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Die Teile der Kantate Am Morgen Eine Kufenspur führt durch den Wintermorgen, fern her, fern hin, tief, sehr tief . . . Die Spur eines Schlittens? Welcher Schlitten hat so schwere Kufen? Ist es nicht die Spur der Weihnacht, fern her, fern hin, tief, sehr tief . . .? Die Bauern, die Hose noch schnürend, die Frauen, den Teig an den Fingern, die Kinder, bettwarm, stehn und staunen . . . Sic stehen, staunen, sammeln Fragen aus der Spur, und plötzlich bemerken sic einander, anders als sonst, inniger - sic alle sind doch Fragende. - Szene auf der Straße Die Kinder sehen nur den Schnee - und die Asche. Schnee und Asche - welch gewaltiger Kon flikt für sie! Sie wollen Schlitten fahren! Der Hauswirt streut die Asche auf den Schlittenbcrg! Wer hilft? Wer putzt den Weihnachtsspaß der Kinder wieder blank? Der Weihnachtsmann. Er schimpft mit den Kindern, doch er lächelt, und sein Lächeln - das ist ihre Bahn: Los! Wir starten in den Wind! Unser Flugzeug ist der Schlitten. Himmel, laß dein Fenster kitten, wenn wir durchgcflogen sind! Schneller, immer schneller, schneller, unser Lied ist ein Propeller, ein Propeller, den zerbricht auch das Schneegestöber nicht. Und der Hauswirt? Muß er denn die Asche auf die Bahn der Kinder streuen? Weil ihn viel leicht ihr Lärm stört? Kann er nicht die Asche an den Zaun streuen, wo sic den Leuten nützt, die den Berg hinaufgehen? Besitzt denn ein Hauswirt die ganze Erde? Fragen . . . Figuren der W eibnaebt Die Figuren der Weihnacht erzählen, wer sic sind, woher sic kommen, weshalb sic zur Weih nacht gehören - die Kerze, die Tanne, der Weihnachtsmann und die Taube. Und ihnen allen wird ein neues Lied gesungen: „Beim Anzünden der Kerzen“, „Am Baume hat die Weihnacht“, „Weihnachtsmann, alter Bart“ und das Titellied „Halm und Himmel stehn im Schnee , das Lied des weihnachtlichen Friedens, dem die Menschen „in den März“ leuchten. Hymne mit Wiegenlied Die Weihnacht ist wirksam! Sie ist in den Menschen wirksam, die der Ursache allen Lebens, der Sonne, nachspüren, die sie aus der Erde graben, ihre Kraft aus den Elementen erschließen . . . Fest der Freude! Fest des Zornes: Sonnen in verfluchten Händen, die sic von den Himmeln werfen, auf die Menschen, die sie gruben . . . Der Gedanke des Friedens umfaßt die Völker und berührt den einzelnen Menschen. In der Hymne auf die Sammlung allen guten Willens ertönt das Lied der Mutter, deren Kind ein Bär beschert worden ist, ein gelber Bär - Wunschtraum ihrer eigenen Kindheit. Der Schlußchor der Kantate ist ein Gesang der Freude; denn die Hoffnung der Völker auf be ständigen Frieden ist begründet. Rainer Kunze Am Morgen (Chor) Im Pelz der Berge sprüht das Schneekristall. Des Tales Weidenborsten glitzern. Regenbögen stäuben. Von den Dächern aller Träume, von den Wimpern aller Fenster Regenbögen stäuben. 6 Nur in einer tiefen Spur, kommend vom Berg her, führend zum Berg hin, fern her, fern hin, nur in einer tiefen Spur blaut der Schnee, blaut der Schnee. Die Bauern, die Hose noch schnürend, die Frauen, den Teig an den Fingern, die Kinder, noch bettwarm, stehen und staunen. Wessen Schlitten fuhr durchs Dorf, so in der Frühe, so ohne Sonne, fern her, fern hin, ohne Rast, mit schweren Kufen? Stehen die Bauern, und sie sehn ihre Frauen. Lange nicht, wenn sie’s bedenken, haben sic die Frauen freundlich sich betrachtet. Stehen die Frauen, und sie sehen die Bauern, wissen mit gutem Lächeln. mit der Bauern gutem Lächeln gar nichts, gar nichts anzufangen in der Frühe. Stehen die Kinder, und die seh’n nur den Schnee. Ach, den Kindern ist die Seele eine Glocke. Kaum vermag das Herz, sic zu bewegen. Im Pelz der Berge sprüht das Schneekristall. Des Tales Weidenborsten glitzern. Regenbögen stäuben. Von den Dächern aller Träume, von den Wimpern aller Fenster Regenbögen stäuben. In der tiefen, tiefen Spur, kommend vom Berg her, führend zum Berg hin, fern her, fern hin, in der tiefen, tiefen Spur, ist der Weihnachtstag gekommen. Szene auf der Straße (Solo m/it Kinderchor) Drei Schränke schwer der Sack, stapf’ ich den Berg hoch. Und ich denke: Sich an, der Hauswirt Friederich streut Asche. Doch sch’ ich recht, er droht mir mit der Schaufel? Nein er droht den Bäumen! Nein er droht den Zäunen! Nein, den Häusern! Ich denke: Hat’s ihn gepackt? Was muß ich hören! Hauswirt Friederich ist liederlich, ist liederlich. Hauswirt Friederich! Fehlt die Asche auf der Straße, fällt der Hauswirt auf die Nase! Ha - ha - ha, ha - ha - ha - ha! Hauswirt Friederich ist liederlich, ist liederlich. Hauswirt Friederich! Hauswirt, sollst die Asche sparen, denn wir wollen Schlitten fahren! Ha - ha - ha, ha - ha - ha - ha! Los! Macht Schneebälle! Hauswirt Friederich ist liederlich, ist liederlich. Hauswirt Friederich! Hauswirt, du brauchst nicht zu streuen, denn cs wird gleich wieder schneien! Ha - ha - ha, ha - ha - ha - ha! Mehr noch! Weiter! Ihr Lümmel! Ihr Lümmel! Ha - ha - ha, ha - ha - ha - ha! Schneebälle! Noch mehr! Ihr Lümmel! Ihr Lümmel! Ha - ha - ha, ha-ha-ha. Und ehe ich’s begreife, hängt in meinem Bart ein Schneeball. Ein Gekreische, als sic (ihre Schandtat sehen! Und sic laufen wie die Mäuse. Hicrgcblicbcn! Ruf’ ich. Und herunter, ’runter von den Bäumen! Ihr da, ihr da, hinter cucrm Zaun, ihr da, in den Ecken, nur hervor, hervorgekrochen! Ah, der Weihnachtsmann! Den hattet ihr wohl nicht erwartet? Und ich mache böse Miene: He! Was gibt’s? Also, also, ich - ich streue Asche. Ich streue Asche. (Also wir - wir wollen Schlitten fahren!)