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Franck kommt von der Orgel her, von der strengen Kunst des Kontrapunkts (er war lange Zeit Organist an der Kirche Notre Dame de Lorette), doch verleugnet er nie seine innige Liebe zum weichen Klang der spätromantischen Musik, die uns auch in Francks „Symphonischen Variationen“ für Klavier und Orchester ent gegenklingt: Schönheit, Farbe und Klangsinnlichkeit einzelner Akkorde weisen in mancher Hinsicht schon auf Debussy hin. Die „Symphonischen Variationen“ gehören zu Francks bekanntesten, aber auch zu seinen reifsten Werken. Die erklärende Beifügung „symphonisch“ bedeutet nicht allein, daß auch das Orchester maßgeblich an der Kunst der Veränderung beteiligt ist, nein, es ist vielmehr eine Auseinandersetzung der „zwei Prinzipe“ im Sinne der Sinfonik Beethovens. Franck verwendet nämlich nicht nur — wie bislang üblich — ein Thema, das variiert wird, sondern zwei. Die beiden Themen sind kurz, erklingen nacheinander und eröffnen das Werk. Das erste — es ist rhythmisch bestimmt, kraft voll, und verkörpert gleichsam das männliche Prinzip — erklingt im Einklang von den Streichern gespielt. Weich, lyrisch, liedhaft, das weibliche Prinzip verkörpernd, schließt sich das zweite Thema an, ausdrucksvoll vom Soloklavier vorgetragen. Man beachte die männlichen und weiblichen Endungen innerhalb der beiden Themen ! Dr. Wilhelm Mohr urteilte trefflich, als er über dieses Werk schrieb: „Der Geist der Sonate ist mit dem Geist der Variation eine bedeutende, wunderbar lebensvolle und vollkommen neue Verbindung eingegangen, wodurch die Variationenform eine Befruchtung und Weiterentwicklung erfuhr, die von der ursprünglichen Idee einer mehr oder weniger spielerischen Veränderung zu der einer Weiter- und Höher entwicklung des Themas führt.“ Mit Hilfe seiner reichen Phantasie und seines bedeutenden handwerklichen Könnens verwandelt Franck dieses Miteinander der zwei Themen in vielfältiger und kunst voller Weise. Bei den Pianisten und Hörern aller Länder erfreut sich das dankbare Werk größter Beliebtheit. Die Sinfonie d-Moll komponierte C£sar Franck zwei Jahre vor seinem Tode. Die erste Aufführung in Paris (1899) schockierte das Publikum. Selbst die Fachleute waren geteilter Meinung, sie verurteilten die Verwendung des Englischhorns in dem Werk, erklärten sich mit Francks „zyklischem Stil“ und der persönlichen Verarbei tung der Sinfonieform nicht einverstanden, ja, Gounod urteilte so scharf, daß er die Sinfonie mit einer „zum Dogma erhobenen Impotenz“ verglich. Die Einleitung des ersten Satzes führt zum Hauptthema, das sich aus der Einleitung entwickelt. Dann wird der gesamte Abschnitt in f-Moll wiederholt. Erst danach folgen Seitensatz, Durchführung (mit einem neuen Gedanken!) und Reprise, wobei wieder auf das Thema der Einleitung zurückgegriffen wird. Der zweite Satz schwankt zwischen einem Scherzo und einem Variationensatz. Zwei Trios erscheinen, und beide Trio-Themen werden in der Coda zitiert. Das d-Moll des Anfangssatzes wird im Finalsatz zu D-Dur verwandelt. Wieder arbeitet Franck formal sehr eigenwillig: das Thema des Allegretto taucht in der Durchführung des Finalsatzes auf, und in der