Ludwig van Beethoven: Stationen seines Lebens (V) Wien (1807—1814) Auch das Jahr 1807 stand unter dem Namen Wien. Schon Anfang März wurden im Saal des Fürsten Lobkowitz zwei musikalische Akademien veranstaltet, zwei sogenannte Privatakademien. Dort erklangen die Sinfonien Eins bis Vier, die Coriolan-Ouvertüre und das Klavierkonzert G-Dur. Kurze Zeit danach Unter zeichnete Beethoven einen günstigen Vertrag (über 200 Pfund Sterling) mit Clementi, der in England einige Werke des Meisters veröffentlichen wollte. Vom Mai bis in den September hinein wohnte Beethoven auf dem Lande, in Baden bei Wien, später in Heiligenstadt. In dieser Zeit entstand die Messe C-Dur. Während der Wintermonate dirigierte Beethoven verschiedentlich die „Wiener Liebhaberkonzerte” im Saal zur „Mehlgrube” und im Universitätssaal. Als der Komponist Friedrich Wilhelm Reichardt Wien besuchte, hörte er in einer der Akademien bei Lobkowitz, zu der (nach Zeitungsberichten) eine „sehr gewählte Gesellschaft zum Besten des Verfassers sehr ansehnliche Beiträge subskribiert” hatte, das Klavierkonzert G-Dur. In seinen „Vertrauten Briefen” schrieb er über das Spiel Beethovens: Ich hörte ein neues Pianofortekonzert von ungeheuerer Schwierigkeit, welches Beethoven zum Erstaunen brav, in den allerschnellsten Tempis ausführte. Das Adagio, ein Meistersatz von schönem, durchgeführtem Gesang, sang er wahrhaft auf seinem Instrument mit tiefem melancholischem Gefühl, das auch mich dabei durchströmte.” Das Klavierkonzert G-Dur ist ein Werk heiter-nachdenklicher Grundhaltung, spielerisch beschwingt, dabei von festlichem Schwung erfüllt. Orchester und Solist stehen sich gleichberechtigt gegenüber. Bei aller Freude am reichen Figuren- und Passagenwerk sowie an pianistischen Schwierigkeiten drängt sich das Solistische nie dominierend in den Vordergrund. Beethoven schuf damit das Muster des klassischen Solistenkonzertes, das bis in unsere Zeit hinein von größter Bedeutung geblieben ist. Nach einem einseitigen und zum Teil extremen Ausweiten des Solistenparts in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und nach der Jahrhundertwende (Brahms, Liszt, Reger, Pfitzner) haben die Komponisten des 20. Jahrhunderts in verstärktem Maße wieder zur klassischen Form des Solisten konzertes zurückgefunden, zu einem ausgeglichenen Konzertieren zwischen Orchester und Solopart. Der Mittelsatz (e-Moll) ist von besonderer Schönheit. Die alt| Orpheus-Sage, engstens mit der Musik, vor allem mit der Oper verbunden, soll die Anregung zur Komposition dieses Andantesatzes gegeben haben. Ein drohendes Thema (im forte) steht gleichsam als Verkörperung des sinfonischen Prinzips einer seelenvollen Gesangsmelodie gegenüber, die (nach Richard Wagner) als „Melodie des guten Menschen” die Mächte des Bösen besiegt. Von besonderer Eindringlichkeit ist der kurze Übergang vom langsamen Satz zum Finale: Wie hier der Gesang ins Stocken kommt, ein nachdenklich-fragendes Rezitativ dar stellend, an das sich unmittelbar die heitere Welt des Rondo anschließt, das weist schon auf den späten Beethoven hin.