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Zur Einführung: Zu den sowjetischen Komponisten, die vor 1933 in Deutschland bekannt wurden, gehört vor allem Serge Prokofieff. Seine Kompositionen, Kammermusik, Orchesterwerke, die Oper ,,Die Liebe zu den drei Orangen", hatten Gastrecht bei uns, so wie er selbst einige Zeit in Deutschland ansässig war. Er wurde oft und qerne zusammen mit Strawinsky genannt, und in der Tat hat die Musik der beiden viel Verwandtes. Aber so wie der Lebensweg der Komponisten sich trennte, so schlug auch ihre Kompositionsweise eine verschiedene Richtung ein. Strawinsky, zuerst in Paris, dann in Amerika ansässig, blieb Kosmopolit, löste den Zusammenhang mit seinem Volk, Prokofieff, der sich ebenfalls in Frankreich und Amerika umgesehen hatte, kehrte in seine Heimat zurück, zu deren Ideologie er sich, etwa in seiner jüngsten Schöpfung, der Oper „Krieg und Frieden", nach Tolstoi, bekennt. So ist auch seine Musiksprache, bei aller kühnen Diktion, bei aller stürmischen Impulsivität, weit volkstümlicher als die Strawinskvs. Dies gilt auch für die Musik, die er zu einem Ballett „Romeo und Julia" schrieb. Daraus verpflanzte er drei Orchestersuiten in den Konzertsaal. Die erste besteht aus sieben Teilen, in denen uns Szenen aus der Geschichte um die beiden Liebenden, aber auch sie selbst in liebe voll gemalten Porträts entgegentreten. Ihre Liebe zueinander wird im ersten Sat^^^ ir. ergreifend schwermütiger und schwärmerischer Weise geschildert, mit Harfei^^P akkorden und vielfach geteilten Streichern, die ihre ganze Süße entfalten. Als eji^^ Meister des Zeitkolorits mit neuartigen Mitteln erweist sich Prokofieff in den Sätzen „Madrigal" und „Menuett". Seine Kunst einprägsamer Melodik formt das den „Volks tümlichen Tanz" beherrschende, zuerst von den Oboen und Englischhorn angestimmte Thema und das die „Szene" charakterisierende Fagottthema. Das Schlußstück aber er innert in seiner erregenden Dramatik an jene Szene des Dramas, in der Tybalt, der eben Romeos Freund Mercutio erschlagen hat, von der Hand Romeos fällt der versteinert dasteht und schließlich in die Worte ausbricht: „Weh mir, ich Narr des Glücks!" Zum erstenmal erklingt nun in Dresden ein Werk von. Benjamin Britten, dem bedeutendsten englischen zeitgenössischen Komponisten. Er wurde am 22. November 1913 in Lowestoft in Mittelengland geboren, wurde mit 12 Jahren Schüler von Frank Bridge und trat zum erstenmal im Jahre 1934 auf dem Musikfest der „Internationalen Gesellschaft für neue Musik" in Florenz in den Blickpunkt des Interesses. 1940 beendete er seine „Sinfonia da Requiem", geschrieben als Totenopfer für seine Eltern; sie gilt als das erste Werk, in dem er seine eigene Sprache gefunden hat. In den Jahren 1945 und 1946 schrieb er die Oper „Peter Grimes“, die im August 1946 in Boston uraufgeführt wurde, dann in London großen Erfolg hatte und auch in Deutschland schon mehreren- orls erklungen ist. Seitdem steht Britten in der vordersten Reihe der lebenden Kom ponisten. Seinen Stil zu charakterisieren, ist mir aus eigener Anschauung nicht möglich; auch die Nöten seines Violinkonzertes liegen bis zu der Stunde, da diese Einführung ge schrieben werden muß, noch nicht vor. (Das gleiche gilt auch von dem Violinkonzert von A. Grenz, einem jungen deutschen Komponisten, der bei Hindemith studiert hat.) Nachgerühmt wird ihm die originelle Art, mit der er die Probleme anpackt; so hat er seine neueste Oper ..Der Raub der Lukretia" als Choroper angelegt und für sie ein Orchester von nur zwölf Instrumenten vorgesehen. Es wird mit dem Chor, der nur. aus Sopranen und Tenören besteht, zu eigenartigen Klangwirkungen verschmolz Auch in seinen Instrumentalwerken geht Britten eigene Wege. Unter Robert Schumanns Sinfonien ist besonders die vierte, die in d-moll, ver hältnismäßig oft in unsern Konzertsälen zu hören. Verhältnismäßig, sage ich, denn nicht mit den. Beethovenschen und den Schubertschen, ja nicht einmal mit den Sinfonien von Brahms und Bruckner können sich die SchumannSchen an Beliebtheit messen. Dabei war schon seine erste, die B-dur-Sinfonie, ein Werk, das recht gewichtig daherkam und sich würdig in die Reihe seiner Vorgänger stellte. Seine „Frühlingssinfonie" hat sie Schumann genannt, als Motto schwebt über ihr die Zede aus einem Gedicht Adolf Böttigers- „Im Tale zieht der Frühling auf". Als Motto in der langsamen Einleitung vorangestellt, hat es zunächst noch etwas von winterlicher Strenge, bald aber lichtet sich das Bild auf und bleibt hell und freundlich bis zum Schluß, wenn auch gelegentlich, wie etwa in dem energisch gerafften Hauptteil des Scherzos, Schatten darüber hinweggehen. Wie um das gutzumachen, stellt ihm Schumann, damit von der gewohnten Form abweichend, zwei Trios gegenüber, die ganz auf den Frühlingston des Werkes eingestellt sind. Dr. Karl L a u x