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recht und schlich dann auf den Zehenspitzen die Treppe hinab zum Hause hinaus. Draußen empfing sie ein kalter, unfreundlicher Apriltag. Regen und Schnee schlugen ihr ins Gesicht, ein heftiger Wind fauchte sie an und trieb sie vorwärts. Zum letzten mal vielleicht für lange Zeit trat sie den Gang nach dem Friedhof an, durchschritt eilig die Reihen derer, die hier eine letzte Ruhestätte gefunden und stand dann, das Taschen tuch an die Augen gepreßt, vor dem wohlbekannten Hügel. Ringsum war alles still, kein Mensch störte sie in ihrer Trauer. Alles erschien noch winterlich kahl und öde, nur hie und da zeigten sich an den niedrigen Sträuchern kleine, braune Knospen, die nur auf die warme Sonne warteten, um die enge Hülle zu sprengen. Trotz der kalten, unfreundlichen Witterung lag etwas wie Frühlingsahnen in der Luft, man merkte es an dem munteren Gezwitscher der Vögel, an dem grünlichen Schimmer der kleinen Rasenflächen, daß in kurzer Zeit der holde, blütenreiche Mai alles wieder verjüngen werde. An dergleichen dachte freilich das trauernde Menschen kind nicht, das da so einsam nnd allein stand und sich elender und verlassener fühlte als je, einer der bräunlichen Knospen vergleichbar, ebenso wie diese, auf den warmen Kuß der Sonne wartete und sich sehnte nach einem treuen teilnehmenden Herzen, an dem es all seinen Kummer ausweinen konnte. Gerda zog ihre kleine, silberne Uhr, ein Geschenk ihres Vaters, hervor. Sie erschrak. Es war die höchste Zeit, wollte sie den Zug nicht versäumen. Noch einen letzten Blick warf sie zurück, dann trocknete sie die Tränen und lief hastig vorwärts. Nun ging es dem neuen Leben entgegen. Und dann saß Gerda im Zug, der sehr langsam, rasselnd und stoßend sich in Bewegung setzte. Die Stadt verschwand ihren Blicken, versank im Nebel. Von der Landschaft, die der Zug durcheilte, war wenig zu sehen; es lag ein grauer Schleier über Feld und Wald. Manchmal tauchte ein Dörfchen mit roten Ziegeldächern auf, der spitze Kirchturm ragte aus dem Nebelmeer empor, um gleich darauf in der dämmerigen Ferne zu verschwinden. Müde und abgespannt lehnte Gerda den dunklen Kopf an die Rückwand und schloß die Augen. Was die Stiefmutter wohl sagen würde, wenn Gerda nicht mehr nach Hause kam. Sie würde rasen, toben, schimpfen, aber niemand würde sie hören, keiner ihr Antwort geben. Endlich war die Station erreicht, wo die junge Reisende aussteigen mußte. Außer ihr verließ niemand den Zug. Unschlüssig stand Gerda auf der Landstraße die rechts und links begrenzt von dichten Fichtenwäldern, sich in gerader Linie dahinzog. Man konnte dieselbe ein Stück weit über blicken. Sie war von dem vielen Regen völlig aufgeweicht und von tief einschneidenden Furchen durchzogen. Noch immer trieb ein kalter Wind dichte Schneeflocken untermischt mit Regen, vor sich her. Fröstelnd schaute die Einsame sich um. Kein Mensch war zu sehen weit und breit, wie ausgestorben erschien die ganze Gegend. Zagen und Furcht schlichen sich in des Mädchens Herz. Da Gerda von früher her wußte, daß die Landstraße einen großen Bogen machte, so wählte sie den näheren Weg, der zwar mitten durch den Wald führte, aber sie kam da durch eine halbe Stunde früher ans Ziel. Es war freilich lange her, daß sie diesen Weg gegangen, doch hoffte sie, ihn noch so in Erinnerung zu haben, daß sie sich ohne fremde Hilfe zurecht finden konnte. In dem dichten Fichtenwalde herrschte Dämmerung. Lautlos still war es ringsum. Nur der Wind rauschte in den hohen Bäumen, die wie Säulen dastanden. Mutig schritt Gerda dahin. Die Nässe begann sich unangenehm bemerkbar zu machen. Feucht und kalt drang es ihr durch die dünnen Stiefelchen, da der weiche, moosige Waldboden, in dem sie manchmal tief einsank, völlig getränkt war mit Wasser. Der schmale Pfad schlängelte sich bergaufwärts und Gerda hoffte von der Höhe aus die Gegend etwas überblicken zu können, um sich zu orientieren. Aber als sie den ziemlich steilen Weg emporgeklettert war und oben auf der freien Höhe stand, malte sich tiefe Enttäuschung auf ihrem Gesicht. Sie hatte gemeint, das Dorf, das sie erst durchschreiten mußte, ehe sie die Mühle erreichte, würde jetzt unten am Fuße des Hügels liegen, aber nicht ein einziges Haus vermochte sie zu sehen. Sie blickte bestürzt umher. Ueberall nur ein wogendes Nebelmeer, das mit grauen Schleiern alles ein hüllte. Gerda wußte jetzt überhaupt nicht, sollte sie sich nach rechts oder nach links wenden. Das fehlte noch, daß sie den Weg verfehlt hätte! — Wenn die Nacht hereinbrach, ehe sie ihr Ziel erreichen konnte, befand sie sich in einer entsetzlichen Lage. Eine furchtbare Angst befiel sie plötzlich, Tränen traten ihr bei dieser Vorstellung in die Augen. Sie überlegte, ob es nicht am besten wäre, nach der Station zurückzugeheu und von da aus der Landstraße, die sicher zum Dorfe führte, zu folgen. Aber eine halbe Stunde war sie schon gewandert; bis sie wieder zurücklief, brach fast die Dämmerung herein; dann mußte sie in Nacht und Dunkel heit den weiten Weg zurücklegen, während sie hier in einer halben Stunde am Ziel sein konnte. Also mutig vorwärts, möglicherweise begegnete ihr ein Bauer oder Arbeiter, den sie fragen konnte. Sie eilte jetzt schneller vorwärts, die Angst beflügelte ihre Schritte. Aber so viel sie auch um herspähte, nirgends zeigte sich eine Spur von Menschen oder eine menschliche Wohnung. Nur das tiefe Schweigen des Waldes umfing sie. Nachdem sie eine gute Viertelstunde weiter gewandert, hatte sie eine Lichtung erreicht, der Wald war hier zu Ende und zu ihren Füßen erblickte sie braunes Ackerfeld, das frisch gepflügt schien. Links ragte aus den Nebelmassen eine Bergspitze hervor, während weiter nach rechts ein breiter Bach sichtbar wurde, der — Gerda erinnerte sich dessen genau — das Dorf durchschnitt und an der Mühle vorbeifloß. Das junge Mädchen flog den Hügel biuab, — aber da teilte sich wieder der Weg und Gerda wußte nicht, welcher der richtige war. Mutlos, verzagt, mit Tränen in den Augen stand sie eine Weile; dann horchte sie mit angehaltenem Atem. Ihr war es, als hätte sie Schritte vernommen. Hastig legte sie die hohle Hand an den Mund und rief aus Leibeskräften: „Halloh, — hierher hier — her!" Das war von Erfolg. Droben auf der Anhöhe erschien ein Mann, der sich suchend nach allen Seiten umsah. Gerda winkte eifrig mit der Hand und gleich darauf befand sich der Ankömmling an ihrer Seite. Er trug einen grauen Lodenmantel, hohe Stulpstiefel und einen grünen Filzhut, unter dem reiches, welliges Haar hervorquoll. Ein dunkler, kurz gehaltener Vollbart umrahmte ein edelgeschnittenes Ge sicht, aus dem ein paar kluge, stahlblaue Augen hervorsahen. Der Fremde ging lebhaft auf das Mädchen zu und sagM, die Tränenspuren in deren Augen bemerkend: „Mein Sie haben geweint? Darf ich erfahren, was Ihnen solM Kummer macht?" N Gerda fühlte sich von dem Klang der Stimme wohltueM berührt, vertrauensvoll schaute sie auf und sagte mit einW Seufzer der Erleichterung: „Ich habe mich so geäugstW , — es wird bereits dämmerig, und ich muß noch heute M Mühle; — kennen Sie den Müller Brendel? Vielleicht haW ? Sie die Güte, mir den Weg zu zeigen, — ich finde WW nicht mehr zurecht." Er nickte und begann lächelnd: „Den Müller BrendW Ja, den kenne ich freilich — aber, was wollen Sie bei dem alten Sonderling?" „Er ist mein Großvater und der einzige Verwandte ich noch besitze. Ich hoffe, bei ihm eine Zuflucht zu findo Vielleicht kann ich mich irgendwie nützlich machen." „Aber Fräulein," machte der andere erstaunt, „Sie wollte si sich mit ihrer Jugend und Schön Er brach plötzlich ab, da Gerda eine abwehrende Ha^zj H bewegung machte. genR Fortsetzung folgt d H, "Akaß Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Reichend^ vom 15. bis 21. Januar 1910. ^de Sterbefälle: Die Näherin Christiane Wilhelmine verw. Wein^^ geb. Wittig, 73 Fahre alt. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Siegmar vom 13. bis 19. Januar 1910. , Geburten: Dem Rohproduktenhändler Friedrich Otto Singer 1H chen; dem Schlosser Georg Camillo Engelstädter 1 Knabe; 1 I gebürt. I Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu Rabeustei vom 15. bis 21. Januar 1910. Geburten: Dem Reparaturschlosser Franz Richard Hofmann 1 dem Handschuhstricker Friedrich Paul Zimmermann 1 dem Handschuhstricker Fritz Willy Krause 1 Tochter. Hierü^— 1 unehelich geborenes Mädchen. Nachrichten des Kgl. Standesamtes zu RottlujI vom 14. bis 20. Januar 1919. Sterbefalle: Paul Kurt Hünig, 7 Fahre alt. Kirchliche Nachrichten. Parochie Reichenbrand. Am Sonntag Septuagefimae den 23. Januar vol 9 Uhr Predigtgottesdienst. Parochie Rabenstein. Am Sonntag Septuagefimae den 23. Januar vol 9 Uhr Predigtgottesdienst. Abends 8 Uhr Abendmö Haltung für den ev. Jüngliugsverein und Angehörige Mitglieder im Pfarrhaussaale. Mittwoch den 26. Januar abends 8 Uhr Abendunt I Haltung für die Mitglieder des ev. Jungfrauenvereins I ihre Angehörige im Saale von Köhlers Restaurant. Am Sonntag Septuagefimae soll die Haussammlung für christlichen Liebeswerke in der Parochie Rabenstein-Rottluff " genoinmen werden. Möchten die freiwilligen Sammlerinnen an Türen auch offene Herzen und für die Werke christlicher Nächsten^ offene Hände finden. kebr. fievWl, L 4, keiclielllirM .A kadriAert als 8p62iaIitLt6»: L in allen Naäel8tärken unä Breiten (mit otz-L oline flacHug.räg.xxg.rLt). k? tnr Haus nnä Inäu8trie. ?ur Her8tellnn§ cle8 gluckten ^lilane8e-Hanä8clinli8toüe8. tnr glatte Hanä8cliuli8totie uncl B1n8elie. . tür äureUUroLlrene Hanä8eliuli8toiie unä ^anta^ervaren. VmW: lVloäkpnsIk Konstruktion, unorroiokto pr-ärisionsarboit, rukigor unü loioktor Kang Kanarienvögel, gute Sänger, in großer Auswahl verkauft billig Fichtner, Rottluff 12b, am Friedhof. id v Mol Logismann wird angenon« Siegmar, Larolastr. 2seH. eieg. eiliger. Zimmer sofort zu vermieten Siegmar, König-Albert-Str. 11, p. Hübsche Wohmgeil 170 und 180 Mark, sowie 1 Wohnung mit 3 Zimmern, Küche, Vorsaal rc. für 300 Mark, letztere für Geschäftsmann passend, zu vermieten. Rabenstein, Neubau Spindler. 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