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wandelten Lauten spricht in der dritten Sinfonie zu uns!“ Und gar Richard Strauss hat (Richard Specht gegenüber) einmal bekannt, daß er nur dann gut dirigiere, wenn sich ihm mit zwingender Gewalt ein Bild aufdränge, und beim ersten Satz dieser dritten Sinfonie von Mahler hätte er immer „die Vorstellung unübersehbarer, fröhlicher Arbeiterbataillone, die zur Maifeier in den Prater ziehen“ ! ,,Es ist das Unbekümmertste, was ich je geschrieben habe“, sagte Mahler von dem duftigen Blumenstück, mit dem der fünf kurze Sätze umfassende zweite Teil der Sinfonie beginnt, ,,so unbekümmert, wie nur Blumen sein können. Das schwankt und wogt alles in der Höhe aufs Leichteste und Beweglichste, ohne Schwere nach unten in die Tiefe, so wie die Blumen im Winde auch biegsam und spielend sich wiegen. Freilich bleibt es nicht bei der harmlosen Blumenheiterkeit, sondern plötzlich wird alles furchtbar ernst und schwer; wie ein Sturmwind fährt es über die Wiese und schüttelt Blätter und Blüten, die auf ihrem Stengel wimmern, als flehten sie um Erlösung!“ Und welche Liebe zur Kreatur spricht aus dem burlesken Tierstück, aus dem schalkhaften Scherzo, das aus dem Mahlerschen Wunderhornliede vom „Kuckuck, der sich zu Tode gefallen“ entstanden ist! Und alles liebe, flatternde Geziefer stiebt auseinander, wenn dann (im Trio) das Posthorn schwär merisch von der Landstraße her ertönt . . . Im nächsten Satze erzählt der Mensch vom Leid in der Natur und von dem, was das Leid besiegt und zur Quelle neuen Lebens macht. Geheimnisvoll erklingt die mystische Stimme des Mitternachtsliedes, das vom Alt feierlich mahnend angestimmte ,,O Mensch, gib acht! Was spricht die tiefe Mitternacht?“ aus Nietzsches Zarathustra. — Mahler hat das nachfolgende Wunderhornlied — es schließt sich dem vierten Satz ohne Unterbrechung an — nicht aus einer früheren Komposition herübergenommen in die Sinfonie, sondern es eigens hierfür geschrieben. Schon die Be setzung ist eigner Art: Knabenchor, Frauenchor, dazu ein Orchester, in dem Holzbläser, Hörner und Harfen vorherrschen. Die Streicher fehlen anfangs völlig, später, bei den Wechselgesängen des Chores, treten die tiefen Streichinstrumente bis zu den Bratschen hinzu. Violinen kommen überhaupt nicht zur Verwendung. Die Gesangstimmen der Kna ben sind ganz instrumental angewendet: „Der Ton ist dem Klang einer Glocke nachzu ahmen, der Vokal kurz anzuschlagen und der Ton durch den Konsonanten M summend | auszuhalten“ schreibt Mahler vor. Der lustige Erzählerton und die feierliche Harmonie folge (bei den Gnadensprüchen Jesu) bestimmen den Satz. Es gibt keine Sentimentalität, keine brünstige Gefühlshingabe bei diesem ,,Armer Kinder Bettlerlied“. Im Final-Adagio schwingen sich die Streicher in nicht erschöpfbarer Fülle vom zarten Anfang bis hinauf zum örgelhaft gloriosen Abschluß. „Sehr ausdrucksvoll und getragen“ schließt sich ein Instrument dem anderen an, bis mehrere Stimmen und schließlich das Tutti in dreifachem Forte sich in die Melodien teilen: Ein Lobgesang auf die schöpferische Kraft der Liebe! Dieser Glaube an die schaffende, erhaltende, bestimmende Macht der Liebe ist das Be kenntnis, an dem Mahler allen Schwankungen, allen Zweifeln, allen Erfahrungen zum Trotz festhält in all seinem Schaffen. Prof. Dr. Hans Mlynarczyk LITE RATURHINWEISE Fritz Stein: Max Reger, Potsdam 1939 Richard Specht: Gustav Mahler, Stuttgart 1925 Paul Bekker: Gustav Mahlers Symphonien, Berlin 1921 Alma Maria Mahler: Gustav Mahlers Briefe, Leipzig 1924 VORANKÜNDIGUNGEN 8. Außerordentliches Konzert 1. und 2. März 1960 Schumann-Chopin-Feier Dirigent: Prof. Heinz Bongartz Solist: Prof. Helmut Roloff, Berlin (Klavier) Nächste Konzerte im Anrecht B 5./6. März 1960 jeweils 19.30 Uhr • Einführungsvortrag jeweils 18.30 Uhr 9. Außerordentliches Konzeit 12. und 13. März 1960 Gastdirigent: Mihles Lukacz, Budapest