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sehen Tonstück, in dem das russische mit dem orientalischen Kolorit verbunden ist (Chromatik in den Mittelstimmen) und das gleichsam die Schönheiten der mittel russischen Landschaft besingt. Das Hauptthema ist zum Unterschied von den Hauptthemen der ersten Sätze der anderen Sinfonien Borodins nicht in Dur, sondern in Moll gehalten, nicht energisch und lebhaft, sondern ruhig, lyrisch-betrachtend, nachdenklich und leicht wehmütig. Das Seitenthema dagegen besitzt einen bewegteren Rhythmus mit daktylischen Figuren. Der tänzerische, lebensfreudige, humorvolle 2. Satz, ein fünfteiliges Scherzo, hat ebenfalls russisches Kolorit, doch weist sein Fünfer-Metrum (5/8) nicht auf den Volkstanz, sondern auf den Rhythmus der Bauernsprache. Daneben sind hier Einflüsse der volkstümlichen russischen Instrumentalmusik zu bemerken. Ludwig van Beethoven hat mit seinen fünf Klavierkonzerten, die er zunächst für sein eigenes öffentliches Wirken als Pianist schrieb, Gipfelwerke der virtuosen Konzertliteratur geschaffen. Bereits vor den ersten beiden Klavierkonzerten op. 15 und op. 19 hatte er sich mit der Komposition von Klavierwerken beschäftigt (Trios op. 1, zahlreiche Sonaten) und auf diesem Schaffensgebiet weit eher musi kalisches Neuland, neue Klangbezirke erschlossen als in der Sinfonik. Die Kla vierkonzerte entstanden etwa parallel zu den ersten sechs Sinfonien. Als ein Ge hörleiden den Meister zwang, seine von den Zeitgenossen hochgeschätzte pia- nistische Tätigkeit aufzugeben, hatte er sein bedeutendstes Klavierkonzert, das fünfte in Es-Dur, bereits geschaffen und die mit dem dritten Konzert einsetzende Entwicklung seines konzertanten Schaffens von aristokratisch-gesellschaftlicher Unterhaltungskunst zum ideell-schöpferischen Bekenntnis auf den Höhepunkt ge führt. Das 3. Klavierkonzert in c-Moll op. 37 stammt in seiner endgültigen Gestaltung aus dem Jahre 1802 (Skizzen dazu entstanden allerdings bereits in früheren Jahren) und wurde mit dem Komponisten als Solisten zusammen mit der 2. Sinfonie und dem Oratorium „Christus am Ölberg“ am 5. April 1803 in Wien uraufgeführt. Es ist sicher vor allem von der Zeit der Entstehung dieses Werkes her zu begreifen, wenn Beethoven hier im Vergleich zu den beiden vorherge henden Klavierkonzerten ganz neue Töne anschlägt, diese Gattung unter ganz neue Gesetze stellt: war doch das Entstehungsjahr 1802, das Jahr des erschüttern den „Heiligenstädter Testaments", für ihn durch die menschliche Tragik seiner beginnenden Ertaubung auch in persönlicher Beziehung äußerst krisenreich und bedeutungsvoll. Aus dem c-Moll-Konzert (schon die Wahl dieser Tonart ist charakteristisch) spricht bereits der gereifte Meister zu uns, der sich in großen, leidenschaftlichen Auseinandersetzungen durch die ihn bewegenden Probleme hindurch kämpft und sie endlich überwindet. In formaler Hinsicht wird dabei in diesem Werk zum erstenmal in der Geschichte des Instrumentalkonzertes das Konzert der Sinfonie angeglichen und auch in der Verarbeitung des thematischen Materials dem sinfonischen Prinzip unterworfen. So wie beim Soloinstrument das Virtuose jetzt vollkommen in den Dienst der inhaltlichen Aussage gestellt wird, wird nun auch das Orchester aus seiner bisher größtenteils nur begleitenden Funktion gelöst *— Klavier und Orchester konzertieren im dramatischen, span nungsgeladenen Mit- und Gegeneinander in absoluter Gleichberechtigung. Das plastisch-einprägsame, männliche Hauptthema des ersten Satzes (Allegro con brio) setzt sich aus einem aufsteigenden c-Moll-Dreiklang, einem abwärts, zum Grundton fallenden Schreitmotiv und einem ausgesprochen rhythmischen Quartenmotiv zusammen, das besonders in der Coda (hier von den Pauken ge spielt) wichtig für die thematische Entwicklung wird. Einen Gegensatz dazu bringt ein schwärmerisches, gesangvolles zweites Thema in der Paralleltonart Es-Dur. Nachdem das Hauptthema die orchestrale Exposition energisch beendet hat, beginnt in der.an Auseinandersetzungen und Spannungen reichen, die Themen meisterhaft verarbeitenden großen Durchführung das intensive Wechselspiel der beiden Partner, das schließlich noch nach der Kadenz des Solisten in der Coda eine letzte Steigerung erfährt. Schon rein durch seine Tonart E-Dur hebt sich das folgende, innig-schöne Largo merklich von den Ecksätzen ab. Der dreiteilig angelegte Satz, von dem eine gelöste, feierlich-ruhevolle Stimmung ausgeht, setzt solistisch ein; das zuerst vom Klavier vorgetragene Thema ist von klassischer Größe und Erhabenheit. Im Zwiegespräch mit dem Orchester wird es dann durch das Soloinstrument mit fei nem, filigranhaften Figurenwerk umspielt. Harfenähnliche Arpeggien des Kla viers umranken im Mittelteil des Largos den Gesang der Flöten und Fagotte, bis in der Reprise wieder die Ornamentik des begleitenden Soloinstrumentes, jetzt noch reicher angewendet, kennzeichnend wird. Der lebhafte, humorvoll-energische Finalsatz, ein Rondo, führt in die Hauptton art c-Moll zurück. Wiederum beginnt der Solist mit dem Hauptthema, das zu- packend-trotzige Züge trägt und im Verlauf des Satzes im geistvollen Dialog zwischen Orchester und Klavier mit Varianten immer wieder auftaucht, wobei interessante harmonische Rückungen, eigenwillige Modulationen charakteristisch sind. Nach einer zweiten kurzen Kadenz des Klaviers findet ein Wechsel von Takt, Tempo und Tonart statt. Die stürmische Coda (Sechsachteltakt, Presto) schließt in strahlendem C-Dur schwungvoll und glänzend das Konzert ab. Im Sommer 1830, wenige Wochen vor seiner Abreise nach Italien, vollendete Felix Medelssohn Bartholdy seine Sinfonie D-Dur, die „Reformations-Sinfonie“, die aus Anlaß des 300. Jahrestages der Augsburgischen Konfession geschrieben wurde, aber erst 20 Jahre nach des Komponisten Tod als op. 107 im Druck er schien. Der 21jährige Komponist verfolgte das Ziel, mit diesem Werk, das heute leider nur noch selten zu hören ist, den Ernst, den kämpferischen Geist und die volkstümliche Kraft der protestantischen Bewegung jener Zeit darzustellen. Bereits die langsame Einleitung verrät mit dem Zitat des „lutherischen Amen" (das sogenannte Dresdner Amen, wie es Richard Wagner im „Parsifal" zitiert), die Thematik. Das daraus abgeleitete Quint-Intervall wird zur Keimzelle des Allegro con fucco. Der Satz ist erfüllt von kraftvollen Auseinandersetzungen, von leidenschaftlicher Streitbarkeit für die gerechte Sache des „gemeinen Man nes."