Volltext Seite (XML)
sein müssen und die Musik, auch in der schaudervollsten Lage niemals das Ohr beleidigen, sondern dabei vergnügen, folglich allzeit Musik bleiben muß.“ Der tief religiöse Anton Bruckner hätte es als sündhaften Frevel empfunden, Klänge zu schreiben, die geeignet schienen, die Würde der Musik zu verletzen. Mozart und Bruckner gemeinsam ist weiterhin die Übereinstimmung von Inhalt und Form ihrer künstlerischen Aussage. Noch immer haben manche Musikfreunde die durchaus falsche Vorstellung, daß dem Genius Mozart, „dem Liebling der Götter“, die Früchte seines Schaffens mühelos in den Schoß gefallen seien. Sie ahnen nichts von dem mitunter qualvollen Ringen des schöpferischen Menschen, das Mozart vor seiner Umgebung so oft hinter allerlei Schnurren und Späßen verbirgt. Es dauerte Jahrzehnte, bis man die gewaltige Formkraft Bruckners, die erst durch das Spielen der Erfassungen seiner Sinfonien in voller Größe sichtbar wurde, erkannte und sein Werk von den Kürzungen und Entstellungen wohlmeinender Freunde und Inter preten reinigte. — Heute können wir mit Fug und Recht sagen, Mozart und Bruckner sind Klassiker der Musik, denn alle Werke, die eine vollendete Synthese von Inhalt und Form aufweisen, sind klassisch. Bei aller Kühnheit und Aufgeschlossenheit beider Künstler, die Ausdruckskraft ihrer Tonsprache durch neue Klänge zu bereichern, knüpfen sowohl Mozart als auch Bruckner an Form und Klangwelt ihrer Vorgänger an. Johann Sebastian Bach befruchtet beider Schaffen, und ebenso wie Bruckner, neben Richard Wagner, der für ihn „der Meister aller Meister“ ist, Beethoven und Schubert tiefe Verehrung zollt, nimmt Mozart schon als Kind auf seinen Reisen begierig die vielseitigen Anregungen auf, die ihm die Opernkomponisten Italiens oder der berühmte Johann Christian Bach in London vermitteln. So steht das graziöse Divertimento D-Dur (KV 334), das vermutlich 1779 nach Mozarts Pariser Reise entstand, dem frühklassischen Kammermusiktypus nahe. Die Streichinstrumente, von denen die 1. Violinen vor allem in dem ausgedehnten Schlußrondo, durchaus solistische Aufgaben zu erfüllen haben, sind mit zwei Hörnern vereinigt. Von den 6 Sätzen entfaltet der erste die reife Sonatenform, der erste langsame Satz bringt ein Mollthema und Variationen, an dritter und fünfter Stelle sind zwei Menuette, an die letzte ist ein Rondo gestellt. Das ganze Werk ist „erfüllt vom Salzburger Suitengeist in seiner liebenswürdigsten Ausprägung“ (Robert Haas). Die volle Meisterschaft Mozarts zeigt der erhebliche Anteil, den die Mittelstimmen an der Gestaltung des Tonsatzes nehmen. Größter Beliebtheit bei jung und alt erfreut sich das erste Menuett, das in zahlreichen Bearbeitungen in die Hausmusik eingegangen ist. An Stärke des Ausdrucks und gedanklicher Tiefe überragt der in der düsteren Tonart d-Moll stehende Variationszyklus alle übrigen Sätze. In erstaunlich kurzer Zeit, von April bis Dezember des Jahres 1775, schrieb der 19jährige Mozart, der selbst ein guter Geiger und damals noch dem Orchester des Erzbischofs von Salzburg als Konzertmeister verpflichtet war, fünf Violinkonzerte. Das dreisätzige Konzert in D-Dur (KV 218) wurde eines der bekanntesten von ihnen. Er schmilzt in diesem Konzert nicht nur Elemente der französischen und italieni schen Musik, vor allem Boccherinis ein, auch Volkslied undVolkstanz, so der „Straß burger“ im letzten Satz, werden in unbeschwerter Musizierfreude aufgenommen ohne daß dadurch die stilistische Einheit des Ganzen gestört wird. — Welch großen Wert Mozart auf die Entwicklung eines schönen, breitausladenden Geigentones