Aufführung seiner dramatischen Legende „Fausts Verdammung“ geschieht aus Anlaß dieses Gedenktages, gemäß der Maxime, daß man einen großen Komponisten immer am besten ehrt, wenn man seine Musik spielt. Gleichzeitig gilt es aber, unser überkommenes Bild von Hector Berlioz neu zu überprüfen und seine Stellung in unserer sozialistischen Musikkultur neu zu fixieren. Die folgende Charakteristik des Meisters stammt aus der Feder Romain Rollands und wurde 1904 geschrieben: „So paradox es klingt, kein Kom ponist ist so unbekannt wie Berlioz. Zwar glaubt ihn jeder zu kennen. Zwar umgibt ein hervorragender Ruf seine Person und Werk . .. Zwar werden seine vorzüglichsten Kompositionen ständig in den Konzerten aufgeführt, . . . ja, einige seiner Werke genießen die höchste Popularität. Sogar sein Gesicht ist volkstümlich geworden .. . Es ist so auffallend und eigenartig wie seine Musik, daß es scheinbar nur eines Blickes genügt, seinen letzten Sinn zu ergründen: Keine Mißverständnisse, keine ge heimnisvollen Tiefen, keine Wolken sind in dieser Seele und in dieser Musik ... aber nervöse Deutlichkeit und leidenschaftliche Genauigkeit ... Sie bedürfen keiner Erklärung, um verstanden zu werden ... Von Anfang an ist man ihr Freund oder Feind, und der erste Eindruck ist bleibend. Aber darin liegt gerade das Unglück, daß man ihn mit so wenig Anstren gung zu kennen glaubt. Für ihn wäre es besser, sich in einen Schleier zu hüllen; denn wenn er lange unverstanden bleiben soll, muß man, wenn man ihn verstehen will, sich wenigstens die Mühe geben, das Geheimnis seines Denkens zu ergründen.“ Damit ist bereits Wesentliches und Gültiges gesagt, zu ergänzen wäre lediglich, daß die von Rolland genannten Eigenschaften Berlioz’scher Musik auch zu den Vorzügen neuer Musik heute zählen oder zählen sollten. Berlioz selbst bezeichnete als Typisches seiner Musik den „leidenschaft lichen Ausdruck, innere Glut, rhythmische Energie und überraschende Wendungen“. Mit diesem Programm steht Berlioz in einer Reihe mit den großen französischen Dichtern seiner Zeit: Victor Hugo, Stendhal, Balzac, Gautier und Dumas. Berlioz Musik ist von ihrem Geist und Blut; ihnen ebenbürtig, weist sie in entscheidenden Phasen über den Zeitgeist hinaus in die Zukunft. Am 11. Dezember 1803 in der Dauphinee geboren, hat Berlioz in seinem 66 Jahre währenden Leben viel unter der drückenden Last katastrophaler wirtschaftlicher Verhältnisse leiden müssen, die kaum einen Künstler in der Zeit des aufstrebenden Kapitalismus erspart blieb. In Paris, wo er als Medizinstudent anfing, sich aber dann der Musik zuwandte, den