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ZUR EINFÜHRUNG Strauss hatte schon früh den Plan gefaßt, ein heidnisches Natur-Poem zu komponieren. fahrung aus sieben Einsamkeiten. Neue Ohren für neue Musik. Neue Augen für das Fernste. Ein neues Gewissen für bisher stumm geblie bene Wahrheiten. Und der Wille zur Ökonomie großen Stils: seine Kraft, seine Begeisterung beisam menbehalten... Die Ehrfurcht vor sich; die Liebe zu sich; die unbe dingte Freiheit gegen sich..." Strauss' Tagebucheintrag von 1911 wirkt wie ein verspäteter Reflex von Nietzsches Vorwort; doch hat te er schon früh den Plan gefaßt, ein heidnisches Natur-Poem im An schluß an den „Antichrist" zu kom ponieren. Bereits im Jahre 1902 arbeitete Strauss an einem umfang reichen viersätzigen Werk, das Nietzsches Kunst, „auf Bergen zu leben", verherrlichte, und das den Titel trug: „Der Antichrist, eine Alpensinfonie". Der erste der vier Sätze gibt die Stationenfolge einer Bergtour wieder und entspricht da mit rein äußerlich dem Werk, wie wir es heute kennen: „Nacht: Son- nenaufgang/Aufstieg: Wald (Jagd)/Wasserfall (Alpenfee)/blu- mige Wiesen (Hirte)/Gletscher/ Gewitter/Abstieg und Ruhe". Doch wird in dieser frühen Skizze das tönende Naturerlebnis überla gert von der Kurve eines Künstler psychogramms: „Nach dem Son nenaufgang Contrast des eigenen schmerzzerissenen Innern doppelt stark/Wärmegefühl Kindheit: reli giöse Gefühle des kindlichen Gemüthes gegenüber der gewalti gen Natur/Ohnmacht, Trost: be ginnendes selbständiges Denken und erste (künstlerische) Versuche". Im zweiten Satz huldigt der ange hende Religionsverächter „Ländli chen Freuden: Tanz, Volksfest und Prozession", im dritten Satz ist er von „Träumen und Gespenstern (nach Goya)" umgeben, um schließlich im Finale die ersehnte „Befreiung durch die Arbeit: das künstlerische Schaffen" zu erlan gen. In einer späteren Skizze wird die „Befreiung der Natur" gewährt - ein Gedanke, den Strauss in die einsätzige Fassung des Werks übernimmt, die er im Frühjahr 1911 (nach Wegfall der Sätze II bis IV und Ausschaltung der Schaf fensthematik) skizziert. Der Titel „Antichrist" jedoch bleibt erhalten, und dies bis in die letzte Kom positionsskizze hinein, die Strauss am 5. August 1913 in Garmisch beendet: Er ist ein unumgänglicher thematischer Schlüssel zum Ver ständnis des Werkes, dem man aus Unkenntnis seiner Entstehungsge schichte den Verzicht auf traditio nelle Naturmystik stets als Unfähig keit auslegte, Reales zu transzen dieren. Noch 1948 schrieb Strauss an einen jungen Dirigenten: „Viel Vergnügen zur Alpensinfonie, die ich auch besonders liebe. Sie ist, seit einige Schreiberlinge wie Paul Bekker in der ,Vision' biblische Metaphysik vermißt haben, die mir übrigens auch in der Pastorale zu fehlen scheint (der badende Beet hoven hatte zu beten vergessen), von der hohen Intelligenz stets un terschätzt worden. Sie klingt aller dings auch zu gut!"