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Universitätszeitung
- Bandzählung
- 1979
- Erscheinungsdatum
- 1979
- Sprache
- Deutsch
- Signatur
- Z. gr. 2. 459
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1770109730-197900007
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1770109730-19790000
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1770109730-19790000
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen der Universitäten Sachsens (1945-1991)
- Bemerkung
- Teilweise vorlagebedingter Textverlust.
- Strukturtyp
- Band
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitschrift
Universitätszeitung
-
Band
Band 1979
-
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- Ausgabe Nr. 6, 9. Februar 1
- Ausgabe Nr. 7, 16. Februar 1
- Ausgabe Nr. 8, 23. Februar 1
- Ausgabe Nr. 9, 2. März 1
- Ausgabe Nr. 10, 9. März 1
- Ausgabe Nr. 11, 16. März 1
- Ausgabe Nr. 12, 23. März 1
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- Ausgabe Nr. 25, 22. Juni 1
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- Ausgabe Nr. 29, 20. Juli 1
- Ausgabe Nr. 30, 27. Juli 1
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- Ausgabe Nr. 37, 12. Oktober 1
- Ausgabe Nr. 38, 19. Oktober 1
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- Ausgabe Nr. 41, 9. November 1
- Ausgabe Nr. 42, 16. November 1
- Ausgabe Nr. 43, 23. November 1
- Ausgabe Nr. 44, 30. November 1
- Ausgabe Nr. 45, 7. Dezember 1
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Band
Band 1979
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Zum 60. Todestag von Franz Mehring am 29. Januar Erste Seite des von F. Mehring an den Reichskanzler gerichteten Schreibens, worin gegen das über die Marx-Bio graphie verhängte Ausfuhrverbot prote stiert wird. F ranz Mehrings konfliktreichen Lebens- und Erkenntnisweg prägt die faszinierende Konse quenz des kühnen, streitbaren Wahr heitssuchers: Länger als ein halbes Menschenleben rang er um die Wahr heit, bevor er im reifen Mannesalter zu einem ihrer leidenschaftlichsten Verkünder wurde. Dem talentierten Sproß der ultrakonservattven Offi ziers- und Beamtenfamilie wurde alles andere an der Wiege gesungen, nur nicht, daß er dereinst zu einem Vorkämpfer der revolutionären Ar beiterbewegung werden sollte. Auf gewachsen in dem engen geistigen Bannkreis hinterpommerscher Klein städte, so schildert Mehring später selbst voller Ironie die politisch muffige Atmosphäre seines Eltern hauses, „... mußte ich mich allzu lange von der lauteren Milch preus sischer Vaterlandsliebe nähren, und noch in meinem Abiturientenaufsatz habe ich das famose Thema .Preu ßens Verdienste um Deutschland“ so gläubig behandelt, daß ich die erste Note erhielt“. Die Kehrseite dieses in der Familientradition tief verwur zelten preußischen Hurrapatriotismus war eine pietistische Frömmigkeit, über die Mehring zuweilen noch im Mannesalter bitter klagte, daß er „durch das Einpauken neutestament- licher Bibelsprüche um einen kost baren Teil seiner jungen Jahre ge bracht worden“ sei. Wie sehr die Frömmelei des El ternhauses Mehrings Gedankenwelt im Jünglingsalter umwölkte, erhellt auch daraus, daß er sich in jenen Jahren als Berufs- und Studienziel den geistlichen Stand seiner Vorväter auserkor: „Als Knabe sollte und wollte ich Theologie studieren, und mit dem ganzen Ehrgeiz eines hoff nungsvollen Pennälers gedachte ich die theologischen Examina vor dem Konsistorium in Stettin mit allem Glanze zu absolvieren. Aber ich ver zichtete auf diese Lorbeeren, als ich zu erkennen glaubte, daß ein er schöpfendes Eindringen in alle Ge heimnisse einer Wissenschaft, die auf der Grundtatsache beruht, daß 3X1 = 1 ist, eine unheilbare Ge hirnverrenkung verursachen müsse, die es mir unmöglich machen würde, jemals wieder die schlichte sinnliche Kutscherlogik des profanen Lebens zu handhaben oder zu verstehen.“ - mos 8*2 $.o, tae.. • - ■ tt ■ ' „ mwn-r 3 --ru s.rmtas zetmrcou. . •ot 14 -sucu ntu - a-nar •w3- "on-—tvret on. as truuariu tna «- azcuai« ata ne * • . urre • teawin -a -rnt aeas sar .. - “bt * l ötn Sil -1 acoi o- uuwra’t. Ernennung Franz Mehrings' zum Mit glied der Sozialistischen Akademie der Gesellschaftswissenschaften durch das Allrussische Zentralkomitee der RSFSR. Weder Mucker noch Stubenhocker Der zwanzigjährige Mehring bezog also nicht die Theologische Fakultät, sondern ließ sich im Oktober 1866 in die Matrikel der Philosophischen Fa kultät der Alma mater lipsiensis ein schreiben. Die intensiven philologi schen. historischen und literaturge schichtlichen Studien,, die Mehring nun unter Anleitung solch namhafter Gelehrter wie des klassischen Philo logen Curtius und des bekannten Plautusforschers Ritschl betrieb, be einflußten nicht nur den Stil, sondern beflügelten vor allem eine an den klassischen Humanitätsidealen orien tierte weltanschauliche Entwicklung, die der junge Student nun in immer bewußterer Abkehr von jenem preu ßisch gefärbten Pietismus der ersten Jugendjahre vollzog. Im übrigen war bereits der junge Mehring weder ein Mucker noch ein Stubenhocker. In geistvoller und lustiger Gesellschaft fühlte er sich äußerst wohl und wußte einen guten Tropfen im rech ten Moment zu schätzen. Indes ent behrten auch diese Studienjahre nicht des Ernstes der Stunde: Als Mitglied der Burschenschaft „Dres- Die Abitur-Eins überwunden densia“ beteiligte sich Mehring nicht nur an den derben Späßen und un vermeidlichen Gelagen dieser Verei nigung. In den politischen Auseinanderset zungen mit reaktionären Korpsstu denten stritt .er gegen eine akade mische Gerichtsbarkeit, die solche Kräfte privilegierte. Als Mehring im Verlauf dieser Konflikte in einem Leipziger Cafe einmal von fünf undzwanzig bis dreißig Korpsstuden ten provoziert und angegriffen wur de, bewies er sehr tatkräftig, daß er durchaus nicht zimperlich und zart besaitet -war, wenn es die Situation erforderte. In dieser Auseinanderset zung, so berichten Augenzeugen übereinstimmend, bewies der zwan zigjährige Mehring hohen persönli chen. Mut und ließ schon etwas von jener scharfen und kompromißlosen Streitbarkeit ahnen, die ihn später als Journalisten, Politiker und Wis senschaftler so auszeichnete. Meisterwerk: die „Lessing-Legende" Im August des Jahres 1882 promo vierte Mehring mit der noch gegen die revolutionäre Arbeiterbewegung gerichteten Schrift „Die Deutsche So zialdemokratie, ihre Geschichte und ihre Lehre“ zum Doktor der Philo sophie. Die Ironie der Geschichte wollte es freilich, daß ihn die Mit glieder der Philosophischen Fakul tät der Leipziger Universität in ih rem biederen Eifer gerade für die Bekämpfung jener Ideen honorier ten, deren begeisterter Vorkämpfer er bald darauf wurde. Mehring war ein Historiker gro ßen Formats, war Philosoph, Litera tur- und Kunstwissenschaftler, Mili tärhistoriker und politischer Publi zist allerersten Ranges. Er erwarb sich außerordentliche Verdienste um die Herausgabe des Nachlasses von Karl Marx und Friedrich Engels. Ein besonderes Meisterwerk, das ihn in die erste Reihe der marxistischen Theoretiker stellte, schuf Franz Meh ring in Gestalt der „Lessing-Legen de“, mit der er nach verschiedenen Vorarbeiten zu Beginn der neunzi ger Jahre in der „Neuen Zeit“ den Generalangriff auf die chauvini stische Legendenbildung über die „nationale und kulturfördernde“ Rolle des Hauses Hohenzollern er öffnete. Ihre Bedeutung tritt beson ders plastisch im Spiegel des unbe stechlichen Urteils Friedrich Engels’ hervor. Ausgangs des 19. Jahrhunderts gab es kein anderes Buch eines deut schen Marxisten, das in solchem Um fange das Interesse und den Beifall des Mitbegründers des wissenschaft lichen Kommunismus gefunden hatte wie die „Lessing-Legende“. Die sou veräne Meisterschaft, mit' der Meh ring seinen Gegenstand nicht nur ab handelt, sondern bewältigt, erklärt sich vor allem daraus, daß er die materialistische Geschichtsauffassung in ihrem Kern begriffen hatte und schöpferisch anzuwenden vermochte. Die Partei des Proletariats, so for derte er wiederholt, dürfe sich nie mals „den frischen und ursprüngli chen Quell ihrer wissenschaftlichen Forschungsmethoden durch den ver moderten Kram der .bürgerlichen Wissenschaft“ trüben .lassen“. Hier müsse sie hart und rücksichtslos sein „und den Schatz zu hüten wissen, den ihre großen Denker ihr seit bald sieben Jahrzehnten erworben ha ben“. Gerade auf diesen Umstand hatte auch Engels bereits unmittelbar nach der Lektüre des Werkes auf merksam gemacht: Es ist doch eine große Freude, urteilte er in einem Brief an Bebel über Mehrings Werk, „wenn man sieht, wie die materia listische Geschichtsauffassung, nach dem sie — in der Regel — seit 20 Jahren in den Arbeiten der jüngeren Parteileute als großmäulige Phrase hat herhalten müssen, endlich an fängt, als das benutzt zu werden, was sie eigentlich war: ein Leitfa den beim Studium der Geschichte.“ Engels’ Wertschätzung enthält die Prädikate „ganz ausgezeichnet“, „ganz vorzüglich“, ist dabei aber nicht frei von kritischen Anmerkun gen im Detail und gipfelt insgesamt in der Feststellung: es ist bei weitem die beste Darstellung der Genesis des preußischen Staates ... die beste regelrechte Belagerung der Zitadelle der preußischen Legende, die ich kenne: den Lessing sagt man, den alten Fritz meint man .. 1902 übernahm Franz Mehring die Chefredaktion der „Leipziger Volks zeitung“. Hier focht Mehring mit der ganzen Leidenschaft seines kämpferi schen Temperaments für eine streit bare marxistische Presse, entlarvte er die gefährliche Aggressionspoli tik des deutschen Imperialismus und Militarismus, führte er einen uner müdlichen Kampf gegen den Oppor tunismus und Revisionismus. Artikelserie „Die Bolschewik! und wir" Vom August 1914 an stand Franz Mehring an der Seite Rosa Luxem burgs und Karl Liebknechts. Erfüllt von glühendem Haß und grenzen loser Verachtung brandmarkte er den Verrat der Ebert, Scheidemann und Noske und entlarvte die demagogi schen Phrasen von der „Vaterlands verteidigung“ und dem „Burgfrie den“. Voller Abscheu sprach er über Theoretiker vom Schlage Karl Kauts kys, „die drei oder sogar vier Jahr zehnte über jedem' Komma in Marxens Werken gebrütet hatten“, aber „in einer geschichtlichen Stunde, wo sie einmal wie Marx handeln konnten und sollten, sich doch nur wie trillernde Wetterhähne um sich selbst zu drehen wußten.“ Als dann die Oktoberrevolution ihren Enthusiasmus und ihre schöpfe rischen Energien auf die internatio nale Arbeiterbewegung ausustrah- len begann und in Millionen Arbeiter herzen neue Hoffnungen erweckte, war Franz Mehring einer der ersten, die ihre weltumwälzende Größe er kannte; er erläuterte sie den deut schen Arbeitern in seiner berühm ten Artikelserie „Die Bolschewiki und wir“ in der „Leipziger Volkszei tung“. „Diese ruhige Sicherheit, die ebenso daraus entspringt“, so schrieb er am 17. Juni 1918 in der „Leipziger Volkszeitung“, „daß die russischen Revolutionäre sicheren Boden unter ihren Füßen fühlen, als auch, daß sie aus den tiefsten Quellen der sozia listischen Wissenschaft schöpfen, gibt der Regierung der Sowjetrepublik das kennzeichnende Gepräge.“ Als der Vorsitzende der Berliner Revolutionären Obleute, der USPD- Funktionär Emil Barth, auf dem Bankett, das die Sowjetbotschaft zu Ehren Karl Liebknechts am Tage nach dessen Entlassung aus dem Zuchthaus gab, in peinlich überheb- licher Manier die kommende deut sche Revolution der Oktoberrevolu tion entgegenstellte, so berichtete Fritz Globig, „da stand neben Karl unser alter Franz Mehring auf, mit schlohweißem Haar und Bart. Er sagte ganz ruhig nur wenige Sätze: Es oerühre eigenartig, daß hier ein Zeitgenosse aufstehe, der noch gar nichts bewiesen und wahrscheinlich auch wenig gelernt habe und sich er kühne, unseren russischen Klassen genossen, die täglich in der Ge schichte Gewaltiges leisten und der VZelt ein Beispiel geben, Lektionen zu erteilen. — Allseitige freudige Zu stimmung.“ Dr. Gisela Neuhaus/Manfred Neuhaus „Marx’ lOOjähriger Geburtstag ist am 5. Mai 1918“, wandte sich der namhafte sozialdemokratische Ver leger J. H. W. Dietz am 28. Dezem ber 1917 an Karl Kautsky: „Wollen Sie ein Lebensbild von Marx, in das Sie auch Engels hineinziehen soll ten, für diesen Tag schreiben ? ... Ein solches Lebensbild werden wir bei der U.-Sozd. (Unabhängigen So zialdemokratie — der Verf.) u. A. Sd. (Abhängigen Sozialdemokratie der Verf.) sowie bei der bürger lichen Gesellschaft in ziemlicher Auflage unterbringen, so daß auch ein klingender Lohn dafür in sichere Aussicht zu nehmen ist.“ Doch für Karl Kautsky war es, wenige Wochen nach dem Sieg des Roten Oktober, der den Verrat der Sozialdemokratie und ihres an erkannten Theoretikers am Marxis mus vor aller Welt offenbarte, „un möglich ... das Marx-Gedenkbuch zu schreiben“. „So mag es unge schrieben bleiben“, meditierte ver drossen der geschäftskundige Dietz. Zu diesem Zeitpunkt aber war die historische Pflicht, anläßlich Marx’ 100. Geburtstag Leben und Wirken des Schöpfers des wissenschaftlichen Kommunismus biographisch zu ge stalten, von einem anderen bereits vollbracht: Im März 1918 „feilte“ der langjährige Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“, Franz Mehring, an den letzten Zeilen sei ner • Arbeit „Karl Marx — Ge schichte seines Lebens“. Eine Epi sode? Weit mehr: ein Symbol! Nichts ist wünschenswerter, hat- Genie und Gesellschaft Franz Mehring über Karl Marx ten Karl Marx und Friedrich Engels bereits im April 1850 gefordert, als die Leute, die an der Spitze der Be wegung standen, „endlich einmal mit derben Rembrandtschen Farben“ zu schildern, „in ihrer ganzen Le bendigkeit“, nicht in verhimmelten Rafaelschen Bildern, in denen „alle Wahrheit der Darstellung verloren“ geht. Dies war Mehrings Leitmotiv, als er darum rang, ein echtes Le bensbild von Marx zu gestalten, „ihn in seiner mächtig rauhen Größe nachzuschaffen.“ Unter den komplizierten Kampf bedingungen der Weltkriegsjahre bekannte sich der Siebzigjährige (!) mit der ganzen Leidenschaft des Revolutionärs für die Einheit von Politik und Wissenschaft. Es ent hält eine tiefe politische Symbolik, daß Mehrings Marx-Biographie an jener denkwürdigen Wende im Ver lag der Leipziger Buchdruckerei AG erschien, als die russischen Arbei ter und Bauern das Tor zu einer neuen Epoche der Menschheitsge-’ schichte aufstießen und daran gin gen, Marx“ Vermächtnis zu ver wirklichen. Revolutionäres Weltge schehen und parteihistorisch-welt anschaulicher Schaffensprozeß begeg ¬ neten sich für Mehring 1917/1918 noch einmal unmittelbar. Die unvergleichliche Größe von Marx beruht darin, bekannte Franz Mehring im Vorwort seiner großen Biographie, „daß in ihm der Mann des Gedankens und der Mann der Tat unzertrennlich verbunden wa ren“. Diese Einheit von Theorie und Praxis bei Karl Marx wurde vom Autor in treffende Gegenüberstellun gen zu den widersprüchlichen gei steswissenschaftlichen Strömungen seiner Zeit, in die historisch-konkre ten Auseinandersetzungen mit Marx’ Widersachern eingebettet. „Marx ... hat nie daran gedacht“, zerschlug Mehring den opportunisti schen Vorwurf, der Verfasser des „Bürgerkrieg in Frankreich“ habe die Internationale gefährdet, als er sie mit der „Verantwortung für die Pariser Kommune“ belastete, „die Zukunft seiner Sache zu opfern, in der trügerischen Hoffnung, dadurch die Gefahren zu mindern, die ihr in der Gegenwart drohten“. Zwei Tage, nachdem die letzten Kommunarden den Märtyrertod starben, so schil derte er in diesem Zusammenhang die Genialität seines Helden, „legte Marx dem Generalrat die Adresse über den Bürgerkrieg in Frank reich* vor, eine der glänzendsten Urkunden, die je aus seiner Feder geflossen sind... Marx bewährte hier wieder seine erstaunliche Fä higkeit, unter der täuschenden Oberfläche eines scheinbar unlös lichen Durcheinanders, mitten durch das Gewirr sich hundertfach kreu zender Gerüchte den geschichtli chen Kern der Dinge sicher zu er kennen“. Wo in der Literatur ist das pro- metheische Schicksal, in das die bür gerliche Gesellschaft des 19. Jahr hunderts den größten Genius des deutschen Volkes kettete, jemals anklagender und aufrüttelnder ge schildert worden als in dem wunder vollen Abschnitt der Mehringschen Marx-Biographie, der den Titel „Ge nie und Gesellschaft“ trägt? Wem gelang es, die Freundschaft zwi schen Marx und Engels, diesen Bund, der „in aller Geschichte sei nesgleichen nicht gehabt hat“, so ergreifend darzustellen wie Franz Mehring? Alle Geschichtsschreibung, so cha rakterisierte Mehring im Vorwort seiner Marx-Biographie eines sei ner wichtigsten Schaffensprinzi pien, „ist zugleich Kunst und Wis senschaft, und zumal die biographi sche Darstellung. Ich weiß im Augenblick nicht, welcher trockene Hecht den famo sen Gedanken geboren hat, daß ästhetische Gesichtspunkte in den Hallen der historischen Wissenschaft nichts zu suchen hätten. Aber ich muß, vielleicht zu meiner Schande, offen gestehen, daß ich die bürger liche Gesellschaft nicht so gründlich hasse wie jene strengeren Denker, die um dem guten Voltaire eins auszuwischen, die langweilige Schreibweise für die einzig erlaubte erklären. Marx selbst war in diesem Punkte auch des Verdachts ver dächtigt mit seinen alten Griechen rechnete er Klio zu den neun Musen. In der Tat, die Musen schmäht nur, wer von ihnen verschmäht worden ist.“ Gerade weil Mehring diese Ver einigung von Wissenschaft und Kunst, wie nur wenigen vor ihm gelang, entstand eine Biographie aus parteihistorischer Meisterhand, die bleibende Maßstäbe für Objekti vität, Wissenschaftlichkeit, Partei lichkeit und Überzeugungskraft setzt, die, ungeachtet einiger Irrtümer und Fehleinschätzungen, die späterer Prüfung nicht standhielten, noch heute immer neue Generationen von Kommunisten begeistert, an der die alten und „neuen“ bourgeoisen Le genden über das Leben und Werk des größten Sohnes unseres Volkes zerschellen. M. N. W er nach Publikationen über Franz Mehring sucht, wird bald erkennen, daß das 1956 (2. Aufl. 1958) erschienene Buch von Thomas Höhle „Franz Meh ring. Sein Weg zum Marxismus 1869 bis 1891“ und die Schrift von Josef Schleifstein „Franz Mehring — sein marxistisches Schaffen 1891 bis 1919“ (Berlin 1959) noch im mer den Charakter von Standard werken besitzen. Es gereicht der Karl-Marx-Universität zur Ehre, daß beide Werke innerhalb der Schriftenreihe ihres damaligen Instituts für Deutsche Geschichte publiziert worden sind. Von den in den zwei, folgenden Jahrzehn ten in der UdSSR und der DDE erschienenen Aufsätzen, die vor nehmlich einzelnen Aspekten des Lebens und Schaffens des großen marxistischen Historikers gewid met sind, seien drei der jüngsten genannt: N. E. Ovcarenko: „Franz Mehrings Beitrag zur Strategie der deutschen Arbeiterbewegung in der Epoche des Imperialismus“ (ZfG, H. 7/1973); A. Laschitza „Franz Mehring — ein Lehrmei ster der marxistischen Biogra phie“ (BzG, H. 1/1976) und H.-J. ■ ■ ■ sine examine Mehring-Dokumente im Leipziger Universitätsarchiv Friederici „Historiker, Journalist und Revolutionär. Franz Meh ring“ (BzG. H./1976). Im Universitätsarchiv befinden sich eine Reihe von Quellen, die über das Studium von Franz Meh ring an der Leipziger Universität (Immatrikulation — 30. Oktober 1866) und seine 1882 erfolgte Pro motion Auskunft geben. Auf schlußbereich ist vor allem die Promotionsakte, die in Kürze ver öffentlicht werden soll. Mehrings Leipziger Studenten zeit ist von Th. Höhle in angemes sener Weise geschildert worden (S. 34 ff., 2. Aufl.). Auch die Dis sertation „Die deutsche Sozialde mokratie, ihre Geschichte und ihre Lehre“ wird in diesem Werk charakterisiert (S. 123 ff.). Meh rings Eintragung in die Matrikel hat folgenden Wortlaut: Matrikel: 1863 Nr. 431 Tag der Inskr.: 29. Oktober 1866 Vollst. Name: Erdmann Franz Mehring Geb. Ort: Schlawe Vaterland: Preußen Alter: 20 J. Religion: Luth. Stand d. Vaters: Kreiseinnehmer In- oder Ausl.: Ausl. Letzter Aufenthalt vor. Univ.: Greiffenberg i. P. Studien: philol. Hiesige Wohnung: Neukirchhof No. 34 Autograph Am 10. Juli 1882 richtete Franz Mehring folgendes Schreiben ah die philosophische Fakultät: „In geziemender Ehrerbietung bewerbe ich mich hiermit unter den bekannten Bedingungen um den Doktorgrad bei der philoso phischen Fakultät in Leipzig. Al 5 Dissertation reiche ich beigehend meine Schrift „Die deutsche So zialdemokratie. Ihre Geschichte und ihre Lehre“ in drei Exempla- | ren ein; und ich erlaube mir zu gleich, derselben eine Reihe wis- senschaftlicher Abhandlungen beizufügen, welche ich in den „Preußischen Jahrbüchern“ über die Pariser Commune von 1871 veröffentlicht habe. Ferner füge । ich beglaubigte Zeugnisse über meine Gymnasial- und Universi- tätsstudien, sowie eine Erklärung’ auf Ehrenwort bei, daß ich die Dissertation selbst und ohn® । fremde Beihilfe verfaßt habe- 1 Wenn ich endlich auch eine Er-; klärung des Geheimen Archivra tes Dr. Lehmann einreiche, s01 möchte ich damit ehrerbietigst anheimstellen, ob mir die in § 18 des Promotionsregulativs ältere’’ Bewerbern um den Doktorgrad unter Umständen gewährte Ver-, günstigung gleichfalls gestattet werden könnte. So gern ich aucl bereit bin, falls es unerläßlich sein sollte, mich der mündlichen Prüfung zu unterwerfen, so würde dieselbe, besonders die Reise nacl Leipzig, für mich mit einer Reihe von Umständen verknüpft sein: die mir insofern unerwünscht wären, als ich meine ganze Kraft auf die Vollendung meines Wel kes über die Pariser Commune verwenden möchte, um mich als dann an den Publikationen aus den Königl. Preußischen Staats archiven beteiligen zu können. In geziemender Ehrerbietung Franz Mehring Berlin, den 10. Juli 1882“ Aus dem Promotionsbuch de philosophischen Fakultät . geh hervor, daß dem Antrag Mehrings entsprochen wurde („sine exa mine") G. K./G. 5
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