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Vater hat es Tante Kathinka strengstens aufgegeben, daß Lori alle Briefe vorenthalten werden sollen. Wenn die Tante erfährt, was Du hinter ihrem Rücken ge tan, bist Du entlassen, dessen sei versichert." Wally war sehr bleich geworden. „Um Gotteswilleu, Theo, ich will ja alles tun, nur verrate mich nicht. Dn sollst alle Briefe bekommen, aber entlassen zu werden, das wäre doch das Schreck lichste von allem. Dann könnte ich Dich gar nicht mehr sehen, — denn Du — Du wirst mich wieder liebem Wenu Du eiugesehen haben wirst, daß Deine Bemühungen um Lori vergebens sind, dann kehrst Du doch zu mir zurück, und ich will warten Theo, — warten ans den Augenblick, wo Dn sagen wirst: Sei wieder mein! Dann will ich jubelnd in Deine Arme fliegen, und Dich lieb haben,—nur hilf mir, daß ich hier bleiben darf, — nicht wahr, Theo, — Du hilfst mir doch?" — „Jawohl Wally, — vorausgesetzt, daß ich die Briefe bekomme." „Ja, ja!" „ „Aber jetzt geh' einstweilen voraus, mau könnte Dich vermissen; wir haben ohnedies schon zu lange geplaudert. Doch noch eins. Lori darf nichts ahnen, Du mußt klug sein, und Dir ihr Vertrauen zu erhalten suchen, damit sie nach wie vor ihre Besorgungen nur von Dir machen läßt." Wally nickte, dann verschwand sie zwischen den Bäumen. Nach einer Weile kehrte auch Theo gedanken voll ins Haus zurück. Als er bei seiner Tante eintrat, fiel dieser sein blasses Aussehen auf. Besorgt griff sie nach der Hand des Neffen. „Dn siehst schlecht aus, mein Junge, fehlt Dir etwas?" Theo schüttelte mit einer melancholischen Bewegung den Kopf. „Ich bin verliebt, Tante! Wenn das so fort geht, dann" — er vollendete nicht, und machte eine bezeichnende Gebärde nach der Stirn. „Tor," lispelte Tante Kathinka, „Du bist in Lori verliebt? Ich ahnte es wohl!" Der junge Mann nickte. „Wo ist Lori, Tante?" „Auf ihrem Zimmer, sie wollte Briefe schreiben." „Briefe schreiben!" fuhr Theo heftig ans. „Weißt Du, an wen sie Briefe schreibt?" „An ihren Vater und verschiedene Freundinnen, wie sie selbst sagte." „Ha, ha, an ihren Geliebten schreibt sie! O Tante, Du bist wirklich eine schlechte Aufpasserin; täglich be kommt Lori Briefe von jenem Menschen, und Du solltest das doch verhindern." „Daß Lori Briefe bekommt, ist wohl nicht gut mögliche beruhige Dich doch mein GoldsLbn, und be- 'oenke5oaiz^le'Mnn^^TM befindet, nicht ein einziges Mal allein ausgegangen ist. Sie weiß ja auch nicht Weg noch Steg hier. Alle Briefe, die einlaufen, müssen doch bei mir abgegeben'werden,— also, wie sollte Lori wohl dazu kommen, irgend etwas zu erhalten? Ihr Vater schreibt allerdings öfters, — aber " „Und doch ist es so, wie ich Dir sagte," unterbrach Theo hastig den Redestrom. „Du kluge Tante hast eben nicht bedacht, daß verliebte Menschen erfinderisch sind. In Zukunft will ich selbst die Sache in die Hand nehmen, und ich versichere Dir, mir soll nichts entgehen." „Aber so erkläre mir doch — " „Sehr einfach, Tante. Lori erhält die Briefe durch ihre Dienerin." „O,—durch Wally? Diese Heuchlerin, diese Schlange, ich werde sie sofort entlassen, ihren Lohn zahle ich noch heute aus, dieser falschen, hinterlistigen Person, sie soll mir Rede stehen, sie —" „Gemach, gemach, Tantchen," mahnte Theo, „nur nicht voreilig sein, sonst ist alles verloren. Wir müssen schlau zu Werke gehen, laß mich nur machen; in Zu kunft hole ich die Briefe auf der Post ab, Du darfst Wally nicht eher entlassen, bis ich den Zeitpunkt für gekommen erachte; ja, Du darfst Dir ihr gegenüber nicht einmal das geringste merken lassen! Vorläufig brauchen wir das Mädchen noch, weil Wally Loris ganzes Vertrauen besitzt. Dadurch, daß Wally mir zu getan ist, hoffe ich das Spiel zu gewinnen!" Tante Kathinka sah wohl ein, daß Theo recht hatte. „Dn bist ein kluger Juuge," sagte sie, ihm die Hand reichend, „nur Mut, Theo, wir werden Lori schon für Dich gewinnen. Ich werde nächstens mit ihr reden. Du mußt ihr gegenüber nur stets den vorsorglichen Vetter spielen, um ihr Vertrauen zu erringen." 8. Woche um Woche war vergangen, ohne daß Lori irgend ein Lebenszeichen von Johannes erhalten hätte. Den Vater, der sein Kommen immer noch weiter hin ausschob, — wegen dringender Arbeiten, wie er schrieb, — wagte sie nicht brieflich nach dem Geliebten zu fragen, auch durfte sie nicht hoffen von dieser Seite Auskunft zu erhalten. Nicht einmal der Gedanke, daß ihre Briefe unter schlagen werden könnten, stieg in ihrer Seele auf, da Wally sich so teilnahmsvoll ihr gegenüber benahm, und die gutherzige Lori tatsächlich ihr volles Vertrauen geschenkt hatte. Auch Vetter Theo trug ein gänzlich verändertes Benehmen zur Schau. Seine Zudringlich keiten hatten vollständig aufgehört. Wenu er Lori auch niemals sympathisch war, so vermochte sie sich jetzt doch soweit zu überwinden, daß sie seine Gesell schaft duldete. Theo merkte den Vorteil, den er er rungen, sehr wohl und nutzte ihn nach Möglichkeit aus. Jetzt, da Lori nicht mehr, wie in den ersten Wochen, seine Gesellschaft so auffallend mied, nicht mehr davonlief, wenn sie sich allein mit ihm sah, war es ihm auch möglich geworden, öfters bei ihr zu weilen; man konnte an ihm auch wirklich nichts mehr aus setzen. Daß Lori stiller und blässer wurde, schien im Hause niemand zu bemerken. Theo versuchte nur immer, sie aufzuheitern und zu zerstreuen. Eines Abends wollte Lori unbemerkt das Haus verlassen, um einen Brief, in dem sie flehentlich um Nachricht bat, in den Briefkasten zu stecken, und selbst einmal auf der Post nachzufragen, — als ihr in dem bereits dunklen Hausflur Theo begegnete, der scheinbar zufällig ebenfalls ausgehen wollte; er hatte jedoch den leichten Schritt die Treppe herabkommeu hören und trat Lori in den Weg. Sehr erstaunt klang seine Frage: „Aber liebstes Cousincheu, wo wollen Sie denn jetzt noch hin? Es dunkelt schon, und Sie gehen aus?" „Ich —ich —möchte—blos einen Brief besorgen." Lori war sehr verlegen geworden, es war ihr absolut nichts anders eingefallen, was sie vorbringen konnte. „Und deshalb wollten Sie sich selbst bemühen? Warnm schicken Sie nicht Wally fort?" „Ich fand sie nirgends und dachte—" „Nein, nein, das kann ich keinesfalls zngeben," unterbrach sie Theo, „übrigens, wenn Wally Ihren Dienst schlecht versieht, — Sie brauchen es nur zu sagen, und die Tante wird Ihnen sofort eines der anderen Mädchen zur Verfügung stellen, es giebt deren genug im Hause." „Nein, — o nein," wehrte Lori erschrocken, „ich bin Wally sehr zugetan und möchte sie nicht missen; sie wird eben irgend etwas Notwendiges zu besorgen haben, das ist doch zu entschuldigen." „Ja, ja, Sie sind eben immer zu Entschuldigen bereit, Lori, ich glaube, Sie sehen dem Mädchen zu viel nach, Ihr gütiges Herz läßt keine Anklagen zu. Uebrigens, wenn Wally nicht da war, Sie wissen doch, — Lori, ich bin Ihr Sklave, Sie dürften doch nur mich mit der Besorgung Ihres Briefes betrauen,— mit tausend Freuden würde ich alles für Sie tun, was Sie verlangen, selbst mein Leben hinzugeben, wäre mir nicht zu viel." Theo hatjeffich gegen seinen Willen wieder Hinreißen 1cWi7TMMäUichzuWUen7?m*AW Lori, er faßte nach ihrer Hand, die sie ihm vergebens zu entziehen suchte, und preßte sie heftig an seine Lippen. Dann ließ er sie plötzlich fahren und sagte gepreßt: „Verzeihen Sie, Lori, ich war wieder einmal nicht mehr Herr meiner selbst, — es soll nicht wieder geschehen." In diesem Augenblick kam Wally, die schon längere Zeit im dunklen Hausflur gestanden hatte, mit raschen Schritten näher. „Haben Sie mich gesucht, Fräulein?" fragte sie. „O, es ist nicht so eilig, Wally!" „Verzeihen Sie, ich hatte oben zu tun." „Wo stecken Sie denn die ganze Zeit?" herrschte Theo das Mädchen barsch an. „Immer, wenn man Ihrer bedarf, sind Sie nicht da. Eilen Sie, die Briefe von Fräulein Lori zu besorgen. Sie werden unzu verlässig," fügte er mit einem drohenden, bedeutsamen Blick hinzu. Alle drei waren unterdessen aus dem Haus getreten. Wally antwortete keine Silbe, nur ihre Augen bohrten sich völlig in die des jungen Mannes, als wollte sie den Gegner messen. Dieser aber machte eine energische Handbewegung und deutete ihr an, sich zu entfernen. Wally ging. Ihr Atem flog, ein wilder Grimm hatte sich ihrer bemächtigt. Ausgescholten, — von ihm, — in Gegenwart eines Mädchens, das sie haßte, wie nichts in der Welt. Und doch mußte sie stets lächelnd vor Lori treten, — es ging bald nicht mehr an, die Wut zu verbergen. Wally ging mit dem Briefe in der Hand um das Haus herum, trat durch die Hintere Tür wieder in dasselbe und schlich auf den Zehenspitzen den Beiden nach, die gemächlich dem unteren Teile des Gartens zuschritten. (Fortsetzung folgt.) Line wirksame Rur. In Holland lebte ein reicher Mann, der seine einzige Tochter mit abgöttischer Liebe verzog und verhätschelte. Alles, was Europa an Pracht, Schmuck und Reichtum zu bieten vermochte, wurde deni jungen Mädchen zur Verfügung gestellt. Aber nichts erfreute sie Unter allen den Prachtgewächsen und blühenden Planzen, mit denen ihr Zimmer geschmückt war, saß des Mannes einziges Kind, sie selbst eine welke, hinsiechende Blume. Sie fürchtete jeden Lufthauch, man ließ sie nicht ausgehen; höchstens wurde sie bei Mittagssonneuschein in geschlossenem Wagen einhergefahren. So siechte das zarte Pflänzchen dahin. Kein Arzt konnte raten und helfen; das Kind dachte selbst ans Sterben und doch graute ihr vor der kalten Hand des Todes. Als kein Mittel zu helfen, keine ärztliche Kunst etwas auszurichten vermochte, entschloß sich der un glückliche Vater, dem seiner Tochter Leben über alles ging, zum letzten Versuch noch einen Arzt zu konsul tieren, über dessen Kuren die wunderbarsten Gerüchte gingen. Zwar widmete dieser seine Tätigkeit aus schließlich den Armen der Stadt, und manche reiche Leute, denen er hin und wieder scharfe Worte über ihr üppiges Leben sagte, sahen ihn über die Achsel an. Doch man erlebte, daß seine sonderbare, und wie man sagte, etwas kurze und befehlshaberische Art die Mittel gefunden, Kranke zu heilen, die von allen anderen Aerzten aufgegeben worden waren. So wurde das Vorurteil überwunden, und in der Ver zweiflung nahm auch unser reicher Vater seine Zuflucht zu dem verachteten Armendoktor. Der Arzt kam, fragte, durchforschte einen ganzen Hausen Rezepte, ließ die Kranke einige Schritte durchs Zimmer tun, worauf sie ermüdet auf einen Sessel niedersank, dann konnte er die Frage des besorgten Vaters: „Können Sie mein Kind retten?" ernst und fest beantworten mit einem mutigen: „Ja, ich hoffe es mit Gottes Hilfe, wenu Sie gehorchen. Besorgen Sie schlichte und solide Kleidung für Ihre Tochter, wie sie einfache Leute tragen, ich werde mit ihr ausgehen." Der Vater fchlug die Hände über dem Kopf zu sammen. Es schien undenkbar. Aber was tut man nicht im Mute der Verzweiflung! Er tat wie der Doktor verlangte, und am nächsten Morgen, zur ver abredeten Stunde erwartete die Kranke, zum Aus gehen bereit, den Arzt. Dieser kam, ergriff ihren Arm und sagte tröstend: Wir gehen hente nicht weit," und bog in der nächsten Gasse schon in ein Haus ein. Das Vorderhaus und den Hof durchschreitend, erstiegen sie im Halbdunkel zwei Treppen. Sie traten in das Zimmer einer Frau, bei welcher Armut und Krank heit nur zu heimisch waren. Die Mutter, eine Wittwe, lag schwer darnieder, blasse, hungernde Kinder um standen das ärmliche Lager. Hier galt es zu helfen. Der Doktor tat es, verordnete und tröstete und gab aus eigenen Mitteln. Das reiche kranke Mädchen hatte nie Aehnliches gesehen, ihr ging das Herzauf. Ihre Augen glänzten, und ein Anflug voiz^M: gük? üßer ihre Züge, als sichich'znm Hosior wmöeuo ausrief: „Die armen Leute! Da muß mein Vater helfen." —„Er wird es tun, wenn Sie ihn bitten, versuchen Sie es nur." Und weiter ging's noch in eine zweite Wohnung des Elends; des Mädchens Herz schlug warm, sie fühlte keine Ermüdung, auch hier konnte und mußte geholfen werden. Als ihr Führer die Kranke dem Vater zurückbrachte, und dieser mit Fragen nach ihrer Gesundheit sie bestürmte, hörte sie gar nicht darauf, hatte sich selbst ganz vergessen und bat recht eindringlich: „Ich habe große Not gesehen, Vater, da müssen wir helfen." Glückselig über die Ver änderung und die Zeichen wiederkehrender Lebens frische bei seiner Tochter, griff der Alte herzlich gern in seine Tasche. „Aber wir müssen es den Armen selbst hinbringen und nie zuviel auf einmal, sondern recht oft nachsehen, wenn es fehlt," rief der Arzt. Und so geschah es. Der Kranken war eine warme Teilnahme außer der eigenen Gesundheit gegeben: das wirkte belebend. Der Doktor führte sie auch auf anderen Wegen und bei jedem Wetter. Bald war die Scheu vor Luftzug, Wind und Wetter gebrochen. Auch die ärztliche Hilfe im eigentlichsten Sinne des Wortes, schlug an, doch eigentlich war das schlichte einfache Kleid für die Kranke der Rock der Genesung geworden. So ward die Kranke erst eine Krankenpflegerin und dann eine fromme, fleißige Hausfrau, die ihr Lebenlang mit Freuden die engen Treppen der Hinter häuser Hinaufstieg, die Zimmer der Armen zu besuchen, „denn," sagte sie, „dorthin muß ich mein Dank opfer tragen, dort bin ich gesund geworden an Leib und Seele! Das ist der Segen dienender Liebe. Mannigfaltiges. — Eingeseift. Aus seinem reichbewegten Leben weiß der bekannte Humorist Haase folgenden Scherz zu erzählen: „Ich logierte einmal in einem großen und vielbesuchten Hotel einer süddeutschen Stadt. Damals hatte ich Geld, und wenn mir dieses nicht fehlt, bin ich der glücklichste Mensch von der Welt und zu allen Scherzen aufgelegt. Aus einer kleinen Provinzialbühne hatte ich als Gast einmal einen Barbier abgeben müssen und war mit allem, was zu dieser Rolle gehört, ver sehen. So klopfte ich denn am nächsten Morgen, mit den nötigen Utensilien versehen, in dein Stockwerke