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Zschopauer Tageblatt and Anzeiger Montag, de» 19. Dezember 193k Nr. 28S MH M Fer« Der Lleberfall -es Winiers Scharfer Frost, besonders im Osten . Der Winter, der so lange hat aus sich warten lassen, hat uns dafür mit um so grimmiger Külte überfallen. Ueber Wochenende herrscht fast im ganzen Reich eine schneidende Külte, die durch den scharfen Wind noch emp findlicher wurde. Am tiefsten war, wie so oft, daS Ther mometer wohl wieder in Schlesien abgerutscht. Dort wurden in den Kammlagen der Gebirge am Wochenende bis z» 21 Grad Külte gemessen. In der Ebene zeigte das Thermometer ans 14 Grad unter Null. Im ganzen ist überhaupt der Osten des Reiches besonders von der Kälte überrascht worden. In Pom mern wurden 12 Grad ausgezeichnet, in Königsberg (Ostpreußen« 15 Grad und in der Provinz sogar 22 Grad. Die Folge dieses harten Frostes ist eine starke Ver eisung, durch die die Schiffahrt behindert wird. Der l Hasen von Königsberg wurde schon von dicken Eisschollen > blockiert, und ebenso haben sich vor der Ausfahrt zur See in Pillan die Eisschollen zusammengeschoben. So mußten Eisbrecher eingesetzt werden, um die Fahrrinne freizuhaltrn. In den Höhenlagen der sudrtendeutschen Ge birge wurden 15 Grad und mehr gemessen, auf dem Brocken sogar über 18 Grad. Wien meldete am Wochenende eine Kälte von 10 Grad. Nach Westen hin nahmen die Kältegrade ab, und der Nhnn meldete nur 5 Grad unter Null. In Süddeutschland aber und in Hannover zeigte das Thermometer 10 Grad Kälte an. Die Kältewelle in Sachsen Der Goldene Sonntag in Sachsen war gar nicht so recht dazu angetan, in Ruhe und wohlgelaunt Einkäufe für das Weihnachtsfest zu tätigen. Grimmige Kälte, verbunden mit eisigem Wind, ließ förmlich alles Leben erstarren. In Dresden wurden Sonntag früh 14 Grad Kälte gemessen, nachdem die tiefste Nachttemperatur 15 Zj Grad betragen hatte. Der Fichtelberg meldete 22 Grad, Altenberg 20 Grad, Anna berg 10 Grad. Die strenge Kälte dürfte vorerst noch anhalten. Bei der Reichsbahn machten sich im Personenverkehr unver meidliche Verspätungen bemerkbar. Ab und zu wurden die Fern meldeleitungen der Reichsbahn in Mitleidenschaft gezogen, doch konnte im übrigen der Verkehr reibungslos durchgeführt werden. 2S (Sra- Kalle in Wilna Sehr hart ist die Kälte in Polen aufgetreten. In Warschau jvuk das Quecksilber auf 15 Grad unter Null in den Außenbezirken sogar auf 18 Grad. In den Straßen wurden Koksöfen ausgestellt, an denen sich di; Menschen zu dichten Gruppen drängten. Die Schule schloß ihre Pforten. Wilna schoß den Vogel ab.mit 28 Grad Kälte. 33 Grad Kälte in Polen Der starke Frost, der jetzt in Nordostpolen bis 33 Grad erreicht, hat überall im Lande erhebliche Schäden verursacht F'e. Zuge kommen meist mit großen Verspätungen an. Das Elektrizitätswerk m Wilna wurde durch die Kälte für mehrere Stunden stillgelegt. 2n Wilna, Warschau, Lodz und anderen Städten trugen zahlreiche. Personen schwere und zum Teil töd liche Erfrierungen davon. Auch Norüttalien von -er Kältewelle erfaßt Di? Ausläufer der Kältewelle, die sich von Osten her über Mitteleuropa ergießt, machen sich nun auch inNord- Italien bemerkbar. So sank das Quecksilber in Mai- land unter den Rullstrich. In Udine wurden 5 Grad Kälte gemessen, in Tarvis zeigte das Thermometer 7 Grad Kalte, und aus den Alpentälrrn Friauls werden sogar 15 Grad unter Null gemeldet. — In Udine starb ein Mann infolge des plötzlichen Kälteeinbrnchs. In Triest zeigte das Thermometer innerhalb von 24 Stunden einen Teni- perasursturz von plns 20 auf minus 5 Grad an^ während ein Sturm von 60 Stundenkilometer Geschwindigkeit Uber die Stadt Hinwegfegle. Oie pariser frieren Die aus Osten kommende Kältewelle hat auch Frankreich erreicht. Abgesehen von der französischen Riviera, an drr bei durchschnittlich 11 bis 12 Grad über Null auch zu dieser Jahreszeit noch das übliche Frühlings wetter herrscht, werden aus allen Teilen des Landes Tem peraturen von 5 bis 10 Grad unter Null gemeldet. Die am Sonntag gewöhnlich überfüllten Vorortzüge, di? sonst hnnderttansende Pariser Ausflügler in die Umgebung bringen, waren fast leer. Die Pariser hatten es offensicht lich vorgezogen, in ihren Wohnungen zu bleiben, denn sechs Grad unter Null ist eine in Paris nicht nur unge wohnte, sondern auch wenig begrüßte Naturerscheinung. Zwei Gisenbahnunfalle Drei Tote und mehrere Verletzte In Wurzmes (Linie Komotau—Brür) fuhr ein Durch- gangsgülerzua aus einen anderen Güterzug auf. Der Pack wagen des Durchgangsgitterzuges wurde zertrümmert, zwei weitere Wagen entgleisten. Der Zugführer erlitt schwere Verletzungen, ein Zugschaffner wurde getötet. Im Bahnhof Heid!ngsseld-Ost fuhr nachts deni durchfahrenden Schnellzug München—Hambutg eine Abteilung eines Äahgütcrzuges aus dem Landegcleis heraus iu die Flanke. Ter Schnellzug entgleiste und beide Maschinen stürz ten um. Einige Wagen des Gitterzuges wurden zertrümmert Der Führer und der Heizer der Güterzuglokomotive verunglückten tödlich. Drei Reisende des Schnellzuges wurden leicht verletzt. Bunzlauer Finanzamt uledergevrannt In der Nacht brach im Bunzlauer Finanzamt ein Feuer aus, das erst gegen Morgen entdeckt wurde, als bereits der Dachboden in Flammen stand. Die Lölcharbeiten gestalteten sich bei 15 Grad Kälte äußerst schwierig. Das Wasser gefror in den Schläuchen, und es mußte immer wieder warmes Wasser zum Auftauen herangeholt werden. Obwohl die Feuerwehr den Brand aus zahlreichen Schlauchleitungen bekämpfte, konnte sie das Niederbrennen des Gebäudes nicht verhindern. Ein Feuer wehrmann wyrde mit Rauchvergiftungen ins Krankenhaus gebracht. Die Ermittlungen über die Entstchungsursache des Brandes sind eingeleitet. Schnelle Justiz. Am 6. Dezember war gegen den 35 Jahre alten Karl Schülke aus Hamburg von der Strafkammer des Landgerichts Ulm in einem Verfahren nachträglich di» Sicherungsverwahrung ungeordnet worden Auf dem Trans port von Ulm ins Zuchthaus Halle Schülke einen Fluchtversuch unternommen, bei dem er zwei Gendarmeriewachtmeister an gefallen und zu töten versucht Hane. Der Fluchtversuch war jedoch mißlungen. Das Sondergcrichl in Stuttgart verurteilte nunmehr Schülke wegen Nechtsfriedensbruch in Tateinheit mit einem Verbrechen des versuchten Totschlags und einem Ver brechen des Widerstandes zum Tove und erkannte ihm die bürgerlichen Ehrenrechte aut Lebeuszett ab Unfall des Präsidenten der Reichsgetreidcstelle. Der Prä sident der Neichsgetreidestelle, Daßler, ist beim Verlassen der Wohnung des tschecho-slowakischen Landwirtschaftsministers Feierabend in Prag so unglücklich gestürzt, daß er sich den Unterschenkelknochen zweimal gebrochen hat. Sägewerk nledergebrannt. DaS Sägewerk der Waggon fabrik Steinfurt in Königsberg wurde durch Großfeuer zerstört. Der starke Frost und scharfer Wind erschwerten die Löscharbeiten außerordentlich. Auf den Mänteln der »Feuer wehrmänner bildete sich sofort Eis. Der Boden um die Brand stelle war mit einer Glatteisschicht bedeckt, auch die Schläuche waren stark vereist. Bauernhaus eingestürzt — zwei Kinder getötet. In Sa li z z o l e bei Verona stürzte ein Bauernhaus ein und begrub die vielköpfige Baucrnfamilie umer den Trümmern. Der Bauer und seine Ehefrau konnten unverletzt geborgen werden, da sie durch einen Balken vor den nachstürzenden Schnttmassen geschützt worden waren. Die beiden Kinder des Ehepaares wurden jedoch als Leichen aufgcmnden. Acht Zentner schwerer Gcldschrank geraubt. In Esearöuc? In der Nähe von Nizza drangen nachts Einbrecher in das Büro des dortigen Steuerbeamien ein Ter achl Zentner schwere Kasseuschraut mil etwa 130 MO Francs Inhalt wurde im Auw mitgenommen. Die Polizei Hai bisher keinerlei Spur entdeckt Aus Gachssns GerrchLssülsn Zuhälter wanderte in» Zuchthaus Der 27 Jahre alte Richard Minderlein war nach Verbü ßung seiner letzten Strafe kaum aus der Strafanstalt entlassen, als er wiederum wegen Zuhälterei straffällig wurde. Minder- lein ließ, obgleich er ein großer starker Mensch ist, der sich von feiner Hände Arbeit hätte ernähren können, sich von den Gel dern, die aus unsittlichem Gewerbe stammten, unterhalten. Dies mal fiel die Strafe hart aus. Das Landgericht Chemnitz verur teilte ihn zu einem Jahr sechs Monaten Zuchthaus, außerdem wurde die Polizeiaufsicht für zulässig erklärt. Sieben Jahre Zuchthaus für einen Staatsfeind Der jetzt 38 Jahre Willi Uhlig aus Niederwürschnitz gehörte seit dem Jahre 1020 bis zu dessen Auflösung dem kommunistischen Verein zur Kkeinhaltung der Familien Deutschlands an und betätigte sich auch nach der nationalen Erhebung an dessen den bevölkerungspolitischen Zielen der nationalsozialistischen Regie rung schroff entgegengesetzten Bestrebungen. Obgleich dem Uhlig bereits 1034 wegen gewerbsmäßiger Abtreibung eine Zucht hausstrafe zudiktiert worden war, ließ er sich durch den strengen Strafvollzug nicht davon abhalten, im Jahre 1038 nochmals zwei verbotene Eingriffe gegen das keimende Leben vorzuneh men. Der unverbesserliche Volksschädling wurde vom Chemnitzer Schwurgericht daher wegen gewerbsmäßiger Abtreibung in zwei Fällen zu sieben Jahren Zuchthaus und wegen der bewiesenen Ehrlosigkeit zu zehn Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Dieses Urteil ist jetzt rechtskräftig geworden, da das vom Angeklagten angerusene Reichsgericht feine Revision als offensichtlich unbe gründet verworfen hat. So dachten sie sich die Vorweihnachtswoche nicht! Drei Dresdner Einwohner wurden mit je acht Tagen Haft bestraft, weil sie in betrunkenem Zustand auf der Straße umher getorkelt waren und den Verkehr erheblich behindert und gefähr det hatten. Die Bestraften, die ihre Strafe sofort antreten muß ten, hatten sich die Vorweibnachtswoche sicher anders aedaciu! Dienstag, den 20. Dezember. Deutschlandsender. 6.10 Eine kleine Melodie. 6.30 Kon zert. 7.M) Nachrichten. 10.00 Es wcihnachtet auf den Ber gen. 10.30 Fröhlicher Kindergarten. 11.30 Dreißig bunte Minuten. 12.00 Konzert. 13.45 Nachrichten. 14.00 Allerlei, von Zwei bis Drei. 15.00 Wetter, Markt, Börse. 15.15 Ans allen deutschen Gauen. Volkslicdfolge. 16.00 Musik am Nachmittag. 17.00 Wunder übcrm Niemandsland. 18.00 Junge Dichtung auf dem Büchermarkt. 18.15 Violine und Klavier. 18.40 Deutschlands wissenschaftlicher Anteil an der Auswertung Abessiniens. 18.55 Die Ahnentafel. 19.00 Teutschlanöecho. 19.15 Musikalische Eisblumen. 20.00 Nach richten. Wetter. 20.10 Die Berliner Philharmoniker spie len. 22.00 Tages-, Wetter- und Sportnachrichten. Deutsch landecho. 22.30 Eine kleine Nachtmusik. 23.00 Baruabas von Gcczy spielt. Leipzig. 6.10 Gymnastik. 6.30 Konzert. 7.00 Nachrich ten, Wetter, Nachrichten. 8.00 Gymnastik. 8.20 Kleine Musik. 8.30 Konzert. 10.00 Wintersonnenwcndfeier. 10.30 Wetter. 11.35 Heute vor ... Jahren. 11.40 Vom tätigen Leben. 11.55 Wetter. 12.00 Konzert. 13.00 Nachrichten, Wet ter. 14.00 Nachrichten, Börse. Musik nach Tisch. 15.05 Isolde Kurz. 15.25 Vor Müttern neigen sich Himmel und Stern. 15.40 Bücher für den Musikfreund. 16.00 Nachmittagskon- zcrt. 17.00 Wetter, Wirtschaftsnachrichten, Marktbericht. 18.00 Nun zündet die heimlichen Kerzen an. 18.30 Dreißig Minuten Mark Twain. 19.00 Winterflocken. 19.50 Umschau am Abend. 20.00 Nachrichten. 20.10 Bunte Lichter über dem Weihnachtsmarkt. 22.00 Nachrichten, Wetter, Sport. 22.20 Schenken bringt Freude. 22.35 Unterhaltung und Tanz. 24.00 Nachtkonzcrt. MDcmklW eines MgenNanneMW von t4E1Sü L0tE80k!»Ä Lopyrigüt 1-38 d, ^ulscsrts-Vorlsg, kerllo 8V7 bS 21. Fortsetzung. „Wissen Sie - einmal, ein einziges Mal — möchte ich wohl einmal mit meiner Hand über ihre Locken streichen." Er lachte, daß seine Weitzen, ein wenig allzu grotzen Zähne blitzten. Dabei vermied er, sie anzusehen. „Darf ich?" „Ich habe nichts dagegen.* Sie stand auf, trat einen Schritt nässer. WaS sie vor hatte, erschien ihr mit einem Male als ein ungeheuer« liches Unterfangen. Sie fühlte sich rot werden, ihre Knie zitterten Jetzt sah er aus, sah sie verwundert an, das machte sie noch verwirrter. „Es geht doch wohl nicht*, sagte sie schüchtern. „Sie müssen das wissen.* Und mt» einem Male verließ sie die Selbstbeherrschung. Sie kniete neben ihm nieder und zog seinen Kops zu sich herab. „Du, du, du...*, sagte sie, trunken vor Verliebtheit, und küßte, küßte, küßte ihn. Das schmale, harte Gesicht m!« dem eckigen Kinn und der kurzen, breiten, dennoch klassischen Nase. Den Grtechenmund. Die Stirn. Lieb koste, eine harmlose Bacchantin, das goldige, Wohl- pomadisierte und frisierte Lockenhaar aus seiner gestriegel ten Vorschriftsmäßigkeit. „Du, du, du...' Plötzlich ließ sie ihn los, sprang auf. Es wurde ihr mit einem Male klar, datz er ihre heißen Zärtlichkeiten unerwidert ließ. „Oh*, sagte sie erschrocken, „Verzeihung. Das war Wohl nicht gerade richtig.* Gceringcr überlegte noch, was er sagen solle, als sie schon in Helle Tränen ausbracki. Sie ärgerte sich maßlos. Nicht über sich. Golt, sie wollte doch lhr bißchen Verliebtheit auch genießen. Aber übzr ihn! Es war frech, einfach frech von ihm, ihre Glut so unerwidert zu lassen. War sie etwa häßlich? Hatte er eine andere? Dann hätte er daS sagen müssen. Unritterlich und ungerechtfertigt fand sie sein Ver halten. „Gnädiges Fräulein*, begann er pedantisch. Auch das noch! So hatte er sie schon lange nicht mehr genannt. „Ach was*, sagte sie ärgerlich. „Ich möchte nur feststellen, daß ich...' „Daß Sie nicht geküßt haben. Natürlich. Sie Unschulds engel Sie. Wenn ich nur gewußt hätte, daß Sie so.., so...* „Sie werden mir auS meinem korrekten Verhalten keinen Vorwurs machen wollen.* „Nein, nein, Gott bewahre, Sie Tugendspiegel.* „Unschuldsengel ... Tugendspiegel... Ich Weitz gar nicht, was St» mir mit diesen Schimpswörtern sagen wollen.* „Ach...« -Ja...' „Das sind doch keine Schimpfwörter.* „Aber Sie sprechen sie in beleidigendem Sinne 'ünd mit beleidigendem Ton.* -Ach..-* . . „Wenn Sie sich vergessen, ist es doppelt mein« Pflicht, für uns beide Haltung zu wahren...* „Wenn man so allein ist...' „Die Ehre der Frau, die meinen Ramen tragen wird, steht mir hoch.' „Wie langweilig...', entfuhr es ihr, noch voll In grimm — und doch unter dieser Perspektive bereits be sänftigt. „Langweilig ist nun wieder ein unsachlicher Ausdruck." " Constanze nahm das Taschentuch von den Augen und sah ihn an. Tausend Kobolde zuckten auf ihrem reizenden Gesicht. Datz er im Ernst so reden konnte, kam ihr gar nicht in den Sinn. Sie glaubte zu verstehen, daß er scherze, und warum er so scherze. „Was wäre denn hier sachlich richtig?' fragte sie — und hoffte, nun werde er endlich das Empfangene reich lich oder doch wenigstens ehrlich zurückerstatten. Gecringer stand auf. „Es ist hier nicht der Ort, weiter zu verhandeln. Ihr Gefiihlsausbruch hat mir deutlich gezeigt, was ich bereits ahnte, ohne es klar zu wissen. Ich werde die Konsequenzen daraus ziehen. Aber, liebes gnädiges Fräulein, nicht hier, nicht unter diesen Umständen. Wer so frei ist vom Urteil der Menschen wie ich. der gerade wird sich in gewissen Fällen vor ihm beugen. Man soll nicht sagen können, daß wir ... daß unS... daß nicht alle Grenzen eingehalten wurden. Gestatten Sie, datz ich mich empfehle. Ich nehme die Vorortbahn. Der Wagen bleibt zu Ihrer Verfügung.' Constanze fühlte sich, als ob sie moralisch verprügelt worden fei. Sie fühlte sich in die Rolle einer großen Sünderin ge drängt, wozu weder Anlaß, noch ihrerseits Neigung vor handen war. Aber ihr« gute Erziehung gab ihm andererseits wieder recht. Beschämt, verwirrt, gedemütigt, doch voller Groll auf den ungeschickten Partner ihre- Neinen Abenteuers suhr sie zurück. Ihr Zimmer in der Pension war mollig durchwärmt, eine große Stehlampe neben einem niedrigen Marmor tischchen machte es traulich und heimischer, als Pensions zimmer sonst zu sein pflegen. Vom Gesims herab blinzelte die Buddhastatue. Tie hatte nichts Unheimliches und nichts Fremdes mehr für Constanze. Sie war eine Zu flucht, ein Freund. „Sag du', meinte sie und stellte sich vor sie. „Ist das nun so arg. Hab' ich mich.blamiert? Mutz ich nun in Sack und Asche gehen und die büßende Magdalena spielen? Ist er nicht vielmehr etwas blöd? Ist denn das eine große Sache: sich einmal herzhaft abküssen, wenn man jung ist - und keiner gebunden. Ach, so eftr dummer, dummer Mensch, nicht wahr, dn?' Der Bnddüa lächelte, geruhig und überlegen. „Ja, du hast recht! Lächeln, lächeln und verachten. Allerdings, Buddha, du bist aus Stein — und ich, wahr haftig, ich bin aus Fleisch und Blut." Am dritten Tag war Frau Studienrat Niemann ans Karlsruhe eingetroffen. „Tante, du?' „Komm, Klelnes, sag mal, also du vlg veruevl?- „Gott, Tante. Deshalb machst du die weite Reise?' „Lies nur einmal!' Ja, da hatte also dieser wunderliche Mensch, altmodisch wie ein Achtzigjähriger, erst nmständlich und nmwcgtg an die Pslcgeeltcrn geschrieben; einen netten, diskreten, liebenswürdigen Bries. Das mußte man sagen. An dem bewußten Abend abgesaßt!