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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 10.1966
- Erscheinungsdatum
- 1966
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-196600005
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19660000
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19660000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
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-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 10.1966
-
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- Ausgabe Nr. 2, 13.01.1966 1
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- Ausgabe Nr. 7, 17.02.1966 1
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- Ausgabe Nr. 41, 20.10.1966 1
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- Ausgabe Nr. 46, 17.11.1966 1
- Ausgabe Nr. 47, 24.11.1966 1
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Band 10.1966
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uf dem Düsseldorfer Parteitag der CDU am 31. März 1965 hat Erhard die Konzeption der For mierten Gesellschaft erstmalig vorgetragen. Sie wurde dann im Wahlkampf, in der Regierungs- A erklärung und in der folgenden Bundestagsdebatte von ihm und anderen srtretern des herrschenden Monopolkapi- J» interpretiert. Wurde anfangs diese äonzeption von großen Teilen der west- Weutschen Bevölkerung im wesentlichen hur als Wahlpropaganda und Fortsetzung GSr altbekannten Erhardschen Maßhalte- I Politik angesehen und unterschätzt, so *>8t sich doch jetzt immer klarer, daß die filierte Gesellschaft eine neue geschlos- P® Gesamtkonzeption des westdeutschen ilonopolkapitals zur Erreichung der alten “nen- und außenpolitischen Ziele ist. Warum verläßt das westdeutsche Mono- Polkapital nunmehr seine jahrelang im all- ^fassenden System des staatspolitischen Kapitalismus propagierte Idee der plura- “Stischen Gesellschaft? nnfolge der ungleichmäßigen ökonomi- Wen und politischen Entwicklung der im- realistischen Länder nach dem zweiten Meltkrieg wurde Westdeutschland wieder zweitstärkste Wirtschaftsmacht des im- alistischen Weltsystems. Betrug der eil Westdeutschlands an der Industrie- luktion der kapitalistischen Länder im re 1953 noch 6,7 Prozent, so konnte er tum Jahre 1964 auf 9,1 Prozent vergrö- werden. Demgegenüber verringerte der Anteil der USA von 51,9 im Jahre auf 44,5 Prozent im Jahre 1964 und Anteil Großbritanniens sank von 10,2 8,7 Prozent. L u ie Entwicklung auf dem Gebiet des Ex- Ports verlief in der gleichen Richtung. Im sengesellschaft des 19. Jahrhunderts“ ge wesen. Hier stritten machtvolle Gruppen mit gegensätzlichen Interessen um die So zialordnung. Das hat gedauert bis zum ersten Weltkrieg. Dann folgte die zweite Phase, die pluralistische Verbandsgesell schaft, die schon nicht mehr durch Klassen kämpfe um die Sozialordnung gekenn zeichnet war, sondern nur noch durch die Kämpfe der- starken Verbände um die Ver teilung des Sozialprogramms und daher nicht „auf den Generalnenner des Gemein wohls gebracht sind“. Die „kooperierte“, auf das „Gemeinwohl orientierte“, freiheitlich-demokratische“, von „hochgradiger Interdependenz“ gekenn zeichnete Gesellschaft, in der ein „gesamt gesellschaftliches Bewußtsein“ und der „soziale Ausgleich“ durch das „dynamische Gleichgewicht“ auf der Grundlage „der so zialen Marktwirtschaft“ hergestellt wird, ist mit diesen acht Merkmalen die For mierte Gesellschaft, die zu erstreben ist. Gegenwärtig befindet sich Westdeutsch land, so erklärt Erhard, im Übergang von der pluralistischen Verbandsgesellschaft zur Formierten Gesellschaft; also es ist noch keine Formierte Gesellschaft, sondern eine sich formierende Gesellschaft. Er be hauptet weiter, dieser Prozeß habe Gültig keit für alle vergleichbaren westlichen In dustrienationen, aber besonders für West deutschland. Lautsprecherisch fixiert Er hard das Bild einer friedlichen Gesell schaft. einer Wohlstandsgesellschaft, in der die Klassen sich als Klassen aufgehoben haben sollen. An ihre Stelle ist eine Lei stungsgemeinschaft getreten. Diese mo derne Leistungsgemeinschaft ist nicht frei von Interessengegensätzen, aber sie müs sen. fährt er fort, nicht notwendig den Konflikt mit anderen auslösen, weil der nicht nur das. Wie eh und je wird den Werktätigen im täglichen Kampf um die Verbesserung der Lebensbedingungen im mer mehr bewußt, daß nur eine grundle gende Änderung der Machtverhältnisse auch zu einer grundlegenden Änderung der gesamten Politik zum Wohle der Mehr heit führt. Dieser sich anbahnende Umschwung im Denken der Werktätigen ist ja gerade mit eine Ursache für die Forderung des Mono polkapitals nach der Formierten Gesell schaft. Das westdeutsche Monopolkapital versucht dabei auf seine Erfahrungen der Vergangenheit zurückzugreifen. So erklärt Erhard: „Die Ansätze der Formierten Ge sellschaft reichen bis in die Weimarer Zeit zurück und sind in der sozialen Marktwirt schaft zu erkennen.“ Götz Briefs erklärt genauer, welche Ansätze denn gemeint sind und weist auch darauf hin — da die Bildung der Formierten Gesellschaft „ein zielgerichteter geschichtlicher Prozeß“ ist, dem Gefahren drohen, und der auch schei tern kann —, welche Ansätze und Prozesse man fördern, welche man hemmen muß. Er erklärt, daß die Bundesrepublik einer seits in der Formierung wegen der „beson deren geschichtlichen Ereignisse und Er fahrungen des deutschen Volkes“ bereits weiter fortgeschritten ist als alle anderen vergleichbaren Industrienationen, aber auch, daß dieser Prozeß in Westdeutsch land besonders gehemmt wurde, weil „die Gewerkschaften zu einer Zeit, nämlich in den ersten Jahren nach dem zuzeiten Welt krieg, mächtig wurden, in der der Staat schwach, die Unternehmer gelähmt und die Demokratie durch die Besatzungs mächte restauriert war.“ Wahrlich, das ist keine „taufrische Er kenntnis“, wie Erler in der Bundestags essen nicht ohne weiteres mit dem Inter esse des Monopolkapitals übereinstimmen. Aber der Hauptstoß richtet sieh gegen die Gewerkschaften, als der größten Kraft im Kampf gegen das Monopolkapital. So hat Erhard in den Wahlversammlun gen anläßlich der Bundestagswahl die Ge werkschaftsführer als „Gewerkschafts bosse“ diffamiert, die die SPD unter Druck gesetzt hätten, zu den Notstandsgesetzen nein zu sagen (Die Welt, Hamburg, 9. 9. 1965, Ausgabe B). Er behauptete, daß sich innerhalb der Gewerkschaften eine Ent wicklung zeige, „die an der Struktur und dem Wesen unserer Demokratie rührt“ (Stuttgarter Zeitung. 10. 9. 1965), und mit der Drohung, die Gewerkschaften aufzu lösen. zeigte er den wahren Willen des Monopolkapitals. Er sagte: „Es kommt dar auf an, wie sich die Gewerkschaften ver halten ... Wenn Herr Brenner (Vorsitzen der der IG Metall) eine sozialistische Ein heitsgewerkschaft schaffen will, dann ver ändert er die Situation, dann werden wir in Bonn und auch die Gewerkschaften prüfen müssen, ob sie damit nicht das Grundgesetz verletzt haben“. (Die Andere Zeitung, Hamburg. 16. 9. 1965) Aber ganz so leicht geht es noch nicht, die Gewerkschaften an die Grenze der Bonner Rechtsstaatlichkeit zu bringen und sie zu verbieten wie die KPD und andere fortschrittliche Vereinigungen. Die Vertreter der Formierten Gesell schaft möchten eine Funktionsumkehrung der Gewerkschaften und all der anderen Institutionen, die eigene Forderungen ge genüber- dem Monopolkapital haben, er reichen. Sie sollen gleichgeschaltet werden, und nicht nur sie, auch das Parlament und die Parteien sollen so reformiert wer- Gesamtunternehmen stagniert und die wirtschaftliche Existenz der Gesellschafts mitglieder, etwa durch steigende Arbeits losigkeit, gefährdet wird, dann bleibt als Alternative nur die Einsetzung eines Un ternehmers für den Gesamtbetrieb — und d. h. der Übergang von der politischen Demokratie zu irgendeiner Form autokra tischen oder totalitären Regimes“, droht Prof. Voegelin, und Erhard ergänzt; „Wir sollten den Niedergang und Untergang der Weimarer Demokratie und ihre Ablösung durch einen totalitären Staat nüchtern und realistisch betrachten.“ Die nüchterne und realistische Einschät zung ist einfach und klar: Der Faschismus und seine Ordnungsprinzipien sind eine gesetzmäßige, notwendige Bedingung in der dritten Phase der „nichtkommunistischen Industriegesellschaft“. Weil das deutsche Volk sich 1929 in der Weimarer Zeit nicht freiwillig entsprechend den innen- und außenpolitischen Zielen des Monopolkapi tals verhielt, kam es, nach Erhard, 1933 zu einer „explosiven Reaktion“, die dann aber zu wirtschaftlichen und außenpolitischen Erfolgen des Nationalsozialismus führte. (Siehe L. Erhard, Um ein geschichtliches Selbstbewußtsein, in: Bulletin der Bun desregierung vom 19. 5. 1965.) Deshalb soll auch, wie Erhard und die anderen Gelehrten der Verfechter der Formierten Gesellschaft es fordern, der Faschismus real und nüchtern eingeschätzt werden, und es soll bewußt bleiben, daß wir in einer nachfaschistischen Phase le ben. Wenn Erhard in seiner Regierungser klärung am 10. 11. 1965 konstatierte, daß die Nachkriegszeit beendet sei, dann auch in dem Sinne, daß die demokratischen Hemmnisse, wie sie sich durch die teil- Dr. rer. oec. Hans Wilde, Hubert Wawrzinek, Gertraude Kuhl über die FORMIERTE GESELLSCHAFT: Neuauflage der ahre 1950 betrug der Anteil Westdeutsch- ands am Export aller kapitalistischen Län- 8 nur 3.5 Prozent, der Großbritanniens 3 und der der USA 18,2 Prozent. 1964 ihreichte der Export Westdeutschlands je- 0h bereits einen Anteil von 10.8 Prozent, fahrend der Anteil Großbritanniens auf 5 Und der Anteil der USA auf 17,5 Pro- pnt zurückging. n ie zunehmende ökonomische Stärke des estdeutschen Imperialismus konnte aber 11 Hun noch nicht in einem entsprechen- den politischen Einfluß in Europa und in er Welt umgesetzt werden. Mit dem Ent- Hen der DDR wurde der Herrschaftsbe- eich des westdeutschen Monopolkapitals u6 ZWei Drittel seines ursprünglichen Ter- ptoriums eingeschränkt, und weder Frank- sech noch Großbritannien noch andere im- realistische Länder wollen sich den Inter- Esen des westdeutschen Finanzkapitals Gnterordnen. Das zeigt sehr deutlich die rHgste Entwicklung in den Beziehungen “"ischen Westdeutschland und Frankreich. nEsist der alte Widerspruch zwischen öko- iismischer Stärke des deutschen Imperia- Smus und der Begrenzung seiner politi- dehen Einflußsphäre, der ihm einen beson- Hg aggressiven Charakter verleiht. Trotz verständnisvolle Ausgleich ein gutes Mit tel demokratischer Politik ist. Wobei dem einzelnen ein Mitspracherecht an den öf fentlichen Dingen zugebilligt wird. Des halb soll die Formierte Gesellschaft auch eine informierte Gesellschaft sein. Sind die Klassen tatsächlich verschwun den? Die „Auflösung des Proletariats“ wird von den westdeutschen Soziologen auf der Grundlage der sogenannten Theorie der sozialen Stratifikation erklärt, nach der die Gesellschaft in eine große Anzahl so zialer Schichten und Gruppen nach Merk malen wie Lebensstandard. Erziehung, Be ruf. Bildung, Religionszugehörigkeit, poli tische Stellungnahme usw. differenziert werden muß. Im Gegensatz zu dieser bür gerlichen Klassentheorie, die Erscheinungs merkmale und subjektive Interessen zu den Kriterien der Gesellschaft erhebt, fußt die wissenschaftlich marxistisch-leninistische Lehre von den Klassen auf den gesell schaftlichen Verhältnissen der Menschen zu den Produktionsmitteln. Deshalb defi niert Lenin die Klassen als „große Men schengruppen, die sich voneinander unter scheiden nach ihrem Platz in einem ge schichtlich bestimmten System der gesell schaftlichen Produktion, nach ihrem (größtenteils in Gesetzen fixierten und for- debatte witzelte. Aber mit Witzen ist dieser gefährlichen Theorie nicht beizukommen. Denn ihr Inhalt ist eine neue Form der Diktatur des Monopolkapitals in West deutschland. Das alte Gewand des Faschis mus soll auf die heutigen Bedingungen zu rechtgeschneidert werden. „Aus dem Plan der Formierten Gesellschaft spricht eine ,klügere', die Fehler der Hitlerzeit, den technischen Fortschritt und die allgemeine innen- und außenpolitische Situation in Rechnung stellende Großmachtpolitik. Die Begründungen haben sich verändert, die Ziele sind geblieben. Die modernen Indu striellen des Jahres 1965 wollen gewiß nicht den unmodernen Faschismus des Jahres 1933;' sie wollen einen .zeitgemäßen*, der den technologischen und politischen Ver hältnissen der Jahre 1965 bis 1970 ange paßt ist.“ (R. Opitz, der Große Plan der CDU: Die Formierte Gesellschaft, in Do kumentation der Zeit, Nr. 344, S. 29). Über die Verbindung der Formierten Gesellschaft mit dem Faschismus wird in den Thesen kein großes Hehl gemacht. In wessen Interesse soll die Gesellschaft for miert werden? Im Interesse der westdeut- chen Großindustrie. Deshalb wird klar erklärt, die soziale Marktwirtschaft „soll die partikularen Interessen aller Art in den. Denn wenn es keine Gruppen mehr geben soll, die einander ausschließende Ziele verfolgen, dann muß ja die Demo kratie reformiert werden, wie es Gersten maier bereits 1958 und wiederum 1964 vorschlug, auf den sich Erhard berief. So erklärte Gerstenmaier, „man muß sich doch darüber klar sein, daß auch die Demokra tie ihre Risiken hat“ und weiter, „ich weiß, was die Zahl in der Demokratie be deutet. Aber ich bin kein Zählenfetischist, was in diesem Zusammenhang heißen soll, daß ich nicht der Meinung bin, daß die Mehrheit immer automatisch recht habe.“ Wie soll denn die Modernisierung der Demokratie aussehen, die Erhard fordert? Er fordert „moderne Techniken“ der De mokratie und der Parteien, die auf das Gemeinwohl orientiert sind, sich auf einen Prioritätenkatalog festgelegt haben und in ihrem Einflußbereich die Wähler von der Richtigkeit dessen überzeugen, was er, der Volkskanzler, als richtig bezeichnet. Das war alles schon einmal da. Der „Führer“ rief den Reichstag zur Krolloper und die Abgeordneten durften Beifall spenden, wenn er die Politik der Großbourgeoisie erläuterte. Ein Volk, ein Reich-, ein Führer. Wobei Erhard der Meinung ist, daß ein Führer weise Einführung einer bürgerlichen De mokratie in der Nachkriegszeit ergaben, nun endgültig beseitigt werden müssen. Freiwillig oder mit Gewalt. Und so dekla rierte er, „ein geeintes Europa hat unseren politischen Willen geprägt, die alle über lieferte europäische Ordnung entspricht nicht mehr dem Geist und den Erforder nissen unseres Jahrhunderts.“ Damit be finden wir uns wieder in einer Vorkriegs zeit, die mehr und mehr durch faschisti sche Ordnungsprinzipien gekennzeichnet wird. Jedoch die Situation in Deutschland ist heute wesentlich anders als im Jahr 1933. Die deutsche Arbeiterklasse ist nicht mehr schwach. In unserem Staat hat sie im Bündnis mit allen werktätigen Schichten des Volkes die Macht. Unser Staat ist gleichberechtigtes Mitglied im sozialisti schen Lager. Von Tag zu Tag wächst un sere wirtschaftliche und politische Stärke unter einem sicheren militärischen Schutz. Auch in Westdeutschland hat sich einiges geändert. Innenpolitisch hat sich gerade im letzten Jahr deutlich gezeigt, daß die überwiegende Mehrheit der westdeutschen Bevölkerung, vor allem die Arbeiterklasse und ihre Gewerkschaften nicht bereit sind, die reaktionären Ziele des westdeutschen faschistischen Volksgemeinschaft Serin den Zahlen über die industrielle ^uktion ausgewiesenen ökonomischen Indrke ist der westdeutsche Imperialismus N Gen zurückliegenden Jahren als System wht stärker geworden, denn das System änd erschüttert von einer Reihe krisen- etnicher Erscheinungen im Innern. Aber listist aggressiver geworden. Die imperia- k tschen Kreise Bonns sind sich darüber tsr daß sie ihre aggressive außenpoli- ine Konzeption der Vorherrschaft nicht ^ Alleingang gegen die Stärke und Ge- v *°ssenheit der sozialistischen Länder Wirklichen können. Sie versuchen des- Mah mit allen möglichen Mitteln und lssthoden die USA und andere imperia- essche Länder zu binden und „die aus- hebende nicht östliche Welt auf nq antikommunistische Globalstrategie Ch eigenen Vorstellungen festzulegen“. deür die Durchsetzung ihrer Politik unter 16 heutigen Bedingungen reicht weder Nesn. noch außenpolitisch ihre alte Theo- Me4Us. Deshalb entwickelten sie die Theo- di der Formierten Gesellschaft. Wie wird I-neue Theorie von Erhard und Kon- deten begründet? Am klarsten ist sie in hd12 Thesen dargestellt, die im Juli 1965 fe en ..Gesellschaftspolitischen Kommenta- Ver 2 dem theoretischen Organ der CDU, hbor entlicht wurden. An dieser Konzeption nteen auch solche während des Faschis- ren nicht unbekannt gebliebene Professo- Bar Wie Götz Briefs und Voegelin, Ordi- der politischen Wissenschaften in Chen, mitgearbeitet. han den ersten vier Thesen wird die Be- ePtung aufgestellt, daß unter Formier- FGesellschaft die durch eine bestimmte Gitm charakterisierte Gesellschaft der nstien Phase der modernen nichtkommu- veschen Industriegesellschaft verstanden Cen muß. Die erste Phase sei die „Klas- mulierten) Verhältnissen zu den Produk tionsmitteln, nach ihrer Rolle in der gesell schaftlichen Organisation der Arbeit und folglich nach der Art der Erlangung und der Größe des Anteils am gesellschaft lichen Reichtum, über den sie verfügen.“ (Lenin, Werke, Bd. 29, S. 410). Die Arbeiterklasse rekrutiert sich also aus den Lohnarbeitern der Industrie, Land- und Forstwirtschaft, aus dem größten Teil der Angestellten und Beam ten im produktiven und unproduktiven Be reich, aus Arbeitslosen und nichtberufstä tigen Angehörigen der Arbeiter. Legt man die letzten Jahre der Entwicklung West deutschlands zur Formierten Gesellschaft zugrunde, so zeigt sich, daß der Anteil der Arbeiterklasse von 70 Prozent auf weit über 80 Prozent an der Gesamtbevölke rung gewachsen ist. Diese Zunahme basiert hauptsächlich auf der Ruinierung von etwa 500 000 Klein- und Mittelbetrieben der Landwirtschaft, ungefähr 200 000 Hand werksbetrieben und über 100 000 Einzel händlern. Andererseits nimmt der Anteil der Monopolbourgeoisie innerhalb der Ka pitalistenklasse immer mehr ab, er beträgt gegenwärtig etwa 1.7 Prozent. Im Prozeß der Reproduktion des Kapitals unter den Bedingungen in Westdeutsch land werden nicht nur die sachlithen Be standteile der gesellschaftlichen Reproduk tion reproduziert, sondern auch die gesell schaftlichen Verhältnisse, die Klassen und der Klassenkampf auf erweiterter Stufen leiter. Der Klassenkampf in Westdeutsch land, im wesentlichen getragen von den Gewerkschaften, hat heute die Verbesse rung der sozialen Lage der Arbeiterklasse, die Erhöhung der gewerkschaftlichen Mit sprache bei der Durchsetzung der techni schen Revolution und ein größeres poli tisches Mitspracherecht zum Inhalt. Aber übergeordnete politische Entscheidungen einordnen, sowie Aufbau und Bestand einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ermöglichen.“ Darum heißt es; „Der Unternehmer muß sich als Schlüsselgestalt der künftigen ge sellschaftlichen Ordnung empfinden“, die Unternehmer müssen zu „kraftvollen Zel len einer sich neu bildenden Gesellschafts ordnung werden.“ Den Interessen des Mo nopolkapitals sind alle anderen Forderun gen der Formierten Gesellschaft unterge ordnet. Rüdiger Altmann, ein im Stab der CDU zur Propagierung der Formierten Gesellschaft mitwirkender Publizist, sagt es klar: „Die Dynamik der Wirtschaft, die Konzeption auf eine fortdauernde Erhö hung der Leistung und Nutzbarmachung des technischen Fortschritts innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft darf nicht in die Formierung der Gruppen einbezogen, ihr nicht untergeordnet werden.“ Alle an deren Gruppen, die es in der Gesellschaft gibt, müssen sich dem von der Großin dustrie gesetzten Gemeinwohl unterordnen. So ergibt sich dann auch klar die poli tische Stoßrichtung der Formierten Gesell schaft, gegen die Gewerkschaften, die nicht, wie bedauert wird, zum Ordnungsfaktor im westdeutschen Staat in der Nachkriegs zeit geworden sind; aber auch gegen an dere Gruppen der Wirtschaft, die sich nicht dem Diktat des Monopolkapitals beugen wollen, wird vorgegangen. Erhard lügt deshalb gar nicht, wenn er in der Bundestagsdebatte erklärt, er wende sich ja nicht nur gegen die Gewerkschaften, sondern auch gegen Unternehmer und ihre Interessenverbände. Natürlich wendet er sich auch gegen die Verbände der lei stungsschwachen Industriezweige oder der Landwirtschaft, gegen kirchliche Vereini gungen und andere Vereine, deren Inter- noch nicht unbedingt nötig sei. Denn wenn alle Gruppen sich freiwillig den Forderun gen des Monopolkapitals unterordnen, dann entwickelt sich die Industriegesell schaft der dritten Phase in immer steigen dem Maße zu einem Gesamtbetrieb, der ohne Gesamtunternehmer funktionieren kann. Das ist eben der „demokratische Prozeß“ in der Formierten Gesellschaft, wenn „außer den Unternehmern im alten Sinne auch die Gewerkschaften, Verbände aller Art, Landwirtschaftsorganisationen, die Presse und nicht zuletzt die Regierung und die öffentliche Verwaltung“ diszipli niert zusammenarbeiten und jede Störung vermeiden. „Eine solche Gesellschaft ist nicht autoritär zu regieren, sie kann ihrem. Wesen nach nur demokratisch sein“, so meint Erhard. Zweifellos ist unter den heutigen politi- schen Bedingungen in der Welt dem Mo nopolkapital eine solche Demokratie, in der Demokratie gespielt wird, und in der die Interessen des Monopolkapitals durch gesetzt werden, angenehmer als eine offene faschistische Diktatur. Deshalb sind sie auch gewillt, in einer solchen Demo kratie, in der jeder die besondere Funk tion des anderen anerkennt — der Mono polist bleibt Monopolist, der - Arbeiter bleibt Arbeiter, der nicht mitzubestimmen hat —, das Sozialprodukt so zu verteilen, daß soziale Revolutionen ausbleiben und die ganze Wirtschaftsorganisation außer Gefahr ist. Wenn aber einzelne Gruppen diesen „demokratischen Prozeß“ stören, sich un diszipliniert verhalten, dann bleibt als Alternative nur übrig, einen starken Mann als Gesamtunternehmer einzusetzen. „Wenn der demokratische Prozeß unter den Teil nehmern nicht zu Lösungen der ständig anfallenden Probleme führt, so daß das Imperialismus zu unterstützen. Im Kampf gegen die atomare Aufrüstung, gegen die Notstandsgesetze und den sozialen Abbau sind die demokratischen Kräfte in West deutschland gewachsen. Die Arbeiterklasse und große Teile der Intelligenz, nicht zu letzt an den Hochschulen und Universitä ten, werden politisch entschiedener wirk sam. Die im DGB vereinigten westdeut schen Industriegewerkschaften nehmen in entscheidenden Fragen des Kampfes eine klare und feste Klassenposition ein. Auch die über 13 Millionen Wählerstimmen für die SPD sind Ausdruck des Willens eines großen Teiles der Bevölkerung für eine andere, realere Politik. Eine neue Etappe des demokratischen Widerstandes gegen die reaktionäre Politik der Monopole und der CDU/CSU entwickelt sich. Die Kraft, welche dem Monopolkapital Einhalt gebieten kann, würde vervielfacht, wenn die beiden stärksten deutschen Ar beiterparteien, die SED und die SPD, zu einer Verständigung über gemeinsame Maßnahmen zur Sicherung des Friedens und zum Abbau des kalten Krieges kä men, so wie es im offenen Brief des ZK der SED an die Mitglieder der SPD vor geschlagen wurde. Dann bliebe die Theorie der Formierten Gesellschaft nur ein Ver such, dem System des staatsmonopolisti schen Kapitalismus eine theoretische, ge sellschaftspolitische Grundlage zu geben und die immer tiefere Spaltung der Ge sellschaft in eine winzige Gruppe herr schender Konzerne und Multimillionäre und die Masse der beherrschten Werktäti gen zu verschleiern. Dann wird es keine Neuauflage der Hitlerschen Volksgemein schaft zur Vorbereitung der Menschen auf eine imperialistische Aggression, die von deutschen Boden ausgeht, mehr geben. UZ 9/66, Seite 5
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