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eine richtige Kritik: „Ich hatte das Vergnügen, den Herrn Fränzl auf der Violin ein Konzert spielen zu hören. Er gefällt mir sehr gut. Sie wissen, daß ich kein Liebhaber von Schwierigkeiten bin. Er spielte schwer, aber man kennt nicht, daß es schwer ist, man glaubt, man kann es gleich nachmachen. Und das ist das Wahre. Er hat auch einen schönen runden Ton, es fehlt keine Note, man hört alles, es ist alles marquirt. Er hat ein schönes staccato in einem Bogen, sowohl hinauf wie herab, und den doppelten Triller habe ich noch nie so gehört wie von ihm. Mit einem Wort: er ist meinethalben kein Hexen meister, aber ein sehr solider Geiger!“ Dieses Urteil Mozarts ist nicht wegen der technischen Sachkenntnis, sondern wegen des künstlerischen Ernstes wichtig. Das Violinkonzert in G-Dur von Mozart gehört zu den drei „Großen“ in G-, A- und D-Dur. Von der älteren, Vivaldischen Geigenkonzertform, die Mozart sicher noch in Italien kennengelernt hat, war zwar nicht viel mehr als die Dreisätzigkeit übriggeblieben. Der formale Bau des i. Satzes und die Arie im langsamen Satz haben das Konzert inzwischen verändert. Dazu kommen Einwirkungen des französischen Konzertes unter Viotti — das lockere, leicht flüssige „Rondeau“ des Finales weist auf Frankreich. Das breit angelegte Anfangstutti des ersten Satzes stellt in Sonatensatzform alle sinfonischen Themengruppen dar, die dann im folgenden Solo teils thematisch, teils ver mittelst neuer Episoden weitergeführt werden. Ein himmlischer langsamer Satz, „die süße Träumerei, in der der Solist am Schluß nochmals die Augen aufschlägt und dem holden Traumbild seinen Scheidegruß nachruft (Abert)“, trennt die beiden Ecksätze. Peter Tschaikowski war ein begeisterter Verehrer Mozarts — freilich nicht nur wegen der Violinkonzerte! Tschaikowski schuf mit seinem Violinkonzert vielleicht das typischste seiner Epoche: virtuos, eindringlich, gefühlvoll intensiv, zündend in seiner Melodik. Gleich denen von Beethoven und Brahms steht das Werk in D-Dur. Tschaikowski hat mit der Arbeit zum Violinkonzert im März 1878 zu Clärens begonnen. Das gemeinsame Musi zieren mit seinem Lieblingsschüler Kotek hat das Werk wesentlich gefördert, da der Meister jeden fertigen Teil gleich mit Kotek durchspielen konnte. Das Konzert ist Alexander D. Brodski, dem ersten Interpreten, gewidmet, es ist technisch von höchster Vollendung, der Solopart ist klanglich-organisch mit dem ganzen Orchester verbunden. Der erste Satz beginnt mit einer kurzen Einleitung des Orchesters, das mehr lyrische Hauptthema wird dann von dem Soloinstrument gebracht. Nach dynamisch gesteigerter Wiederholung des Hauptthemas und einem mehr tänzerischen Zwischensatz führt eine virtuos gehaltene Überleitung zum zweiten Hauptthema, einer echt Tschaikowski- schen, slawisch-melancholischen Geigenmelodie. Die Durchführung, eine vom Komponisten selbst herrührende große Kadenz und die Reprise ent sprechen der üblichen sinfonischen Konzertform. Der Schluß des ersten Satzes wird von einer wirkungsvollen Stretta gekrönt. Der Mittelsatz, eine