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SONDERKONZERT anläßlich des V. Festivals der sorbischen Kultur Hotel „Stadt Bautzen", Bautzen Donnerstag, den 29. Mai 1980, 19.30 Uhr öresoner ohilhömnioniio Dirigent: Johannes Winkler Solist: Thomas Christian, Österreich, Violine Jan Raupp geb. 1928 Metamorphosen für sinfonisches Orchester (1964) Moderato sostenuto Allegro spirituoso Larghetto lamentoso Igor Strawinsky 1882-1971 Konzert für Violine und Orchester D-Dur Toccata Aria I Aria II Capriccio PAUSE Antonin Dvorak 1841-1904 Sinfonie Nr. 7 d-Moll op. 70 Allgro maestoso Poco Adagio Scherzo (Vivace) Finale (Allegro) JOHANNES WINKLER wurde 1950 in Radeberg geboren, war 1960 bis 1968 Mitglied des Dresdner Kreuzchores und studierte 1968 bis 1974 an der Dresdner Musik hochschule (Dirigieren bei Prof. Rudolf Neuhaus, ^^^position bei Prof. Karl-Rudi Griesbach). 1973 wurde ^B)oppelsieger des Carl-Maria-von-Weber-Wettbewer- bes Dresden in beiden Wettbewerbsdisziplinen Diri gieren und Komposition. 1974 bis 1976 absolvierte er eine Aspirantur am Leningrader Konservatorium bei Prof. Arvid Jansons. Seit 1976 ist Johannes Winkler, der bereits mehrere Auszeichnungen erhielt (u. a. 1979 Kunstpreis der FDJ und Vaterländischer Verdienstor den), als Dirigent der Dresdner Philharmonie sowie als Leiter eines Orchesters tätig, das sich aus den leistungsstärksten Studenten der Musikhochschulen der DDR zusammensetzt. Er dirigierte bereits in vielen Städten der DDR, in der UdSSR, VR Polen, in Kuba, in der BRD, in Finnland und Italien. Der junge österreichische Geiger THOMAS CHRISTIAN, 1951 in Linz geboren, erhielt ersten Violinunterricht im Alter von 7 Jahren. Als 11jähriger gewann er bereits den 1. Preis des österreichischen Geigerwettbewerbes. Später wurde er Schüler der New Yorker Violinpäd- agogen Theodore und Alice Pashkus. Schon früh begann seine internationale Solistenkarriere mit Auftritten in vielen Ländern Europas, denen sich — nach seinem Amerika-Debüt von 1970 in der New Yorker Carnegie- Hall — inzwischen mehrere USA-Tourneen sowie Gast spiele in Japan und im Mittleren Osten anschlossen. Auch für Funk und Schallplatte (Spohr, Vieuxtemps, Paganini u. a.) machte er mehrere Einspielungen. 1978/79 vervollkommnete er sein Können als Stipendiat in der Meisterklasse von Jascha Heifetz in Los Angeles. Am 6. Mai 1979 musizierte er erstmalig mit den Dresdner Philharmonikern unter Herbert Kegel im Wiener Konzertvereinshaus. ZUR EINFÜHRUNG Jan Raupp ist der führende Repräsentant einer eigenständigen sorbischen Sinfonik. Er studierte in Prag Musikwissenschaft und Kom position und promovierte 1962 an der Humboldt- Universität Berlin. Als wissenschaftlicher Arbeits leiter des Instituts für sorbische Volksforschung beim Zentralinstitut für Geschichte der Aka demie der Wissenschaften der DDR widmet er sich beruflich der Erforschung der sorbischen Musikfolklore sowie der kritischen Erschließung der sorbischen Kunstmusik. Seine diesbezügli chen Publikationen sind für die wissenschaftli che Diskussion sowie für eine sachkundige Pro pagierung der sorbischen Musikkultur von gro ßer Gewichtigkeit. Seit 1977 ist Jan Raupp Vorsitzender des Arbeitskreises sorbischer Mu sikschaffender sowie Zentralvorstands- und Präsidiumsmitglied des Verbandes der Kom ponisten und Musikwissenschaftler der DDR. Die musikwissenschaftliche Forschungstätigkeit findet im kompositorischen Schaffen einen deutlichen Niederschlag. So wird das Wissen um Intonation und Gestalt der sorbischen Mu sikfolklore als fundamentale Quelle schöpfe rischer Impulse genutzt. Hinzu kommen sub stantielle Anregungen aus der (vor allem sla wischen) Musikentwicklung des 20. Jahrhunderts (Jandcek, Martinü). Die Metamorphosen für sinfoni sches Orchester entstanden im Jahre 1964, in einer Zeit, da die Ehefrau des Kompo nisten, die international erfolgreiche Konzert organistin Lubina Hollan-Raupp, schwer er krankt war und im gleichen Jahr, als das Werk vollendet wurde, verstarb. Es wäre jedoch ver fehlt, dieses persönliche Schicksal - der Aus sagegehalt der „Metamorphosen" unterstreicht es — zum einseitigen Ausgangspunkt einer Werkbetrachtung zu machen. Die Komposition basiert auf einem Reigen aus Schleife (Mittel lausitz), der von dem tschechischen Maler und Folkloristen Ludvik Kuba (1863—1956) Ende des vorigen Jahrhunderts aufgezeichnet wurde und typische Intonationsmerkmale der sorbischen Volksmusik aufweist. Dieses Thema ist der Aus gangspunkt für die Metamorphose, bei der es über formale Strukturwandlungen um eine ästhetische Umdeutung der archaischen Dik tion geht. Im ersten Satz bleibt das Thema in seiner folkloristischen Spezifik weitestgehend erhalten. Es wird zunächst vom Solofagott vorgetragen und erscheint dann in verschiedenen Instru menten (Kontrabässe, Violinen, Hörner usw.). Variationen von Motiven des Themas und dar aus abgeleitete ostinate Floskeln bilden einen kontrapunktischen Gegenpol, der noch keinen Gestaltungswechsel hervorzurufen vermag, wohl aber einen solchen andeutet und moti ¬ viert. Im zweiten Satz kontrastieren scharf akzentu ¬ ierte, mitunter melodisch weitergeführte Motiv floskeln mit umgestalteten Elementen und Mo tivresten des Themas. Die Auseinandersetzung vollzieht sich auf in der Instrumentierung wech selndem ostinatem Klanggrund. Gegen Schluß des Satzes führt ein Fugato zu intensiver Spannung, die mit einem kräftigen Trompeten signal ihren Höhepunkt erreicht, um danach mit dem Anfangsmotiv der Flöten im Piano zu verklingen. 1 Im dritten Satz wird die Metamorphose abge' schlossen. Ein weiteres kraftvolles Bläserthema wirkt dabei quasi als „Katalysator". Die Struk turwandlung zeigt sich in diesem Satz beson ders auch im Harmonischen (bitonaie Schich tungen, alterierte Akkorde). Die Komplexität des ästhetischen Aussagegehaltes kulminiert in einem Violinsolo teils elegischen Charakters. Nach erneuter, vor allem harmonisch dynami scher Steigerung tritt durch einen choralarti gen Blechbläsersatz Beruhigung ein. Eine Ge neralpause bereitet den Schlußteil vor, eine optimistisch-aufrüttelnde Coda, einen Aufbruch in die Zuversicht. Das Werk klingt mit einem neuen Thema maestoso pesante unter Hinzu tritt von Glocken aus. Es trägt zwar Merkmale des ursprünglichen Hauptthemas, hat aber des sen verhalten-archaische Art zugunsten aufge hellter Klangfrische abgelegt. Igor Strawinskys Violinkonzert D-Dur entstand 1931 und wurde am 23. Ok tober des gleichen Jahres in Berlin unter Lei tung des Komponisten mit Samuel Dushkin als Solisten uraufgeführt. Als eines der großi Violinkonzerte unseres Jahrhunderts steht es einer Reihe mit denen von Prokofjew, Berg, Schönberg und Bartök, die ebenfalls im glei chen Jahrzehnt entstanden. Strawinsky zögerte zunächst, ein Konzert für die Geige zu schrei ben. Als Komponist kannte er zwar die tech nischen Möglichkeiten des Instruments, spielte es aber selbst nicht. Hindemith, der ein aus gezeichneter Geiger war, ermutigte ihn zu der Komposition. Bei der endgültigen Ausarbeitung des Soloparts zog Strawinsky den Solisten der Uraufführung zu Rate. Er ließ sich auch in die sem Werk von der Musik des 17. und 18. Jahr hunderts anregen. Sowohl die Satzbezeichnun-