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Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 244. Wochenblatt für Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, Rabenstein und Rottluff. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Nazeigen werden in der Expedition -Reichenbrand, Nevoigtstraße 11), sowie von den Herre» Friseur Weber in Reichenbrand, Kansmann Emil Winter in Rabenstein und Friseur Thiem in Rottluff entgegen- «enommeu und pro Ispaltige PetitzeUe mit 1b Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. U«zeige«-Am»ahme iu der Expedition bis späteste«- Freitags nachmittags » Uhr, bei de« Annahmestellen bis nachmittags 2 Uhr. BereinSinserate müssen bis Freitags nachmittags S Uhr eingegangen sein und können «icht durch Telephon aufgegeben werden. O 44 Sonnabend, den 2. November 1842. Errichtung einer Säuglingsfürsorgestelle. Hierdurch wird zur Kenntnis der hiesigen Einwohner gebracht, daß zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit vom Gemeinderat die Errichtung einer Säuglingsfürsorgestelle beschlossen worden ist. Herr vr. mell. Lurz hier, wird jeden 1. und 3. Donnerstag im Monat nachmittags H2 Uhr in seiner Wohnung, Hofer Straße Nr. 10 unentgeltlich ärztlichen Rat erteilen. Reichenbrand, am 30. Oktober 1912. Der Gemeindevorstand. Bekanntmachung. Denjenigen Steuerpflichtigen, welche mit dem 2. Termine der diesjährigen Einkommen- und ^rgänzungssteuer noch im Rückstände sind, wird nochmals bekannt gegeben, daß am 4. November dr. Fhs. das Zwangvollstreckungsverfahren beginnt und von diesem Tage ab, diese Steuer nebst den entstehenden Kosten nach dem Kostengesetze von 30. April 1906 nur an den Bollstreckungsbeamten iu entrichten sind. Der Dollstreckungsbeamte expediert jeden Wochentag von 8 bis 10 Ahr vorm. und 2 bis 3 Ahr vachm. im Rathause. Der Gemeindevorstand zu Rabenstein, am 30. Oktober 1912. Bekanntmachung. Am 2. Dezember d. I. findet eine allgemeine Viehzählung, sowie eine Ermittelung der von der amtlichen Fleischbeschau befreiten, in der Zeit vom 1. Dezember 1911 bis mit 30. November 1912 erfolgten Schlachtungen statt. Die Zählung selbst erfolgt durch die mit der allgemeinen alljährlichen Konsignation der Pferde und Rinder Beauftragten. Es wird ersucht, den beauftragten Personen auf Verlangen entsprechende Auskunft zu erteilen. Rabenstein, am 30. Oktober 1912. Der Gemeindevorstand. Wilsdorf. Meldungen im Fundamt Rabenstein. Gefunden: 1 Boa. Verloren: 1 Halsband mit Steuermarke. Der Gemeindevorstand zu Rabenstein, am 1. November 1912. Geschäftszeit. Zur allgemeinen Kmntnis wird hiermit wiederholt gebracht, daß bei der diesseitigen Gemeinde verwaltung werktags von 8 bis 12 Ahr und 2 bis K Ahr, an den Tagen vor Sonn- und Festtagen jedoch von 8 bis 3 Ahr expediert wird. Rottluff, am 25. Oktober 1912. Der Gemeindevorstand. „Herzenswunden." Novelle von Marie Harling. (Fortsetzung.) Nachdruck verboten. Marias stilles, liebevolle Wesen war es gewesen, das Loni eine sichere Zufluchtsstätte bot in der gefährlichen Sturmflut der Leidenschaft, aber noch war es Maria nicht Kelungen, Loni ganz zu sich empor zu ziehen, als ihre Vermählung mit Dietrich von Hartenfels störend in den Verkehr mit der Freundin eingreift. Ta kann's kein Wunder nehmen, daß Loni jetzt, jeglicher Stütze beraubt, allen Halt verliert, daß die sündige Liebe zu dem früheren Geliebten immer fester sich um ihre Seele spannt. Der Faschingstrubel ist bald zu Ende, ein Maskenball im Offizierskasino soll den Abschluß bringen. Die Säle im Kasino strahlen in einem Lichtermeer. Duftige Blumenarrangements wechseln mit lauschig dekorierten Blattpflanzengruppen ab. Einladende Buffets stehen in »ein großen, mit Tannengrün und Mistelzweigen verziertem Speisesaal. Hinter, einer dichten grünen Wand von künst lichem Epheu ertönt gedämpft und diskret die herrliche Ouvertüre zu Wagners „Tannhäuser", gerade als ob die Döne aus anderen Regionen in das bunte Gewühl der Menschenkinder verweht wären. Elegante Karrossen fahren dor, dichtvermummte schlanke Mädchengestalten verschwinden kichernd in den Garderoberäumen. In einer der Fensternischen gerade der Tür gegenüber lehnt in silberstrotzendem Glanz die Gestalt des Schwanen- ritters Lohengrin. Suchend überfliegt sein Auge die noch geringe Zahl der Anwesenden, um allemal forschend auf "er Tür haften zu bleiben, wenn sie sich wieder neuen Besuchern öffnet. Etwas entfernt von ihm steht von einer Menge bunter Masken umringt, seine Elsa in schleppendem, weißem Ge- kaude. Man braucht nur einen Blick auf die fürstliche Gestalt, auf das reiche blonde Haar zu werfen, um zu wissen, lver sich unter der Maske der Else verbirgt. Mit lächelndem Mund beantwortet sie die an sie ge achteten Scherzfragen, aber ihr Blick schweift unruhig über die einsame Gestalt des Schwanenritters. Auch sie scheint etwas in dem bunten Gewühl zu suchen, aber sie ersehnt es nicht wie ihr Gatte, das zeigt der ängstlich fragende Blick in ihren Augen. Jetzt sieht sie, wie ein Leuchten über °>e Züge ihres Gatten geht, ihre Augen wenden sich der Düre zu. Auf der Schwelle steht ein allerliebster Carmen. Das leuchtend rote Mieder, das schneeweiße Hemd, der fantastische Goldschmuck in den dunklen Locken geben der Farmen einen dämonischen Reiz. Mit bestrickendem Lächeln Unzeit sie in den Saal hinein, sie sieht den Schwanenritter Hier harren, sie sieht die heiße Glut in seinen Augen und tiefes Rot färbt ihre Wangen unter der Maske „Loni", noch dieses Mal beherrsche dich", hat die Mutter gebeten, als sie den Saal betraten und Loni hat sich fest d»rgenommen, sich nicht geben zu lassen, nicht sowohl um den Willen der Mutter zu befolgen, als wie vielmehr weil H ihrer stolzen Natur widerstrebt, olle Menschen zu Mit essern ihres traurigen Geschickes zu machen. Aber als ihr Mge dem liebeheischenden Blick Lohengrins begegnet, da fbt ihr Herz vor Erregung, eine wilde, leidenschaftliche Mit kommt über sie. Doch Lohengrin ist verschwunden, eine Menge anderer Masken umdrängt sie. Ernste Rittergestalten, ^wisch aufgeputzte Harlekins und phantastische Zigeuner. , „Ah, sieh da, schöne Carmen, du gehörst zu mir!" Ein Etlicher Zigeuner drängt sich durch die Reihen. Carmen dreht sich um. Ein leichter Schlag mit Fächer "ersetzt sie der Hand, die nach ihr greifen will. „So, meinst du?" lacht sie, „ich denke Carmen, diese Königin in ihrem Volke, wäre denn doch zu schade für den ersten besten Zigeuner." Alle lachten, der kleine Zigeuner aber legt beteuernd die Hand aufs Herz. „Ich liebe dich, schöne Carmen. Hier drinnen brennt's wie Feuer. Mein mußt du werden und wenn ich dich entführen soll!" „Das wirst du hübsch bleiben lassen; die Königin dem Feste entführen hieße ja das Fest entweihen", tönt plötzlich eine tiefe Stimme hinter dem Kleinen. „Uebrigens", fährt der Sprecher fort, „die Carmen gehört zum Don Jos6, also bitte." Er reichte der Carmen den Arm, in deren erstaunten Augen es jetzt verständnisvoll aufblitzt. „Na, dann hüte dich, Don Jose, daß es dir nicht ergeht wie dem andern", höhnt der Kleine ärgerlich. „Und wenn ich lieb', nimm dich in acht!" summt er dann hinter dem sich entfernenden Paare her. „Wer mag der Zigeuner sein! Einer hat die Frage aufgeworfen, aber keine Antwort erfolgte. Unwillkürlich wenden sich aller Augen nach der Fensternische, in der vorhin die Lohengringestalt stand. Sie ist leer. Ein vielsagendes Lächeln, ein leichtes Achselzucken, dann gehen die Gruppen auseinander, aber ein Flüstern und Tuscheln geht bald durch die Räume und manch mitleidiger, aber auch manch schaden froher Blick trifft die stolze, reine Gestalt der Elsa, wenn sie vorübergeht. Aus dem Tanzsaal ertönt eine prickelnde Walzermelodie, da taucht Don Jose mit seiner Carmen wieder auf, um im Gewühl der Tanzenden zu verschwinden. „Sing uns einmal das Lied aus Carmen" bittet ein stolzer Tempelritter in einer Pause, indem er zu einem Flügel eilt und seine Hände leise präludierend über die Tasten gleiten läßt. In Carmens Augen zuckt es sonderbar auf. „Es wäre besser, ich sänge das Lied nicht", flüstert sie ihrem Don Jose zu. Dieser drückt beruhigend ihren Arm, dann geleitet sie zu dem harrenden fremden Kameraden. Einen schnellen Blick wirft Carmen auf ihre Umgebung, dann singt sie mit vor Leidenschaft bebender Stimme: „Die Liebe vom Zigeuner stammt, Fragt nicht nach Recht, nicht nach Gesetz und Macht! Liebst du mich nicht, bin ich in heißer Glut für dich entflammt. And wenn ich lieb' — nimm dich in acht!" Die letzten Worte klingen fast drohend, ihre Brust hebt und senkt sich in leidenschaftlicher Wallung. In ihrem Ton liegt soviel echte Leidenschaft, soviel trotzige Liebe, daß es die Umstehenden unwillkürlich ergreift. „Nimm dich in acht!" Diese Worte hallen noch in dem Herzen der Elsa wieder, als Carmen schon lange an Don Joses Arme in der bunten Menge verschwunden ist. Ein Schauer rieselt durch ihre Glieder, eine seltsame bange Ahnung kommt über sie. Sie sucht mit den Augen ihren Schwanenritter, aber die glänzende Gestalt ist nirgends zu entdecken. Don Jos6 hat die vor Erregung zitternde Carmen an ein verborgenes, lauschiges Plätzchen geführt. Hier lehnt sich die Fassungslose schluchzend an seine Brust. Beruhigend streichelt seine Hand über die wirren Locken. „Sei still, mein Carmen, es war Unrecht, ich hätte dich das Lied nicht singen lassen dürfen.'. ." „O, Viktor!" All der Schmerz, der in ihrem heißen Herzen zittert, scheint in dem einen Wort zu liegen. Sie haben beide nicht gesehen, wie eine weißgekleidete Gestalt sich ihrem Plätzchen genähert, wie schlanke, juwelengeschmückte Hände die dichten Zweige auseinander biegen, erst ein unter drückter Schrei führt die entsetzt Aufhorchcnden in die Wirklichkeit zurück. Was sie nun sehen, treibt beiden das Blut heiß in die Wangen, ein totenbleiches, fast versteinertes Frauengesicht, in dem nur die großen, unheimlich flackernden Augen zu leben scheinen. „Viktor!" Es liegt kein Schmerz in ihrer Stimme wie vorhin in Lonis Ausruf, nur Verachtung, grenzenlose Verachtung. Noch verächtlicher und eisiger aber klingt ihr Ton, als sie sich zu Loni wendet: „Du hast ja ein passendes Kostüm gewählt, Loni. Eine echte Carmen könnte nicht besser spielen, als du. Nur muß ich dich bitten, in Zukunft deine Kunst an jungen, freien Männern zu erproben; ich hätte geglaubt, du würdest noch so viel Schamgefühl besitzen, den verheirateten Mann seiner Frau zu lassen." „In dir deinen Mann lassen, den du in Wahrheit nie besessen!" Loni versucht zu lachen, aber nur ein paar schrille Töne dringen über ihre Lippen. „Wie kann ich dir etwas nehmen, das nie dein war, das du auch mit all deinem Gelde nie erkaufen kannst, — deines Mannes Liebe. Mein war er lange, bevor er dich kannte und mein wird er immer bleiben!" „Loni!" Es ist ein Doppelschrei, der zu dem vor Erregung halb wahnsinnigen Mädchen dringt. Edelgard von Karlshagen greift mit der Hand nach dem Herzen, ihre hohe Gestalt scheint zu wanken, aber nur einen Augenblick. Dann zwingt sie ihre Erregung gewalt sam nieder. Ihr Gesicht zeigt genau die stolze, kalte Ruhe wie sonst, nur daß es vielleicht um einen Schein blässer ist." „Begleite mich nach Hause, Viktor, wir wollen hier keine Szene machen, das Weitere wird sich finden." Ruhig geht sie am Arm ihres Gatten durch den Saal, sich bei den Wenigen, die ihr Fortgehen bemerken, mit einem leichten Unwohlsein entschuldigend. Loni ist wie zerschlagen zurück geblieben. Laut auf schluchzend verbirgt sie ihr Gesicht in den Händen. Was würde nun folgen? Jetzt wird die stolze Frau ein Recht haben, sie zu verachten. Und doch, sie hatte so heiß gekämpft, sie hatte so gute Vorsätze gehabt. „Maria, o Maria", schluchzt sie, „wärest du hier geblieben, alles wäre anders geworden!" Die fröhliche Musik tut ihrem Ohr weh, der laute Trubel stärkt nur die Bitterkeit in ihrem Herzen. Fort von hier, das ist ihr einziger Gedanke. Mit zitternder Hand öffnet sie eine der Türen, die in den Kastnogarten führen. Kalte Nachtlust strömt ihr entgegen, sie merkt es nicht, sieht nichts von dem stillen Füeden der Winternacht. Freundlich grüßt der tiefblaue Sternenhimmel hernieder, silberglitzerndcs Mondlicht fällt duich die entlaubten Aeste der Bäume auf den fahlgelben Rasen und zeichnet dort gespenstige Gestalten. Loni lehnt am Stamm einer Rotbuche, den Blick in die Ferne gerichtet, ohne indeß etwas zu sehen, ohne zu denken. Wie lange sie dort gestanden, sie weiß es nicht, sie fühlt plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter, sie hört die vor Angst zitternde Stimme der Mutter: „Loni, um Gottes Willen, Kind, du kannst dir hier den Tod holen! Ich habe dich überall gesucht, so sprich doch, was ist eigentlich vorgefallen?" Loni wendet das blasse Antlitz der Mutter zu, aller Glanz in den dunklen Augen ist erloschen, aber es liegt so viel Leid, so viel dumme Qual darin, daß das Herz der Mutter sich zusammenkrampft vor Web. „Mir war nicht wohl, Mutter, laß uns nach Hause gehen." Die Stimme klingt so müde, so apathisch, mechanisch wendet sich Loni dem Hause zu. „Nein, komm Loni, so kannst du dich der Gesellschaft