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phisch interessant ist das feste und gesammelte Bekenntnis zur Kraft, zur Lebensfreude, das aus dieser zweiten Sinfonie spricht, die 1803 zum ersten Male aufgeführt wurde, im Gegensatz zur ungefähr zu gleicher Zeit niedergeschriebenen verzweifelten Melancholie im „Heiligenstädter Te stament“ von 1802. Und über die Sinfonie Nr. 3 in Es-Dur op. 55 „Eroica“ weiß der schon angeführte Ferdinand Ries zu berichten: „Beethoven dachte sich bei seinen Kompositionen oft einen bestimmten Gegenstand, obschon er über musikalische Malereien häufig lachte und schalt, besonders über kleinliche der Art ... In der Es-Dur-Sinfonie hatte Beethoven sieh Buonaparte gedacht, als dieser noch erster Konsul war. Beethoven schätzte ihn damals außerordentlich hoch und verglich ihn mit den größten römischen Konsuln. Sowohl ich als mehrere seiner Freunde haben diese Sinfonie, schön in Partitur abgeschrieben, auf seinem Tische liegen gesehn, wo ganz oben auf dem Titelblatte das Wort ,Buonaparte 4 und ganz unten ,Luigi van Beethoven 1 stand . . . Ich war der erste, der ihm die Nachricht brachte, Buonaparte habe sich zum Kaiser erklärt, worauf er in Wut geriet und ausrief: ,Ist der auch nichts anders wie ein gewöhn licher Mensch! Nun wird er auch alle Menschenrechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeiz frönen . . . ein Tyrann werden! 1 Beethoven ging an den Tisch, faßte das Titelblatt oben an, riß es ganz durch und warf es auf die Erde. Die erste Seite wurde neu geschrieben, und nun erst erhielt die Sinfonie den Titel ,Sinfonia eroiea 1 (heroische Sinfonie) . . .“ Ungewöhn lich breit ist der erste Satz angelegt. Das Hauptthema erinnert am Anfang an Mozarts Ouvertüre zu „Bastien und Bastienne“, aber welcher Unter schied zwischen dem jungen Mozart und dem nun schon reifen Meister Beethoven! Eine Fülle von Themen und episodischen Motiven werden im Durchführungsteil dieses ersten Satzes im faustischen Ringen gegen einander gestellt. Von der Klage bis zur Versöhnung und zu einem Lächeln unter Tränen reicht die Ausdrucksgewalt des zweiten Satzes, des Trauermarsches. Die (gefürchteten) Hörnerstellen im Trio des Scherzos legen die Deutung des dritten Satzes als Jagdszene nahe. Zum Finale- Thema wählte Beethoven ein Variationsmotiv, das er schon vorher im Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ (und in Klaviervariationen) verwendet hatte — vielleicht nicht unabsichtlich! Prof. Dr. Mlynarczyk LITERATUR II INWEISE Albert Lcitzmann. „Ludwig van Beethoven“, Leipzig 1021; Paul Bckkcr, „Beethoven“, Stuttgart 1921; Richard Petzoldt, „Beethoven“, Leipzig 1947 VORANKÜNDIGUNG Sonnabend, den 4., und Sonntag, den 5. April 1959, jeweils 19.30 Uhr 12. Außerordentliches Konzert • Gastdirigent: Karcl Anöerl, Prag J. Brahms. 3. Sinlonie F-Dur, I. Krejöi, 2. Sinfonie; R. Strauss, Till Eulcnspiegel Freier Kartenverkauf! 6084 Ra III-9-5 359 1.4 It G 009/59