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6. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Festsaal des Kulturpalastes Dresden Mittwoch, den 6. Februar 1980, 20.00 Uhr Donnerstag, den 7. Februar 1980, 20.00 Uhr ohilheirnooniiö Dirigent: Aldo Ceccato, Italien Solist: Peter Rösel, Dresden, Klavier Goffredo Petrassi geb. 1904 La Follia di Orlando (Der Wahnsinn des Orlando) — Sinfonische Ballettsuite Angelica — Angelica und Medoro — Tanz des Astolfo — Kriegerischer Tanz DDR-Erstaufführung Ludwig van Beethoven 1770-1827 Konzert für Klavier und Orchester Nr. 4 G-Dur op. 53 Allegro moderato Andante con moto Rondo (Vivace) PAUSE Johannes Brahms 1833-1897 Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68 Un poco sostenuto — Allegro Andante sostenuto Un poco allegretto e grazioso Adagio — Allegro non troppo, ma con brio Der italienische Maestro ALDO CECCATO ist ein be deutender Vertreter der jüngeren Dirigenten-Genera- tion und als Konzert- wie als Operndirigent auf der internationalen Musik-Szene sehr geschätzt. Seit meh reren Jahren als Musikdirektor des Detroit Symphony Orchestra tätig, wurde er 1975 auch zum Generalmu sikdirektor und Chefdirigenten des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg ernannt. Er gastiert stän dig bei vielen namhaften Orchestern in Europa, zum Beispiel in Berlin (West), Wien, Madrid, Mailand, Rom und Paris; in den USA: New York, Cleveland, Philadelphia, San Francisco; dirigiert die Londoner Philharmoniker sowie wiederholt zu den GJ^^ebourne Festspielen andere englische Orchester NHK-Orchester Tokio. Der jetzt 42jährige Ki^mler wurde in Mailand geboren, studierte am Verdi-Konservatorium seiner Heimatstadt und vervoll kommnete seine Ausbildung in den Niederlanden bei Albert Wolff und in Berlin bei Sergiu Celibidache, des sen Assistent er später wurde. Zu Beginn seiner Lauf bahn gab er auch Konzerte als Pianist. Seine interna tionale Dirigenten-Karriere entwickelte sich aus seinen überaus erfolgreichen Debüts an der Covent Garden Opera London mit „La Traviata" 1970 und bei den New Yorker Philharmonikern im gleichen Jahr. Mit dem Künstler wurden zahlreiche Schallplatten-, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen produziert. In Dresden gastiert er zum ersten Mal. PETER RÖSEL wurde 1945 in Dresden geboren. Sein Klavierstudium an der Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber" in Dresden bei Ingeborg Finke- Siegmund beendete er 1963 und setzte es von 1964 bis 1969 am Moskauer Konservatorium fort. Dort waren seine Lehrer die Professoren Dmitri Baschkirow und Lew Oborin. Bei mehreren international hoch do tierten Wettbewerben war Peter Rösel unter den ersten Preisträgern, so 1963 beim III. Internationalen Schu mann-Wettbewerb in Zwickau, 1966 beim III. Interna tionalen Tschaikowski-Wettbewerb in Moskau und beim IV. Internationalen Musikwettbewerb in Montreal 1963. Der junge Künstler, der bereits zahlreiche Rundfunk-, Fernseh- und Schallplattenaufnahmen produzierte, kon zertiert seit Beendigung seines Studiums mit außeror dentlichem Erfolg in vielen Ländern Europas, Asiens und in Nordamerika. Bei der Dresdner Philharmonie ist er seit 1968 ständiger Gast. Er zählt heute nicht nur zu den erfolgreichsten Künstlern der DDR, sondern auch zu den Besten seines Faches im europäischen Maßstab. 1972 erhielt Peter Rösel den Kunstpreis der DDR, und 1978 wurden seine hervorragenden künstle rischen Leistungen mit dem Nationalpreis der DDR gewürdigt. Seit 1976 ist er Solist des Gewandhausor chesters Leipzig. ZUR EINFÜHRUNG Goffredo Petrassi, 1904 in Zagarolo in der römischen Campagna geboren, studierte von 1928 bis 1932 Komposition bei Alessandro Bustini, nachdem er vorher in einer Musikalien handlung gearbeitet und sich nebenberuflich bereits mit musikalischen Studien beschäftigt hatte. 1932 unterzog er sich der Abschlußprü fung in Komposition und Orgelspiel am Kon servatorium Santa Cecilia in Rom und errang in diesem Jahr mit seiner Partita für Orchester, die preisgekrönt wurde, bereits einen ersten Kompositionserfolg. Von 1937 bis 1940 war Pe trassi als Intendant des Teatro la Fenice in Venedig tätig, seit 1939 unterrichtet er Kompo sition am Konservatorium Santa Cecilia in Rom. Daneben wirkte Petrassi von 1947 bis 1950 als künstlerischer Leiter der Accademia Filarmonica Romana und von 1954 bis 1956 als Präsident der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik. Petrassi, der unzweifelhaft zu den bedeutend sten Komponisten seiner Generation gehört, begann in seinem kompositorischen Schaffen zunächst fast ausschließlich mit Instrumental werken, die eine starke Neigung zum Neo klassizismus aufwiesen und u. a. Casella und Hindemith als Vorbilder erkennen ließen. Es folgten ab 1934 eine Reihe von Vokalkompo sitionen (hauptsächlich religiöse Chorwerke), so der 9. Psalm für Chor, Streicher, Blechbläser, Pauken und zwei Klaviere, ein Magnificat für Koloratursopran, gemischten Chor und Orche ster, der Coro di morti (Totenchor), in denen der Komponist Elemente der italienischen Re- naissance-Polyphonie, aber auch stilistische Einflüsse Strawinskys verarbeitete. In einem dritten Entwicklungsabschnitt wandte sich der Komponist auch dem Schreiben von Bühnen werken zu; er schuf u. a. die Opern „II Cordo vano'' (Mailand 1949, nach Cervantes) und „La morte dell'aria" (Rom 1950) sowie Bal lette.Daneben entstanden weiterhin zahlreiche Orchester- und Kammermusikwerke in verschie denartigen Besetzungen. Petrassi, der in Kom positionen der letzten Jahre häufig auch Ele mente der Zwölftontechnik aufgriff, bewahrte sich jedoch stets eine ganz persönliche und originelle, vor allem durch die Neigung zu Kantabilität, differenzierter Rhythmik und kla rer architektonischer Gliederung bestimmte musikalische Sprache. Das Ballett La Follia di Orlando (Der Wahnsinn des Orlando) komponierte Petrassi in den Jahren 1942/43. Die Handlung ist dem Roland-Epos „Orlando furioso" des Ludovico Ariost (1474—1533) ent nommen. Die entsprechenden Verse bilden den Text der Rezitative, die von einem Bari ton in der Funktion des Erzählers zu Beginn je des Bildes vorgetragen werden. Die Episoden schildern die Leidenschaften des Grafen Or lando für Angelica, ihre Liebe zu Medoro und den Wahnsinn Orlandos, der jedoch wieder gesundet. Die Ballett-Musik besteht aus ge schlossenen Stücken, jeweils auf eigener rhyth mischer Basis aufgebaut, an traditionelle Tän ze erinnernd. Petrassi hat die Zeit des italieni schen Neoklassizismus oder des romanischen Barock hinter sich gelassen und unter dem Einfluß der vielfachen Strömungen europäi( scher Musik einen Musikstil gefunden, der eigene Ausssage mit brillanter Orchestertech nik und einem Höchstmaß an Rhythmus und Klangfarbe verbindet. Zur Zeit seiner Entste hung waren die Gegebenheiten für eine Auf führung des Balletts nicht günstig, so konnte man vorerst die vom Komponisten geschaffene Sinfonische Ballettsuite am 9. November 1945 zum ersten Mal in Rom hören, die auch in un serem Konzert erklingt. Sie enthält die Szenen Angelica, Angelica und Medoro, Tanz des Astolfo und den Kriegerischen Tanz. Die sze nische Aufführung des Ballettes ging erst im April 1947 in der Mailänder Scala über die Bühne, ein Jahr später auch an der Römischen Oper. Wie Ludwig van Beethoven in der Reihe seiner Sinfonien zwischen Werken kraft voll-männlichen und anderen mehr lyrisch weiblichen Charakters abwechselte, steht auch sein Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur o p. 5 8 ein wenig träumerisch zwischen dem heroischen c-Moll- und dem grandiosen Es- Dur-Konzert. Erstmalig aufgeführt wurde dieses! Werk, von Beethoven selbst gespielt, im Märl 1807 bei einer seiner Akademien im Palais Lobkowitz in Wien. Der bekannte Liederkom ponist und Musikschriftsteller Johann Friedrich Reichardt, der das Konzert bei einer Wieder holung im Dezember des folgenden Jahres zu sammen mit zahlreichen anderen Kompositio nen Beethovens hörte, berichtete darüber: „Das achte Stück war ein neues Pianoforte- konzert von ungeheurer Schwierigkeit, welches Beethoven zum Erstaunen brav in den aller schnellsten Tempi ausführte. Das Adagio, ein Meistersatz von schönem durchgeführten Ge sang, sang er wahrhaft auf seinem Instrumente mit tiefem melancholischen Gefühl, das auch