WOLFGANG AMADEUS MOZART 1756— 1791 Der Konzertbesucher unserer Zeit weiß, daß „die Musik keine vom Menschen unabhängige Erscheinung ist, daß es unmöglich ist, das innere Wesen der Tonkunst losgelöst vom Menschen und von der menschlichen Gesellschaft zu erfassen“. (E. H. Meyer.) Erst dann, wenn wir uns bemühen, das Schaffen unserer großen Meister im Zusammenhänge mit den bestimmenden Faktoren ihrer zeitbedingten Umwelt zu sehen, wird sich uns ein vertieftes Verständnis ihres Werkes und seiner Aussagekraft für den heutigen Menschen erschließen. — Überblicken wir von diesem Standpunkt aus das Leben und umfangreiche Schaffen von Mozart und Bruckner, so mag die Koppelung von Werken so grundverschiedener Geisteshaltung, so unterschiedlicher Klangmittel und Formen den oberflächlichen Betrachter zunächst überraschen. Bedenken müssen wir ferner, welch einschneidende Veränderungen sich von der Mitte des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auf ökonomischem und politischem Gebiete in der Welt vollzogen. Als Mozart 35jährig stirbt, hat der dritte Stand, das junge aufstrebende Bürgertum, unüberhörbar seine großartigen Forderun gen an die herrschenden Mächte des Absolutismus erhoben. Beim Hinscheiden Anton Bruckners, der seine Jugendjahre noch in der patriarchalischen Stille des vormärzlichen Niederösterreichs verlebt, werden in der bürgerlichen Gesellschaft, die inzwischen nach Kirche und Adel der Hauptträger der öffentlichen Musikpflege geworden ist, mehr und mehr Anzeichen der Stagnation und des beginnenden Ver falls sichtbar. Sie finden ihre Widerspiegelung auch in den Äußerungen der Kunst.