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SONDERKONZERT anläßlich der 18. Arbeiterfestspiele der DDR 1980 im Bezirk Rostock Freitag, den 27. Juni 1980. 19.30 Uhr Rostock, Großes Haus des Volkstheaters Sonnabend, den 28. Juni 1980, 20.00 Uhr Zinnowitz, Kulturhaus Sonntag, den 29. Juni 1980, 15.00 Uhr Stralsund, Theater oresoner oMlhQrrnoooie* Dirigent: Johannes Winkler Solist: Jürnjakob Timm, Leipzig, Violoncello Gioacchino Rossini 1792-1868 Siegfried Matthus geb. 1934 Ouvertüre zur Oper „Semiramis" Allegro vivace — Andantino — Allegro Konzert für Violoncello und Orchester Allegro moderato — Lento — Prestissimo PAUSE Antonin Dvorak 1841-1904 Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88 Allegro con brio Adagio Allegretto grazioso Finale (Allegro ma non troppo) JÜRNJAKOB TIMM, 1949 in Neubrandenburg geboren, erhielt seiner erste musikalische Ausbildung in Schwe rin, studierte seit 1965 an der Musikhochschule Leipzig Violoncello bei Friedemann Erben und wurde nach einer Aspirantur daselbst 1973 als 1. Solocellist an das Leipziger Gewandhausorchester verpflichtet und wirkt gleichzeitig als Mitglied des Gewandhaus-Quartettes. 1973 gewann er den 1. Preis des Internationalen In strumenta Iwettbewerbes in Markneukirchen und 1975 • 3. Preis des Internationalen Musikwettbewerbes |f. Neben seiner solistischen Konzerttätigkeit in der R führten den jungen Künstler erfolgreiche Konzert tourneen in die Ungarische VR, CSSR, UdSSR, SR Ru mänien, BRD und nach Italien. JOHANNES WINKLER wurde 1950 in Radebeig gebo ren, war 1960 bis 1968 Mitglied des Dresdner Kreuz chores und studierte 1968 bis 1974 an der Dresdner Musikhochschule (Dirigieren bei Prof. Rudolf Neuhaus, Komposition bei Prof. Karl-Rudi Griesbach). 1973 wurde er Doppelsieger des Carl-Maria-von-Weber-Wettbewer- bes Dresden in beiden Wettbewerbsdisziplinen Dirigie ren und Komposition. 1974 bis 1976 absolvierte er eine Aspirantur am Leningrader Konservatorium bei Prof. Arvid Jansons. Seit 1976 ist Johannes Winkler, der be reits mehrere Auszeichnungen erhielt (u. a. 1979 Kunstpreis der FDJ, Vaterländischer Verdienstorden), als Dirigent der Dresdner Philharmonie sowie als Lei ter eines Orchesters tätig, das sich aus den leistungs stärksten Studenten der Musikhochschulen der DDR zu sammensetzt. Er dirigierte bereits in vielen Städten der DDR, in der UdSSR, VR Polen, in Kuba, in der BRD, in Finnland, Italien und in Bulgarien. ZUR EINFÜHRUNG Gioacchino Rossini (1792—1868), Ita liens bedeutendster Komponist in der ersten Hälfte des 19. Jh., hatte von Haus aus so viel Musik mitbekommen (sein Vater war Hornist, die Mutter Sängerin), daß er nach kurzem Stu dium in Bologna als 1 öjähriger mit dem Opern komponieren begann und 1810 mit einem Ein akter in Venedig debütierte. 1816 feierte er (trotz des Premierenskandals) seinen größten Triumph mit der Opera buffa „Der Barbier von Sevilla" (es war bereits seine 17. Oper) und be kannte sich 1829 in Paris mit „Wilhelm Teil", seinem letzten (39.) Bühnenwerk, ganz zur Gro ßen Oper französischen Stils. Danach lebte er noch fast vier Jahrzehnte, weltberühmt, jedoch ohne weitere Opern zu komponieren; nur einige kirchen- und kammermusikalische Werke ent standen noch. Als 34. Bühnenwerk schrieb Rossini 1822 seine letzte italienische Opera seria „Sem i ra mi- de" (Semiramis) nach Voltaires Tragödie „Semiramis", die am 3. Februar 1823 am Teatro La Fenice in Venedig (mit seiner ersten Ehefrau, der Sängerin Isabella Colbran, in der Titelrolle) ihre kühl aufgenommene Premiere erlebte. Die leichtgeschürzte, geistvoll-sprühende, elegante Melodik, die pikante Rhythmik, die subtile In strumentation der Ouvertüre zu dieser heute kaum noch gespielten Oper (1932 wurde in Rostock eine deutsche Fassung vorgestellt) demonstrieren typischen Rossini-Stil. Eigenwillig ist der Typ der alten italienischen Opernouver türe (schnell — langsam — schnell) abgewandelt. Der erste Abschnitt ist nur noch Auftakt zum An dantino mit seinen reichverzierten melodischen Figuren; Zielpunkt der Entwicklung ist der köst liche Allegro-Satz mit seiner atemberaubenden Stretta-Steigerung. Das Konzert für Violoncello und Orchester des prominenten, in Berlin le benden und schaffenden Komponisten Sieg fried Matthus, Schüler von Rudolf Wag ner-Regeny und Hanns Eisler, seit 1969 Ordent liches Mitglied der Akademie der Künste der DDR und 1972 mit dem Nationalpreis ausge zeichnet, entstand 1975 im Auftrag der Staats kapelle Dresden und wurde 1976 von dieser mit dem österreichischen Cellisten Heinrich Schiff als Solisten unter der Leitung von Herbert Blom- stedt uraufgeführt. Es ist sein drittes größeres Konzertwerk und — neben dem Violinkonzert (1968) und dem Klavierkonzert (1970) — sein erstes für dieses dritte der klassischen solistisch konzertierenden Instrumente. Vielgestaltigkeit, Farbigkeit und sinnliche Ein dringlichkeit des stets gut durchgehörten Klang bildes bilden die Domäne des Matthusschen Talents. Es nimmt daher nicht wunder, daß de: Typus des großen Solokonzerts ihm besonders entgegenkommt. Und speziell sein Violoncello- Konzert ist ein weiteres Beispiel diesbezügliche: Synthese. Solo-Instrument und reich besetzte: Orchester werden als gleichberechtigte Partne behandelt, und sie bedingen strukturell wie ge stisch einer den anderen, sei es im dramatisch konfIikthaften Gegeneinander, im lyrisch-dialo gischen Zueinander oder im übermütig-spieO rischen Miteinander. Der Reichtum und Wed™ dieser unterschiedlichen „konzertanten" Kon stellationen fordert vom Solisten die ganze Pa lette seiner virtuosen Möglichkeiten, der tradi tionellen wie der noch ungewöhnlichen, der „normalen" wie der abgeleiteten Spielweisen Besonders drei Eigenarten und spezielle Arti kulationsweisen des Cello werden von Matthus hier aufgegriffen und intensiv variiert: ein ge wichtiges, impulsives, rezitativisches Deklama tionsmelos, die sonore, weit ausschwingende und reich figurierte Kantilene und elegant-flüs siges, agiles Skalenspiel. Die damit verbunde nen Musizierhaltungen sind konsequent thema tisch präzisiert und unterliegen in der angedeu teten Reihenfolge einer echten sinfonisch-dia lektischen Evolution. Dergestalt wird ein viel fältig abgestufter und vermittelter Durchset zungsprozeß hörbar, der drei selbständige, aber miteinander verbundene Sätze durchläuft. Im ersten Satz (Allegro moderato) findet man bereits die für das weitere verbindlichen thema tischen und klanglichen Grundcharaktere expo niert. Aber es dominiert hier, ausgehend vom massiven, dunklen, rhythmisch lapidaren uj portalartigen Timbre der Baßinstrumente, erregte, spannungsgeladene Stimmung voller gegensätzlicher Klanggruppenkontraste und einem konsequent gegensätzlichen Verhältnis zwischen Solisten und Orchester. Eine ruhige, gesangvolle Episode des Cellos und der Strei cher wird von dramatisch zugespitzten Eckteilen eingefaßt. Solche formelle Dreiteiligkeit ist für das ganze Werk charakteristisch, und sie setzt sich bis in die gestalterischen Details fort. Prin zipien der permanenten Entwicklung und klang lichen Variation sprengen jedoch stets auch alle latenten Symmetriebeziehungen. Der zweite Satz (Lento), ein pastellnes genrear tiges Bild voller lyrisch-zarter Poesie, ist vorran-