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Festigung der Unabhängigkeit dieser Staaten selbst und vor allem für die Beseitigung der imperialistischen Krieggefahr auf dem Wege über die vollständige und allgemeine Ab rüstung nicht richtig eingeschätzt haben. Dabei wurden zugleich die Brüchigkeit des imperialistischen Lagers, die zunehmende Iso lierung der aggressivsten imperialistischen Kräfte und die wachsende Autorität des so zialistischen Lagers deutlich, wenn in der Chinafrage mehr als ein Viertel der NATO- Staaten nicht mehr der amerikanischen Linie folgte. Dänemark und Norwegen stimmten positiv, Island und Portugal enthielten sich der Stimme. Über die weitere Entwicklung dieser Frage, deren Lösung schon lange fällig ist, gibt es auch im imperialistischen Lager keinerlei Zweifel. Für viele gleichartige Pressestimmen sei die „Süddeutsche Zeitung“ vom 6. 10. 1960 zitiert: „Die Generaldebatte zeigt, daß die Aufnahme Chinas in die Vereinten Nationen nur noch mit mühsamen taktischen Manipula tionen verhindert werden kann. Im nächsten Jahr wird Chinas UNO-Mitgliedschaft erfolg reich zu torpedieren, nicht mehr möglich sein.“ Auch in dieser Entwicklung, ebenso wie in verschiedenen anderen positiven Abstim mungsergebnissen, spiegelt sich die Tatsache wider, daß der Zerfall des Kolonialsystems bereits zur Bildung einer großen Anzahl jun ger Staaten geführt hat. Während 1945 nur drei afrikanische Staaten Mitglied der UNO waren, waren es 1959 zehn geworden, und allein in diesem Jahr stieg diese Zahl bereits auf 26. Ein großer Teil der jetzt zahlenmäßig star ken Gruppe von asiatischen und afrikanischen Staaten sowie einige andere Staaten betrieben — wenn auch noch nicht in jedem Falle kon sequent — eine Politik der Neutralität, d. h. vor allem eine Politik der Nichtteilnahme an militärischen Gruppierungen. In der Grund tendenz betrieben diese Staaten eine sowohl auf die Beseitigung des Kolonialismus als auch auf die Sicherung des Friedens gerichtete und damit ihrem objektiven Charakter nach anti imperialistische Politik. So sprach sich der Präsident von Ghana dagegen aus, daß nicht afrikanische, über Kernwaffen verfügende Staaten militärische Stützpunkte in Afrika unterhalten und forderte, kein afrikanischer Staat solle ein militärisches Bündnis mit einer außerafrikanischen Macht eingehen. Es gibt natürlich keine Abstimmungsarith metik, mit deren Hilfe man die gegenwärtige Haltung jedes neutralen Staates in den ein zelnen allgemeinen oder speziellen Fragen der Weltpolitik vorausberechnen könnte. Stimmen diese Staaten in einer ganzen Reihe von Fragen eindeutig" antiimperialistisch, so sind in ihrer Haltung zu anderen Fragen be stimmte Schwankungen zu verzeichnen. Zwei fellos hängt das wesentlich ab vom konkre ten Charakter der Staatsmacht in diesen Län dern. vom Klassenkräfteverhältnis im Inne ren dieser Länder, vom Grad der Entfaltung der Demokratie in diesen Staaten, vom Grad der Erreichung oder Festigung der ökonomi- Echen Unabhängigkeit bzw, von der Wirksam keit noch nicht voll beseitigter Abhängigkeits verhältnisse und von manchen anderen Fak toren. Genosse Chruschtschow charakterisierte die entscheidende Seite dieser Frage: „Vor läufig sind sich noch nicht alle Völker Asiens und die Völker Afrikas, die sich kürzlich aus kolonialer Knechtung befreiten, ihrer Kraft bewußt. Sie folgen noch ihren gestrigen Kolo nialherren. Doch heute ist es so, und morgen wird dies nicht mehr sein. Die Völker werden wahre Herren der Lage sein wollen.“ Das Bestimmende in der Entwicklung der internationalen Politik dieser Staaten ist nicht in solchen Schwankungen zu sehen, sondern darin, daß die objektiv den Interessen der Völker dieser Länder entsprechende Friedens politik der sozialistischen Staaten — gefördert durch die ständig fortschreitende schnelle Aufwärtsentwicklung auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens im sozialistischen Lager — immer stärker ihre Anziehungskraft auf diese Völker und Staaten ausüben wird. Diese objektive Entwicklungstendenz war 'auch im Verlauf und in den Ergebnissen der XV. Tagung klar zu spüren. Beispielsweise hatten die imperialistischen Regierungen zum Ausdruck gebracht, daß sie die Teilnahme Nehrus an der XV. Tagung für wünschens wert hielten, damit durch seinen Einfluß ein allzu großes Übergewicht der dort anwesenden Repräsentanz des sozialistischen Lagers ver hindert werden sollte. Aus Äußerungen Neh rus ergab sich, daß er selbst seine Aufgabe im wesentlichen in einer nicht Partei ergreifenden Vermittlerrolle sah. Nach seiner Rückkehr von der XV. Tagung war er jedoch um einige Lehren reicher geworden, denn er sprach nun nachdrücklich die Überzeugung aus, daß der Westen offensichtlich gegenwärtig nicht an einer Entspannung interessiert ist. Gerade diese Ansicht bringt eben zum Ausdruck, wie wirksam die auf der XV. Tagung erfolgte Verurteilung des Imperialismus war. Anderer seits bezeichnete Nehru die sowjetischen Ab rüstungsvorschläge durchaus als eine Aus gangsbasis für neue Ost-West-Gespräche, un terstützte sie ausdrücklich in einigen entschei denden Punkten und betonte vor allem, die sowjetische Forderung nach Beseitigung aller Militärstützpunkte im Ausland sei völlig gerechtfertigt (FAZ. v. 12. 10. 1960). Die imperialistischen Regierungen unternah men verzweifelte Versuche, wie in der inter nationalen Situation überhaupt, so auch in der UNO, die jungen Nationalstaaten als eine Re serve des Imperialismus zu erhalten oder wie derzugewinnen. Doch konstruktive Vorschläge, die den Interessen dieser Staaten entsprachen, hatten sie in keinem Falle vorzuweisen. Der Prozeß der weiteren Herausbildung und Festigung der antiimperialistischen Positionen der jungen Nationalstaaten, der sich natürlich im einzelnen in einer komplizierten und auch differenzierten Form vollzieht, ist im Verlauf der XV. Tagung geradezu sprunghaft voran gekommen. In der UNO sind jedenfalls schon heute die Zeiten unwiederbringlich dahin, in denen die USA über eine sichere, beinahe automatisch zustande kommende Zweidrittelmehrheit in der