Volltext Seite (XML)
-fteitftg, den 16. Jum-1967, 20 Uhr, Bautzen— Sonntag, den 18. Juni 1967, 20 Uhr, Dresden SONDERKONZERT DER DRESDNER PHILHARMONIE im Rahmen der 9. Arbeiterfestspiele 16. bis 18. Juni 1967 im Bezirk Dresden Dirigent: Kurt Masur Solist: Gustav Schmahl, Berlin, Violine Karl-Rudi Griesbach Sinfonie 1967 geb. 1916 Allegro risoluto alla marcia di revoluzione Largo funebre Presto impetuoso Ura u ff üh r u n g Dmitri Schostakowitsch geb. 1906 Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 99 Adagio (Notturno) Allegro Andante Finale (Allegro con brio) PAUSE Peter Tschaikowski 1840-1893 Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Andante sostenuto - Moderato con anima Andantino in modo di canzona Scherzo (Allegro) Finale (Allegro con fuoco) KURT MASUR, von der Spielzeit 1967/68 ab Künstlerischer Leiter und Chefdirigent der Dresdner Philharmonie, wurde 1927 in Krieg (Schlesien) geboren. Sein Musikstudium begann er an der damaligen Landesmusikhochschule Breslau und schloß es 1946 bis 1948 an der Hochschule für Musik in Leipzig ab, u. a. bei den Professoren H. Bongartz und K. Soldan (Dirigieren). Als Solorepetitor und Kapell meister ging er zunächst an das Landestheater Halle, 1951 als erster Kapellmeister an die Städtischen Bühnen Erfurt und 1953 an die Städtischen Theater Leipzig. 1955 bis 1958 wat er als Dirigent an der Dresdner Philharmonie tätig und wurde darauf als Generalmusikdi rektor und musikalischer Oberleiter an das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin beru fen. 1960 bis 1964 wirkte er als Chefdirigent an der Komischen Oper Berlin, der er auch noch als Gastdirigent neben seiner freiberuf lichen Dirigententätigkeit verbunden blieb. Kurt Masur gastierte bisher u. a. mehrfach in Polen, Finnland, in der Sowjetunion, in Bel gien, Ungarn, in der CSSR (so d reimal zum ..Prager Frühling“), in Bulgarien, Rumänien und - in jüngster Zeit - in Italien. Im Rah men dieser Gastspiele dirigierte er führende Klangkörper der genannten Länder, wie zum Beispiel die Moskauer und Leningrader Phil harmonie, die Warschauer und Budapester Philharmonie, das Orchcstre National de Bcl- gique, das Moskauer Rundfunkorchester, die Slowakische Philharmonie und viele andere mehr. Ferner machte er zahlreiche Rundfunk aufnahmen, darunter sechs Opern-Gesamtauf- nahmen und etwa einhundert sinfonische Werke. ZUR EINFÜHRUN Karl-Rudi Griesbach. 1916 in Breckerfeld (Westfalen) geboren, studierte Komposition an der Kölner Musikhochschule bei Philipp Jarnach. Seine praktische musikalische Tätigkeit begann er während der Gefangenschaft im zweiten Weltkrieg (1944) als Leiter eines Orchesters und einer Theatergruppe in Tscheljabinsk. 1950 siedelte er, von Hamburg kommend, in die DDR über. Jahrelang wirkte er als Musik- und Thea terkritiker sowie als Dramaturg in Dresden und Berlin und ist jetzt als freischaffen der Komponist sowie als Dozent für Theorie und Komposition an der Musikhoch schule „Carl Maria von Weber“ in Dresden tätig. Von Bedeutung für die stilisti sche Entwicklung seines kompositorischen Schaffens war u. a. die Berührung und Aus einandersetzung mit dem theoretischen Werk Paul Hindemiths, mit dem deutschen und russischen Volkslied sowie mit dem Oeuvre führender sowjetischer Komponisten. Karl-Rudi Griesbach erstrebt eine prägnante Motiv- und Thcmenbildung in seiner Tonsprachc, polyphone Kontrastierung und Konzentration. Vor allem auf dem Ge biet des Musiktheaters (u. a. mit „Kolumbus“, „Die Weibermühle“, „Marike Weiden“, „Der Schwarze, der Weiße und die Frau“), aber auch mit verschiedenen oratorischen, kammermusikalischen und sinfonischen Werken (u. a. mit der „Afrikanischen Sinfonie“) war der Komponist, der mit dem Literaturpreis der DDR und dem Dresdner Martin- Andersen-Nexö-Kunstprcis ausgezeichnet wurde, bisher erfolgreich. Über seine neueste Komposition, die heute zur Uraufführung gelangende Sinfonie 7967, schreibt Karl-Rudi Griesbach: „Umriß und Form der Sinfonie haben sich im Laufe der Zeit gewandelt - zu ihrer Gestalt gehören heute nicht mehr unbedingt respek table Länge und klassischer Sonatensatz -, aber Inhaltswert und Aussagebedeutung sind sich gleich geblieben; denn auch heute steht der große Gegenstand im Mittel punkt sinfonischer Darstellung. Auch meine im Auftrage des Bundesvorstandes des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes komponierte Sinfonie 1967 sucht diesen großen Gegenstand künstlerisch zu gestalten, indem sic im inhaltlichen Aufbau von dem Gedenken an die Große Sozialistische Oktoberrevolution ausgeht, die der Menschheit eine neue Gcscllschaftscpoche eröffnet hat. Dabei lag cs nahe, sich in den drei Sätzen der Sinfonie auf inhaltliche Komplexe wie „Revolutionärer Aufbruch“, „Trauer um die Toten“ und „Neues befreites Leben“ zu beziehen. So gegensätzlich sich diese Inhalte in der Sinfonie musikalisch auch darstellcn, so sind sie — ausgehend von der übergeordneten Grundidee - doch durch die Einheitlichkeit motivischer Ausgangs punkte gebunden. Der einteilige erste Satz (Allegro risoluto) wird von einem, von Trommeln geschla genen Marschrhythmus getragen, auf dem sich - wie ein Fanal - Teile einer aggres siven, aufwärtsstrebenden Quintmotivik erheben, die mit einer abwärts gerichteten, mehr gesanglich empfundenen Quartmelodik in Kontrast gestellt sind. Der dreiteilige zweite Satz (Largo funebre) läßt andeutungsweise Fragmente aus dem Lied „Unsterbliche Opfer“ anklingen, die sich in der Folge von einem mclodiccr- füllten Streichersatz abheben und im Mittelteil - vor der verkürzten und veränderten Wiederholung des Anfangsteils - zu einer Art Trauermarsch verdichten. Im zweiteiligen dritten Satz (Presto impetuoso) stehen sich vitale, asymmetrische Rhythmen (die fugenartig kontrapunktiert werden) und durch wuchtige Schläge unter brochene, marschartige Melodieteile mehrmals gegenüber, ehe sic sich in letzter Stei gerung vereinigen und den Satz zu einem kraftvollen Abschluß bringen“. Dmitri Schostakowitsch ist heute unbestreitbar der bedeutendste und eigenwilligste sowjetische Komponist. Darüber hinaus zählt er zu den profiliertesten, führenden Persönlichkeiten der internationalen Gegenwartsmusik. Von dem großen Meister der Sinfonie liegen bis jetzt dreizehn Belege aus diesem Schafferisgebict vor, überragende Dokumente zeitgenössischer Sinfonik. Außerdem finden sich in seinem Oeuvre Bei träge zu fast jeder musikalischen Gattung. Neben seinen Sinfonien stellt das heute er klingende Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 99 eine seiner hervorragend sten Schöpfungen dar. Im Jahre 1948 erstmalig konzipiert, 1955 schließlich voll endet, widmete Schostakowitsch sein ungemein dramatisches, konfliktgcladcnes Vio linkonzert dem berühmtesten sowjetischen Geiger: David Oistrach, der cs auch er folgreich urauf führte. Oistrach, der wohl beste Kenner dieses Werkes, veröffentlichte in Heft 7, Jahrgang 1956, der Fachzeitschrift „Sowjetskaja Musyka“ eine Besprechung, die an dieser Stelle als Einführung zitiert sei: „Strenge Verhaltenheit der Gefühle charakterisiert den ersten Satz (Adagio), der den Untertitel ,Notturno' trägt. Er entwickelt sich in breitem melodischen Fluß, in ruhiger Bewegung. Hier gibt cs keine kontrastierenden Themen. Haupt- und Seitenthema er gänzen einander. Ein lyrischer, schwermütiger Charakter sowie die Gemeinsamkeit der rhythmischen Bewegung verbindet sie. Adel und Herzenswärme atmet das Haupt thema. Edlen, liedhaften Charakter hat die Melodie des Scitcnthcmas. Der von dra matischer Spannung erfüllte Satz verläuft allmählich abgeklärter, ruhiger. Innerhalb des Konzerts erscheint er wie ein selbständiger Prolog. Der zweite Satz (Allegro) hat den Charakter eines Scherzos. Die heftige, drängende Dynamik, die komplizierte polyphone Anlage (eine Fuge im Mittelpunkt der Durch führung), die farbenprächtige Instrumentierung - das alles ist sehr eindrucksvoll. Die Musik ist stürmisch, ungestüm, sic hat etwas Dämonisches. Das polyphone Gewebe ist mit großartigem Können geflochten, zugleich subtil in der Instrumentierung. Die mittlere Episode des Scherzos ist ein grotesk anmutender Tanz volkstümlichen Geprä ges, von eigentümlichem Humor und feiner Ironie. Der dritte Satz ist eine Passacaglia (Andante) voller Adel, Schönheit und Gefühls wärme. Aus ihrem majestätischen Schreiten spricht aber auch Leid und Nachdenklich keit. Das ausdrucksstarke Thema der Passacaglia wird zu Anfang von Streichern, Pauken und Horn ausgeführt. Die bedeutsamen Pausen geben seinem stolzen und gebieterischen Charakter ausgeprägte Konturen. In der weiteren Entwicklung schichten sich immer