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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 14.1970
- Erscheinungsdatum
- 1970
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-197000004
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19700000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19700000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise mit vorlagebedingtem Textverlust
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
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-
Zeitschrift
Universitätszeitung
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Band
Band 14.1970
-
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- Ausgabe Nr. 7, 12.02.1970 1
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Prof. Dr. Rudolf Rochhausen Marxistisch-leninistische Philosophie - „fachbezogen“? I E Die Zurückführung Erkenntnisse Strukturen „schwanken". terialismus auf das Niveau einer schlechten „Naturphilosophie“ herab. auf läßt als aus- Art den Ma- Die Materie ver- physikalischer mathematische den Physiker wissenschaftlichen Denkens „dialektischen Materialismus“ zugeben. Auffassungen dieser sind positivistisch und setzen dialektischen und historischen Allerdings werden oft auch von marxistisch-leninistischen Gesell schaftswissenschaftlern Grundfragen des dialektischen Materialismus als „fachbezogen“ bezeichnet, weil die selben mit der Deutung naturwissen schaftlicher Probleme und Theorien verflochten sind. Neue Entdeckungen und neue theoretische Erkenntnisse auf dem Gebiet der Naturwissen schaften werden bekanntlich von idealistischen Naturphilosophen aus genutzt, um das materialistische Weltbild im allgemeinen anzugrei fen und zu „widerlegen“. In seinem Werk „Materialismus und Empirio kritizismus“ sieht Lenin z. B. eine Ursache des physikalischen Idealis mus im „... Schwanken des Denkens in der Frage der Objektivität der Physik“, das durch die idealistische Deutung der Mathematisierung die ser Wissenschaft hervorgerufen wird. schwindet! Es bleiben einzig und al lein die Gleichungen.“ (Vgl. Lenin, Materialismus und Empiriokritizis mus, in Werke: Bd. 14, Berlin 1962, S. 310). Damit hat Lenin zugleich das Wesen der „Krise der Physik“ erkannt, das „... in der Preisgabe der objektiven Realität außerhalb des Bewußtseins, d. h. in der Erset zung des Materialismus durch Idealismus und Agnostizismus“ be steht (vgl. ebd., S. 257). Lenins Analyse weltanschaulich-ideologi scher Probleme der Naturwissen schaften seiner Zeit lassen das Rin gen um eine wissenschaftliche Weltanschauung erkennen. Es geht ihm letztlich um die Durchsetzung des philosophischen Materialismus gegen die verschiedensten Formen des philosophischen Idealismus. Die ser Kampf ist heute noch genauso aktuell, wie vor 60 Jahren. Er ist zugleich ein Ausdruck des ideologi schen Klassenkampfes, der auf Grund der engen Verbindung von Naturwissenschaft und Philosophie unmittelbar in die Naturwissen schaft selbst eingreift. Ich glaube, es leuchtet ein, daß es sich bei dieser Problematik um Grundprobleme des dialektischen Materialismus handelt, die ganz ein fach deshalb in das marxistisch-le- ninistische Grundlagenstudium ge hören, weil sie einen großen ideolo- gischen Erziehungswert besitzen. Besonders Studenten des naturwis senschaftlichen Bereiches müssen frühzeitig zur Erkenntnis geführt werden, daß selbst große Wissen schaftler ihres Spezialgebietes oft auf dem Gebiet der Philosophie noch einen recht „alten Hut“ zur Schau tragen (z. B. W. Heisenberg) und daß sich Vertreter der spätbürgerlichen Philosophie nicht scheuen, die Er gebnisse der Naturwissenschaftler bewußt zu fälschen. Neben diesen weltanschaulich ideologischen Grundproblemen der Wechselwirkung von Naturwissen schaften und marxistisch-leninisti scher Philosophie gibt es auch Probleme, die zum Teil über das Ziel des marxistisch-leninistischen Grundlagenstudiums (Vermittlung von marxistisch-leninistischen Grund wissen) hinausführen. So erlangen z. B. die erkenntnistheoretischen Wird in unserer Epoche „das Wachstumstempo der Produktiv kräfte und die ökonomische Stärke eines Staates maßgeblich durch das Entwicklungsniveau und das Ent wicklungstempo von Wissenschaft und Technik bestimmt“ (W. Ul bricht, „Grundlegende Aufgaben im Jahr 1970“, Referat auf der 12. Ta gung des ZK), dann erhält die Pro blematik einer echten Integration von Natur-, Struktur-, technischen Wissenschaften und marxistisch-le ninistischer Philosophie besondere Aktualität. Diese echte Integration, die z. B. in dem Gedanken Lenins zum Ausdruck kommt, daß der dialektische Materialismus im vollen Einklang mit der naturwissenschaft lichen Erkenntnis steht, ist nicht mit der Befürwortung einer „fach bezogenen Philosophie“ gleichzuset zen. Eine solche falsche Fachbezogen- heit äußert sich von der Naturwissenschaft her in folgender Art und Weise: Der Theoretiker einer naturwissen schaftlichen Disziplin bezeichnet Theorien seines Fachgebietes als Philosophie. Da naturwissenschaft liche Theorien die wesentlichen Be standteile einer bestimmten Diszi plin sind, liegt somit der Gedanke nahe, z. B. von einer „dialektisch materialistischen Biologie“, „mar xistisch - leninistischen Physik“ usw. zu sprechen. „Unliebsame“ Theorien können dann sehr leicht als bürgerliche Ideologie abgetan werden. Damit wird jeder Form des wissenschaftlichen Meinungsstreites im Keim erstickt... So wurde bekanntlich von Lys senko und seinen Schülern die mo derne Genetik nicht nur als „idea listisch“ und „metaphysisch“, „in deterministisch“ und „subjektivi stisch“, sondern auch als „agnostizi stisch“, „vitalistisch" und „teleolo gisch“ bezeichnet. Der Laie mußte zu dem Schluß gelangen, daß es sich im Falle der Genetik nicht um eine Disziplin der Biologie, sondern um eine Form der reaktionärsten bür gerlichen Ideologie handelt. © Von den Philosophen fordert der gleiche Gedankengang ein Auflösen des einheitlichen Systems des dialektischen und historischen Materialismus in „Minigebiete“, die selbständig nebeneinander existie ren, z. B. eine Philosophie der Ma- Thematik, der Kybernetik, der Phy- sik, Biologie usw. Einer unteren Aufspaltung ist dabei keine Grenze gesetzt, denn auch die Teildiszipli- nen verlangen dann natürlich eine „fachspezifische“ Philosophie. Durch die falsche Fachbezogen- heit wird also erreicht, daß der Na turwissenschaftler den echten philo sophischen Fragen seines Fachgebie tes ausweicht, während der Philo soph die marxistisch-leninistische Philosophie entideologisiert, indem er krampfhaft bemüht ist, das zum Teil von ihm vorgenommene sim plifizierte „Nachzeichnen“ natur und methodologischen Gesichts punkte der marxistisch-leninisti schen Philosophie für die Natur wissenschaft immer mehr Bedeutung, weil nur sie in der Lage sind, ihr ein „Programm“ für die Forschung und ihre weitere Entwicklung zu ge ben. Nach Lenin erfordert die be griffliche Bewältigung der objekti ven Dialektik der Naturprozesse eine bewußte Anwendung der Dialektik als Methode der Erkenntnisgewin nung. Ausgehend von diesem Grund gedanken, entwickelt Lenin seine „dialektische Logik“, die die Voraus setzung bildet für eine allgemeine Methodologie der , Naturwissen schaft, deren Prinzipien auf dem ganzen Reichtum der Elemente und Gesetze der materialistischen Dialek tik beruhen. Wir können auf die Vielzahl der Probleme, die sich im Zusammen hang mit dem dialektischen Ma terialismus als allgemeiner Methodo logie ergeben, im Rahmen dieses Beitrages nicht eingehen und ver weisen deshalb auf den Sammel band „Lenin und die moderne Natur wissenschaft“, der anläßlich seines 100. Geburtstages im Verlag der Wis senschaft erscheint. Unser Anliegen war, die durch die Integration der Natur- und mar xistisch-leninistischen Gesellschafts wissenschaften bedingte Wechsel wirkung zwischen marxistisch-le ninistischer Philosophie und Natur wissenschaft herauszuarbeiten und gegen eine sogenannte „fachbezo gene“ Philosophie Stellung zu neh men. Aus der richtigen Erkenntnis dieser Integration ergeben sieh eine ganze Reihe Schlußfolgerungen für die Entwicklung der Wissen schaft als Ganzes. Der Naturwis senschaftler erhält in der Gestalt der marxistisch-leninistischen Philoso phie ein weltanschauliches, erkennt nistheoretisches und methodologi sches „Werkzeug“, das sich zugleich als wesentliche Grundlage aller Ein zelwissenschaften erweist. Da die Wissenschaft als Ganzes ein einheitliches System darstellt, so bedeutet das vor allem gegensei tige Beeinflussung von Struktur-, Natur- und marxistisch-leninisti schen Gesellschaftswissenschaften einschließlich der einheitlichen mar xistisch-.leninistischen Philosophie- Nur auf diese Weise entwickelt sich die Integration des Systems Wis senschaft, d. h. seine innere Organi siertheit und Strukturiertheit. Ge genseitige Einwirkung heißt aber, daß auch die Natur- und Struktur wissenschaften (Mathematik, Logik, Kybernetik) einen determinierenden Einfluß auf die marxistisch-leninisti schen Gesellschaftswissenschaften ausüben. Beispielsweise gibt es Me thoden der Natur- bzw. Struktur wissenschaften, wie die Modellme thode, die experimentellen und die mathematischen Methoden, die zwei fellos zu Erfolgen in der gesell schaftswissenschaftlichen Forschung beigetragen haben. Ein wesentliche Aufgabe des einheitlichen dialekti schen und historischen Materialis mus als allgemeine Methodologie besteht also auch darin, diese Ver fahren in das Methodensystem der Gesellschaftswissenschaften zu in tegrieren. E s ist seit langem kein Geheimnis mehr, daß Schriftsteller und Künstler. Philosophen und Wissenschaftler ebenso eng der ge sellschaftlichen Ordnung verbunden sind, wie die Arbeiterklasse und die Bauern, Schön in der Antike wurden die Zusammenhänge von । ünstlerischer Produktion und ihren materiel- * n Voraussetzungen im gesellschaftlichen Sy- stem entdeckt, das seinerseits durch die Pro- duktionsverhältnisse bestimmt war. Ästhe- *[ S(: he Reflexionen und Kanons waren an die Geschichte gebunden. 1 Nach einer Vielzahl von in der Geschichte der Menschheit gemachten Versuchen haben Marx und Engels diesen Sachverhalten eine vissenschaftliche Begründung und Bestim- Dung gegeben, die jeder Vulgärsoziologie den Boden entzog. Eine Reihe von Ausbeu- ern des Marxismus aber versuchte, entweder »ie Probleme der Ästhetik bei Marx und En- Pels überhaupt zu umgehen, oder aber der lehre des Marxismus den Charakter einer ab- itrakten und nur sozialökonomischen Doktrin tu geben. 3 Damit wurde im Bereich der Kul- ur, Kunst und Ideologie bewußt ein freier aum gelassen, den man beliebig mit sub- (aktivistischen Ansichten und Interpretationen bevölkern konnte. 3 Dabei wurden und werden immer wieder die Angriffe gegen die Feststellung von Marx Morgetragen, daß das ästhetische Bedürfnis Ain historisches Produkt und seiner Umgebung engemessen ist, aber diese auch bestimmen hilft: »Der Kunstgegenstand — ebenso jedes andere Produkt - schafft ein kunstsinniges pnd schönheitsgenußfähiges Publikum. Die "oduktion produziert daher nicht nur einen äisgenstand für das Subjekt, sondern auch mo Subjekt für den Gegenstand.“ 4 Gesetz- in? c? kann keiner politischen Kraft, die sich l Einklang mit dem Gang der Geschichte etindet, wie die Kraft des Proletariats und Prof. Dr. Kurt Schnelle: M. Georges Pompidou und die Dichter „Konsumtionsgesellschaft mit Zuschuß an Seele" zu definieren sucht, will die Analyse der großen Krise vom Mai—Juni 1968 und die echten Schlußfolgerungen selbst verweigern. Wenn damals an die Wände der Pariser Kunsthochschule geschrieben wurde: „Die bür gerliche Revolution war eine juristische. Die proletarische Revolution war eine ökonomi sche. Die unsrige ist eine Kulturrevolution", und sich so die ganze Verwirrung und Rat losigkeit artikulierte, die die „Neue Linke" auf ollen ihren Wegen begleiten sollten, oder Zur Strategie und Taktik der Kulturpolitik im System dss seiner Partei, gleich sein, welche Wirkungen ein Kunstgegenstand ausstrahlt oder nicht. Das trifft natürlich auch auf ein verstecktes Bewußtsein, wie z. B. auf den spätbürger lichen Politiker M. Georges Pompidou zu, der sich als Herausgeber einer Anthologie der französischen Lyrik zu einer Auseinanderset zung mit der Poesie versucht sah, deren Wirksamkeit und Sprengkraft ihm wohl an einigen Muslerexemplaren aufgegangen war. Er legte darum eine Rede zum Thema „Dich tung und Politik“ vor, die auf einer der Soi reen der Comedie-Francaise Ende April 1969 vorgetragen wurde. Entgegen den Gepflogen heiten trat M. Pompidou nicht selbst auf, er ließ die Rede vortragen, da er mit den Plä nen zur Machtübernahme beschäftigt war, und er verzichtete auf eine offene Diskussion mit dem Publikum. Es ist ein Versuch, auf dem Gebiet der Kulturpolitik die „abscheulichen Standarten des Aufruhrs“ (Le Figaro) auszu- merzen. Denn das gesellschaftliche System des staatsmonopolistischen Kapitalismus, diese mechanistische", „post-industrielle", „industrielle“, „Konsumtions-" oder auch „Neue" Gesellschaft, 5 die man als eine wenn es an der Wandzeitung der Sorbonne hieß: „Die Beginnende Revolution wird nicht nur die kapitalistische, sondern auch die indu strielle Gesellschaft in Frage stellen. Die Ver brauchsgesellschaft muß eines gewaltsamen Todes sterben. Die Gesellschaft der Selbst entfremdung muß aus der Geschichte ver schwinden. Wir erfinden eine neue originelle Welt. Die Phantasie ist an die Macht ge langt", so stand damit eine doppelte Aufgabe vor der amtlichen Kulturmanipulation: Den Pluralismus als „Alternative" - einschließlich der Instinkte und des „Eros" — gegen eine Frontenbildung des sozialistischen Fortschritts zu befördern und andererseits den Aufschwün gen der künstlerischen Phantasie einen be scheidenen Platz in der Gesellschaft zuzuwei sen. Mit behutsamer Hand versteht sich und unter anderem, um zu zeigen, daß man heute überhaupt nicht mehr Kommunist zu sein braucht, um die Welt zu verändern. Denn, und das hatte der Kritiker Claude Roy einmal ge sagt: „Die Kunst ist der kürzeste Weg von einem Menschen zum anderen." Als ob damit schon alles getan wäre! Aber da selbst in der Sache etwas Dialektisches liegt, was uns schon Marx entdeckte, mußte man an die Stabilisier rung auch in dieser Diskussion denken. In diesen Zusammenhängen liegt die Be deutung des Beitrages von Georges Pompi dou, den er sofort exklusiv im „Figaro litt- raire" erscheinen ließ. 6 M. Pompidou spricht zunächst über die Wahl des Themas, die er als einen Akt der Selbsterkundung versteht: „Allgemein nimmt man an, daß ich Politik mache. Andererseits habe ich nicht nur eine Neigung zur, sondern eine wahre Leidenschaft für die Dichtung. Die Frage, die ich mir stellte, war also die: gab es zwei Menschen in mir, wie der Psalm sagt, einer, der nach Gott strebt, ich will sagen zur Dichtung, und ein anderer, der der teuflischen Versuchung erliegt, ich will sagen der politi schen Aktion, oder kann man behaupten, daß Dichtung und Politik, sagen wir, zu versöhnen sind?" Um das zu erkunden, hat er einen Blick zu rück in die Geschichte geworfen und auf das Verhältnis zwischen den Dichtern und Poli tikern in ihr. Das scheint ein vernünftiger An fang, aber was macht Herr Pompidou daraus? Zunächst setzt er einen willkürlichen Akzent mit folgendem Satz: „Zu allererst ist jeder veisucht zu denken, daß Dichtung und Politik sich grundsätzlich widersprechen. ,Die Politik, leider Gottes, das ist unser Elend'", schrieb Müsset. Ja, das schrieb Müsset'und noch viel mehr - als Kritik an den bürgerlichen Lebensformen seiner Zeit, gegen die Herrschaft der Bankiers und die dadurch vertanen Möglichkeiten der echten gesellschaftlichen Veränderung. Karl Marx schrieb dazu in „Die Kiassenkämpfe in Frankreich“: „Nicht die französische Bour geoisie herrschte unter Louis Philippe, sondern eine Fraktion derselben, Bankiers, Börsen könige, Eisenbahnkönige, Besitzer von Kohlen- und Eisenbahnwerken und Waldungen, ein Teil des mit ihnen ralliierten Grundeigentums — die sogenannte Finanzaristokratie. Sie saß auf dem Thron, sie diktierte in den Kammern Gesetze, sie vergab die Staatsstellen vom Minister bis zum Tabaksbüro."’ Und eben dar um fragte Müsset die Regierenden: „Wenn aber der Arme einmal begriffen hat, daß alle Menschen die gleichen Rechte haben, daß alle Güter von dieser Welt sind und daß sein Elend ruchlos ist, was werdet ihr ihm sagen, wenn er besiegt ist?“ 8 Unter der Hand brachte M. Pompidou einen abgelegten Stich ins Spiel. Die Damen der guten Gesellschaft fanden sich auf den un glücklichen Liebhaber der George Sand ver wiesen — wie poetisch rührend, warum auch Politik! So erzählt uns M. Pompidou, man ver gleicht nur zu leicht Politik mit Realismus, wenn nicht mit Niedrigkeit, während die Dich tung eine Domäne des Traumes, zumindest des Ideals sei. Außerdem hätten alle Dichter, die sich in Politik versuchten, dort kaum Er folge geerntet, wie man ah Lamartine, selbst Victor Hugo und auch bei Chateaubriand sehen könne. Sie alle befanden sich binnen kurzer Zeit in der Opposition, „was in der Politik das Zeichen des Scheiterns ist". Nicht, daß die Opposition eine kritikwürdige Hal tung sei, o nein, so weit geht M. Pompidou nicht zurück, „aber derjenige endlich, der die Unannehmlichkeiten des politischen Le bens, seine Knechtschaften, seine Verantwort lichkeiten, seine Schmutzigkeiten und manch mal seine Risiken akzeptiert, tut das, um zu handeln, um den Ereignissen seinen Stempel aufzudrücken, mit einem Wort, um zu re gieren. Sein Leben in der Opposition zu zubringen, das ist für einen politischen Men schen das, was für einen Dichter wäre, sich dazu verurteilt zu sehen, die Verse anderer zu lesen und zu richten". Daß er den Dichtern so zu einem Teil ironisch kommen darf, haben die Dichter sich selbst mit zuzuschreiben. Wir werden sie nicht für die Produktionsverhältnisse einer gesellschaftlichen Ordnung verantwortlich machen, noch sie zwingen wollen, von den individuellen Themen ganz zu lassen. Zitiert doch gerade Johannes R. Becher in „Macht der Poesie" Lenins Worte: „Kein Zweifel, die literarische Tätigkeit verträgt am allerwenig sten eine mechanische Gleichmacherei, eine Nivellierung, eine Herrschaft der Mehrheit über die Minderheit. Kein Zweifel, auf diesem Gebiet ist die Sicherung eines weiten Betäti gungsfeldes für persönliche Initiative, indi viduelle Neigungen, eines Spielraumes für Gedanken und Phantasie, Form und Inhalt unbedingt notwendig. Das alles ist unbestrit ten, aber das alles beweist nur, daß der lite rarische Teil der Parteitätigkeit des Proleta riats nicht schablonenhaft identifiziert werden kann mit den anderen Gebieten der Parteitätig keit des Proletariats. Das alles widerlegt keines wegs die in den Augen der Bourgeoisie und der bürgerlichen Demokratie fremdartige und seltsame These, daß die literarische Tätigkeit unbedingt und jedenfalls ein mit anderen Tei len untrennbar verbundener Teil der... Par teiarbeit werden muß.“ 9 Man braucht uns nicht vorzuhalten, uns wäre bei der Kultur politik an der Durchsetzung von Schemata ge legen. Was wir wünschen, ist, den Dichter wirklich zu identifizieren mit dem Weg der Arbeiterklasse, ihn zur Schaffung einer volks verbundenen sozialistischen Nationalkultur anzuregen, wie das vor allem auf der zwei ten Bitterfelder Konferenz geschah und wie der Aufsatz von W. Ulbricht „Die Entwicklung FORTSETZUNG VON SEITE 3 Wissenschafts organisation Kontaktfreudigkeit, ein hohes Maß an Disziplin, auch fachlicher Diszi plin und die Einsicht in soziologisch- psychologische Probleme eines For scherkollektivs voraus. Es müssen ausreichende Bezie hungen zur Umwelt des Kol lektivs vorhanden sein, so z. B. Kontakte zu Universitäten, anderen Institutionen der Forschung und Entwicklung, zur Kammer der Tech nik, wissenschaftlichen Organisation wie URANIA, anderen Organen des Betriebes, zu Bibliotheken, insbe sondere jedoch zur Produktion. Die Beziehungen zu anderen Einrichtun gen und Mitarbeitern sollten sich nach den Regeln des Departement systems richten, also Direktbezie hungen zu den Fachleuten anderer Einrichtungen ohne Einschaltung des jeweiligen Leiters erlauben. Damit sollen Informationsverluste weitestgehend ausgeschaltet werden. © Das Arbeitskollektiv muß sich für die Überleitung seiner Ar beitsergebnisse in die Praxis ver antwortlich fühlen, wobei jedoch von Fall zu Fall — das ist abhän gig vom Umfang der Kooperation, der Art der Realisierung, der Form u. a. — entschieden wird, ob das Kollektiv auch mit der Organisation der Überleitung im Rahmen der Kooperation zu beauftragen ist. Es ist dabei erforderlich, mögliche Zeit- und Reibungsverluste zu vermeiden, die entstehen können, wenn sich ein neues Kollektiv erst in die Proble matik der Überleitung einzuarbeiten hat. Nicht zu unterschätzen ist in diesem Falle die hierdurch geför derte Kollektiventwicklung und ständige Praxisverbindung. Diese und andere Aspekte, wir konnten nur einige behandeln, sind im Zusammenhang mit der zuneh menden Konzentration, Spezialisie rung und Kombination in der Volkswirtschaft zu sehen und er fordern eine enge Gestaltung der Wissenschaftsorganisation in Über einstimmung mit der Entwicklung der sozialistischen Wirtschaftsorga nisation. Das zeigt sich und gilt speziell für die Entwicklung der Formen der sozialistischen Groß forschung als Ausdruck des Kon- zentrations- und Zentralisationspro zesses in der sozialistischen Volks wirtschaft. Das erfordert wiederum* — die inhaltlich-thematische Kon zentration der Kräfte und Mittel auf die vordringliche Lösung volkswirtschaftlich strukturbe stimmender Aufgaben, -die einheitliche Leitung der For schungskapazitäten innerhalb der Kombinate und Großbetriebe, — die schrittweise territoriale Kon zentration des Wissenschaftspoten tials durch den Auf- und Ausbau modern eingerichteter Großfor schungszentren. - Beschluß des Politbüros des ZK der SED. Teil A. S. 12. heit erfassen kann, das Ist eine philosophi sche Grundposition Im System des staats monopolistischen Kapitalismus. Um so deutlicher zeigt sich das konsequente und fruchtbare Ringen um die Werte von Kul tur und Kunst im Sozialismus. Und nur ein so zialistischer Staat und die Partei der Arbeiter klasse bieten dem Künstler die echte Alterna tive für die Teilnahme am gesellschaftlichen Fortschritt. „Die ständige Sorge unserer Partei darum, Kunst und Kultur, Schriftsteller und Künstler immer enger mit allen Elementen des entwickelten Systems des Sozialismus zu ver staatsmonopolistischen Kapitalismus der sozialistischen Kultur in der Deutschen Demokratischen Republik" zeigt, 10 Herr Pompidou dringt letztlich auch zu einer Vorstellung von der Bindung der Dich tung an bestimmte gesellschaftliche Umstände vor. womit er uns die sogenannte engagierte Dichtung erklärt. Diese kann „konformistisch" sein, was eine Belobigung ist oder einen min deren Wert beinhalten kann, sie kann „refor mistisch" sein, das heißt, den Regierenden und Bürgern Ratschläge erteilen — und da hat Pompidou auf alle Fälle mehr getroffen, als er wollte -, und sie kann „revolutionär“ sein und die Veränderung gesellschaftlicher Strukturen wollen. All das sind - so gelassen hingesagt - Formen des Engagements. Hier wird mit der Sprache eine bewußte Zerset zung betrieben, mit einem Pluralismus an Werten aufgewartet, der seine Herkunft ous der Schatzkiste einer prinzipiellen Einstellung zur Welt und zu den gesellschaftlichen Zu ständen nicht mehr verschweigen kann: die Welt der freien Wahi, geschaffen zur Be kämpfung des Kommunismus. Das pluralisti sche Universum, wo freie Menschen Teilwahr heiten finden, aber niemand die volle Wahr ¬ binden, beweist sich In der ständigen Aufmerk samkeit, mit der sie die Kunst- und Kultur schaffenden immer wieder auf den richtigen Weg orientiert, Kunstwerke zu schaffen, die In ihrer Tiefe und Erlebniskraft auf die fortschritt lichen Ideen unserer Zeit befruchtend einwir ken. Die Künstler und Schriftsteller werden in unserer Republik hochgeschätzt." 1 - Vgl. dazu M. F. Owsjannlkow/S. W. Smir nowa, Kurze Geschichte der Ästhetik, Berlin 1966 2 - Siehe dazu u. a. Michail Ltschitz, Karl Marx und die Ästhetik, Dresden 1960. S. 27 3 - Das so Beschaffene Vakuum füllte und füllt man unablässig mit Fälschungen des Marxis mus aus, worüber wir noch sprechen wollen. 4 - MEW, XIII, S, 624 5 - „"‘Humanit" vom 14. 11. 6», S. 9 7 - MEW, VII, S. 12 8 - sämtiche Werke. Paris, 1927-29. Bd. VI. Zit. nach W, Bahner, Alfred de Mussets Werk. Halle 1960 9 - Berlin 19S5, S. U: Lenin in: Parteiorgani sation und Parteiliteratur (1905): Werke, Bd. IX. S. 31 10 - „Einheit". Heft 11, 1965. S. 1267 ff. 11 - Ebenda, S. 1276/77 UZ 2/70, Seite 5
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